Wenn er das Gefühl hat, dass etwas verloren gehen könnte, dann möchte er es fotografisch festhalten. So hat Rudi Krauß aus Kitzingen schon einige alte Brunnen, Fachwerkhäuser oder fränkische Wirtshausschilder und Hausaufschriften fotografiert – „irgendwann verputzt es jemand und dann sieht es niemand mehr“. Er selbst sieht sich als Dokumentarist.
Fotos oft Zufallsprodukte
Die Leserfotos, die er an die Zeitung schickt, sind oft eher Zufallsprodukte, wie er zugibt. Sie entstehen dann, wenn er mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs ist, zum Beispiel für sein nächstes Projekt: Gerade ist er dabei, alle Schießscharten aufzuspüren, die noch an Stadtmauern im ganzen Landkreis zu finden sind. In Volkach und Sommerach war er schon. Die Bilder und erklärende Texte dazu erscheinen im nächsten Landkreisbuch.
Heimatgeschichte festzuhalten und für spätere Generationen aufzubewahren, liegt dem 64-Jährigen schon lange am Herzen. „Schon in der Grundschule fand ich Geschichte spannend“, sagt er. Damals gab es noch nicht so viele Arbeitsblätter, „wir mussten viel selbst malen, zum Beispiel den Schwanberg“, erinnert er sich. Dieses Auseinandersetzen mit der Heimat, hat ihn sein Leben lang begleitet.
Während seines Studiums zum Grundschullehramt, das er 1972 in Würzburg begonnen hatte, half er dem damaligen Bezirksheimatpfleger Andreas Pampuch. Der hatte 1977 im historischen Rathaus in Sickershausen das Frankenstudio, eine heimatgeschichtliche Sammlung mit Bibliothek zur lokalen Heimatgeschichte und Volkskunde in Unterfranken, eröffnet.
Klebefinger und Kindernachmittage
Acht Jahre später übernahm Rudi Krauß ehrenamtlich die Leitung des Frankenstudios. 30 Jahre lang organisierte er dort Kindernachmittage, um etwas von dem weiterzugeben, was er selbst als Kind toll fand. So durften die jungen Besucher etwa Modelle vom Keltenwall auf dem Schwanberg bauen oder Burgen basteln. „Ein Besucher sagte einmal: 'Hier kommst du ohne Klebefinger nicht raus'“, erzählt Rudi Krauß und lacht. Seinen eigenen Sohn konnte er dafür auch begeistern. Zusammen unternahmen sie Ausflüge zu den verschiedensten Burgen in Franken und darüber hinaus, dabei haben sie „wie wild“ fotografiert, erzählt Krauß.
Fotografieren hielt ihn vom Rauchen ab
Seine erste Kamera bekam er zu Weihnachten 1965, eine Agfa Isoly mit Rollfilm. Damals war er 14 Jahre alt und ist sich heute sicher: „Ich hab' dem Fotografieren zu verdanken, dass ich Nichtraucher bin.“ Die Erklärung ist so einfach wie schlüssig: Die Filme waren teuer, deshalb konnte er sein Taschengeld nicht für viel anderes ausgeben. Als ihm sein Cousin dann noch seine Kamera auslieh, eine Minolta SRT-101, – „das war ein Mercedes“ – war klar, worauf Rudi Krauß sparen wollte. Um sie sich leisten zu können, arbeitete er in den Ferien bei Knauf.
Mit der Kamera umzugehen lernte er beim Kitzinger Fotoclub, dem er 1970 beitrat. Dort konnte er viel Ausprobieren, eine Jury bewertete regelmäßig die besten Bilder der Mitglieder. Doch irgendwann merkte Krauß, dass das Bewerten von Bildern nicht seine Sache ist. „Die Motive, die man aufnimmt, sind etwas sehr Subjektives“, sagt Krauß. „Wenn mir etwas gefällt, muss es einem anderen nicht auch so gehen – und umgekehrt.“ Deshalb verließ er den Fotoclub nach einiger Zeit und macht seitdem „sein Ding“.
Bis heute hat er nach eigenen Angaben rund 21 600 Bilder gemacht. Aktuell fotografiert er mit einer Panasonic Lumix. Sie passt in eine kleine Fototasche, sodass er auf dem Fahrrad nur leichtes Gepäck dabei hat. Oft ist der 64-Jährige den ganzen Tag draußen unterwegs. Bald steht wieder, wie jedes Jahr am 1. Mai, eine Landschaftstour mit Freunden an, bei der viel fotografiert wird und im vergangenen Herbst hat er gemeinsam mit Günther Fischer, den wir als Leserfotograf schon vorgestellt haben, auf den Spuren der früheren Iphöfer Landwehr einen halben Tag lang das Städtchen umrundet.
Den Moment genießen, sich Zeit lassen
Ansonsten ist Rudi Krauß, wenn er auf „dokumentarischer Mission“ ist, auch gern allein, wie er sagt, etwa wenn er Schießscharten im Landkreis sucht, denn dafür braucht er Zeit und Ruhe. „Wenn ich ein Motiv sehe, bleibe ich stehen, fotografiere, setze mich hin und genieße den Moment. Das geht nicht, wenn andere immer auf mich warten müssen.“
Wenn sich bei solchen Ausflügen spontan auch andere Motive auftun, freut ihn das. Einmal war er zum Beispiel auf dem Hutewaldweg bei Hellmitzheim unterwegs und sah durch die Bäume einen Rothirsch zwischen zwei Eichen ruhen. Erst dachte er, dass er eine Attrappe für Touristen ist, „doch eine Minute nachdem ich ein Foto gemacht hatte, stand der Hirsch plötzlich auf“, erinnert sich Krauß und schmunzelt. „Zufallsbilder sind oft die schönsten“, findet er.
Zur Person: Rudi Krauß
Der gebürtige Kitzinger, Jahrgang 1951, wohnte mit seiner Frau Edeltraud zunächst in Obervolkach und Mainbernheim, seit 1994 in Kitzingen.
Rudi Krauß studierte 1972 nach dem Wehrdienst Grundschullehramt in Würzburg und arbeitete anschließend an verschiedenen Schulen, unter anderem in Miltenberg. 1989 kam er an die Hedwig-Grundschule nach Kitzingen und blieb dort und in der Außenstelle in Sulzfeld bis zum vorzeitigen Ruhestand im Jahr 2010. Jeden Donnerstag hilft er dort noch heute als Lern- und Lesepate.
1985 übernahm er von Andreas Pampuch die Leitung des Frankenstudios in Sickershausen, einer Sammlung der Landes- und Volkskunde, die vor allem für die Jugend bestimmt war. Noch heute ist der 64-Jährige einmal die Woche dort anzutreffen. Auch der Autorenkreis für das Landkreisbuch trifft sich dort.
Krauß hat 30 Jahre lang monatlich Kindernachmittage und zehn Jahre lang Ferienpassaktionen zur Heimatgeschichte organisiert. Er ist unter anderem Mitglied im Landesbund für Vogelschutz, im Bund Naturschutz, bei der Bayerischen Archäologie, bei den Freunden Mainfränkischer Kunst und Geschichte, im Steigerwaldclub und im Frankenbund.
Er hat eine Tochter und einen Sohn.
Hinweis der Redaktion: Wir stellen einige unserer Leserfotografen in einer Serie vor, als nächstes kommt Karl Schönherr. Alle Artikel der Serie finden Sie im Rückblick (unten).