Für diesen Donnerstag, 27. Juni, um 18.30 Uhr ruft das Aktionsbündnis "Gegen die Salatfabrik" zur Demonstration gegen eine geplante Salatzuchtanlage in Wiesentheid auf. Der Zug führt vom Sportzentrum zum Schlossplatz. Das Vorhaben eines niederländischen Agrarunternehmens stößt in der Marktgemeinde auf Widerstand. Darin sind sich die Fraktionen des Gemeinderats und Einwohner einig. Doch den Umgang mit dem Bauantrag und mögliche Gegenmaßnahmen bewerten die Parteien unterschiedlich. Dies sorgt für Zündstoff. Wir haben Standpunkte und Fakten in diesem Konflikt zusammenzutragen.
Wer entscheidet über den Antrag zum Bau einer Salatzuchtanlage?
Der Antrag des Unternehmens Deliscious, an der Untersambacher Straße in Wiesentheid auf einer 17 Hektar großen Ackerfläche eine Salatzucht zu errichten, liegt beim Landratsamt (LRA) Kitzingen als Baugenehmigungsbehörde. Dort heißt es: Die Unterlagen des aufwändigen Verfahrens sind noch unvollständig und es müssen etliche Stellen (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Wasserwirtschaftsamt ...) gehört werden. Bis wann entschieden werden kann, kann das LRA noch nicht sagen.
Welche Rolle kommt der Gemeinde zu?
Der Markt allein hat laut Gesetz die Planungshoheit. Das heißt, der Gemeinderat legt über Flächennutzungs- und Bebauungspläne fest, wie sich der Ortsbereich entwickeln soll, wo etwa Wohn- und Gewerbegebiete entstehen. An diese Bauleitplanung ist das Landratsamt beim Erteilen der Baugenehmigung gebunden.
Welcher Bebauungsplan gilt für die Fläche, auf der die Salatzucht entstehen soll?
Keiner. Für die Außenfläche östlich der B 286 gab es vor den Salatzucht-Plänen laut Bürgermeister Werner Knaier im Gemeinderat noch nicht einmal eine spruchreife Idee für einen Bebauungsplan. Die Fraktion des Bürgerblocks (Freie Wähler) scheiterte Anfang Juni mit ihrem Antrag, dort einen Bebauungsplan Natur, Erholung, Freizeit und Sport auszuweisen gegen die CSU-geführte Mehrheit im Gemeinderat. Stattdessen beschloss dieser – gegen die Stimmen des Bürgerblocks – die Ausweisung einer Konzentrationsfläche für Gewächshäuser im Umfeld der Gärtnerei Lang in Richtung Reupelsdorf prüfen zu lassen, um wenigstens festzulegen, wo eine Salatzucht entstehen soll, wenn diese – aus CSU-Sicht – rechtlich nicht zu verhindern ist.
Welche Positionen und Meinungen treffen hier aufeinander?
CSU-Bürgermeister Knaier vertritt eine Auffassung des Bayerischen Gemeindetags. Dessen juristische Einschätzung lautet verkürzt: Ein Bauvorhaben (hier der Antrag zum Bau der Salatzucht) darf nicht Auslöser für die Ausweisung eines Bau- oder Sondergebiets sein. Dies erwecke den Anschein, dass damit ein unliebsames Vorhaben verhindert werden soll. Dies gelte erst recht nicht, wenn es für einen Bereich zuvor keinerlei Ideen für ein Baugebiet gab. Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs lassen laut Gemeindetag den Schluss zu, dass ein Investor sich vor Gericht erfolgreich gegen eine solche Planung wehren und von einer Gemeinde Schadensersatz verlangen kann. Der Bürgerblock bezieht sich ebenfalls auf die Meinung eines im Baurecht bewanderten Juristen, wie Fraktionsvorsitzender Michael Rückel erläutert. Er sagt: Wenn ein Gemeinderat seinen Willen zur Bauleitplanung eindeutig äußert, hat er gute Aussichten, sich damit vor Gericht durchzusetzen. Zumindest würde eine mit dem Erlass eines Bebauungsplans einhergehende Veränderungssperre (bis zu drei Jahre) das Bauvorhaben erheblich verzögern.
Welche Meinung vertritt das Landratsamt?
Auf Nachfrage heißt es dort, dass die Gemeinde Wiesentheid einen Bebauungs- und/oder Grünordnungsplan erstellen kann, wenn es einen bestimmten Anlass dafür erkennt, etwa, dass durch ein Bauvorhaben eine weitere Freifläche rund um den Ort verloren gehen würde. Hierfür müssten konkrete Ziele formuliert werden, wie der Erhalt von Natur oder der Schutz der Trinkwasserversorgung, es muss also darum gehen, mit der Anlassplanung etwas Positives zu erreichen – und nicht darum, etwas zu verhindern. Keine Rolle spielt es laut LRA, wenn anfangs offen ist, ob am Ende tatsächlich etwas aus der Planung entsteht. Die Gemeinde müsse den Grund und Boden, den sie überplant, nicht kaufen – was Bürgermeister Knaier anzweifelt.
Gibt es im Landkreis Beispiele für ein solches Vorgehen?
LRA und Bürgerblock verweisen auf Nordheim, wo die Gemeinde per Grünordnungsplan den weiteren Abbau von Sand und Kies durch ein Unternehmen verhindern möchte. Der dortige Bürgermeister Guido Braun setzt auf die damit verbundene zweijährige Veränderungssperre; zumindest so lange darf erst einmal nichts abgebaut werden. Es kann gut sein, dass die Frage, was wichtiger ist, der Abbau von Bodenschätzen oder der Schutz der Natur, vor Gericht entschieden wird, falls das ausgebremste Unternehmen dagegen klagt. Möglichen Schadensersatzforderungen sieht Braun gelassen entgegen.
Weshalb möchte der Investor gerade in Wiesentheid Salat züchten?
Nach eigenen Angaben möchte Deliscious vom verkehrsgünstig gelegenen Standort Supermärkte in ganz Süddeutschland "zukunftsorientiert" ganzjährig mit Salat versorgen, mit möglichst kurzen Transportwegen. Das Unternehmen verweist auf Vorteile der Salatzucht in mit modernster Agrartechnik ausgestatteten Gewächshäusern: Die in mehreren Reihen übereinander wachsenden Pflanzen benötigen nur ein Drittel der Fläche im Vergleich zum herkömmlichen Anbau auf Feldern. Der Anbau im geschlossenen Kreislauf komme mit einem Zehntel des sonst benötigten Wassers aus. Dünger werde optimal eingesetzt und kein Nitrat gelangt in den Boden. Der Schädlingsbefall sei minimal, entsprechend gering der Einsatz von Bekämpfungsmitteln. Ob eine sogenannte Hydroponic-Gärtnerei eine Konkurrenz für konventionell erzeugten Kopfsalat darstellt, lässt sich derzeit nicht abschätzen, heißt es auf Nachfrage im bayerischen Landwirtschaftsministerium.
Was bringt die Salatzuchtanlage der Gemeinde?
Als landwirtschaftlicher Betrieb zahlt eine Salatfabrik keine Gewerbesteuern an die Gemeinde. Qualifizierte Arbeitsplätze dürften nicht einmal eine Handvoll entstehen. Hinzu kommen geschätzte 25 bis 30 Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor.
Worauf setzen die Salatzucht-Gegner?
Sie appellieren laut Rückel an Paul Graf von Schönborn, dem der Grund sowohl östlich der B 286 als auch das Land Richtung Feuerbach gehört, wo das Konzentrationsgebiet Gewächshäuser entstehen soll: Dieser solle seinen Grund nicht an den Investor verkaufen, um das Bild seines Heimatortes vor den großen Gewächshäusern zu schützen. Dann wäre das Projekt in Wiesentheid wohl gestorben. Deshalb endet die Demonstration des Aktionsbündnisses auch vor dem Schloss. Falls dies nicht fruchtet, bleibt der Faktor Zeit: Jede Verzögerung des Bauvorhabens, hoffen die Salatzucht-Gegner, macht den Standort Wiesentheid für den Investor unattraktiver. In Nordrhein-Westfalen, berichtet Rückel, hat Deliscious ein Projekt aufgegeben, nachdem sich die prognostizierte Bauzeit in die Länge gezogen haben. Aus der Welt war die Anlage damit natürlich nicht: Sie entstand anderswo.
Als am 14. März 2019 im Gemeinderat über den Bauantrag "Salatfabrik an der Untersambacher Straße", abgestimmt wurde, haben 13 Gemeinderäte dagegen gestimmt und zwei dafür!
Es sind eben nicht ALLE dagegen.
Die beiden, die für den Bauantrag an der Untersambacher Straße gestimmt haben, hatten ihr Abstimmungsverhalten extra namentlich im Protokoll festhalten lassen.
Es waren der Vorsitzende Dr. Werner Knaier und Dr. Stefan Möhringer, die für den Bau der Salatfabrik gestimmt haben.
Die Mainpost müsste richtig schreiben: "Salatzucht: Das Volk ist dagegen, doch die Herrschaft will es"
Die Beschlusslage im Gemeinderat ist in dem Artikel schlecht recherchiert.
Michael Mößlein, Main-Post