
Kochen – das ist sein Ding. Aber kreativ muss es sein. Und es sollten sich immer neue Horizonte öffnen. Unter diesen Bedingungen fühlt sich Hans-Jörg Becker wohl. Aber da ist noch eine Sache: das verflixte Fernweh, das ihn seit Jahren gepackt hat. Sein Traum war es, dieses mit seinem Beruf als Koch zu verbinden. Jetzt hat sich dieser Traum erfüllt. Aus der Landratte aus Wiesenbronn ist mittlerweile ein echter Seebär geworden.
März 2023. Die Luft hat 22 Grad, das Meer 21 Grad, genügend Wasser unter dem Kiel der Aidanova, die derzeit mit gut 5000 Passagieren und etwa 1300 Besatzungsmitgliedern rund um die Kanarischen Inseln und Madeira kreuzt. Mitte April wird sie die Transreise über Portugal, Spanien, England, Belgien und Norwegen nach Kiel antreten. Mit an Bord ist Hans-Jörg Becker, allerdings nicht als Passagier, sondern in beruflicher Mission. Becker ist immer gut drauf – und das nicht nur, weil die klimatischen Bedingungen dazu einladen, mit der Sonne um die Wette zu strahlen.
Auf der Aidanova gibt es 17 Restaurants und 28 Küchen
Was sich zunächst wie ein immerwährender Urlaub anhören mag, ist in Wirklichkeit eine anstrengende Siebentagewoche mit täglich neuen Herausforderungen. An Bord der Aidanova findet man 17 Restaurants in mannigfacher Ausrichtung: von Streetfood, Buffet-, über Spezialitäten- hin zu gehobeneren A-la-carte-Restaurants. In den dazugehörigen 28 Küchen gibt es unterschiedliche Stoßzeiten. Küchenchef Hans-Jörg Becker ist verantwortlich für das Brauhaus. Es ist das größte der Spezialitäten-Restaurants mit 640 Sitzplätzen, Biergarten auf dem Außendeck und eigener Brauerei an Bord.

Die Crew kommt aus über 30 Nationen, und während für die Gäste die Bordsprache Deutsch ist, kommuniziert die Besatzung auf Englisch. Das gesamte Küchenteam besteht aus 320 Mitarbeitenden, unter ihnen sind 93 Köche in unterschiedlichen Positionen. Becker sagt: "Wenn man sich jeden Tag bei der Arbeit und in der Freizeit sieht, bilden sich sehr schnell Freundschaften. Aber: Wir sitzen auch alle in einem Boot."
Für den 50-Jährigen ist klar: "Damit alle Vorgänge schnell und reibungslos ablaufen können, müssen wir als Team gut zusammenarbeiten. Trotz der großen Vielfalt an Nationalitäten, gibt es nahezu keine Konflikte, das ist die Besonderheit." Dass der Humor bei allem Stress nicht zu kurz kommt, ist ebenfalls bemerkenswert. So sei es für die asiatischen Mitarbeiter kaum möglich gewesen "Hans-Jörg" auszusprechen, und da die meisten wesentlich jünger sind, nennen sie ihn einfach "Onkel Hans".
Hans-Jörg Becker ist in Schweinfurt geboren und in Wiesenbronn aufgewachsen. Zusammen mit seiner Schwester Barbara war er viel mit der evangelischen Landjugend auf Freizeiten, Zeltlagern und Studienfahrten unterwegs. So hat er in jungen Jahren schon einiges von der Welt gesehen. Am Steigerwald-Landschulheim Wiesentheid machte er sein Abitur, danach Zivildienst, schließlich studierte er in Freiburg Musik und war als Gitarrist mit der Cover-Band Paradize sehr erfolgreich auf Tour. "Ich bin nicht jünger geworden, mein Publikum aber schon. Ich wurde müde und konnte mich nicht mehr motivieren", sagt er im Rückblick.
Mit 40 Jahren entschloss er sich, im Fünf-Sterne-Hotel Prinz von Hessen in Friedewald eine Kochlehre zu absolvieren. Gerne erinnert er sich an die heiteren Stunden in der Berufsschule mit den anderen, nur halb so alten Azubis. Weitere acht Jahre blieb er danach in diesem Hotel und lernte viel. Während eines Urlaubs auf der Aidaprima war er zum Essen im Gourmetrestaurant Rossini. Das war sein "Aha-Erlebnis". Er hatte Aida-Feuer gefangen. Sein Sohn und seine Tochter waren inzwischen groß, und Becker wusste sofort: "Das ist genau mein Ding." Und: "Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Er schrieb eine Blindbewerbung, und nur zwei Monate später ging es los mit seinem großen Abenteuer. Im Mai 2022 stieg er als "Chef de Partie" ausgerechnet auf sein Traumschiff, die Aidanova, auf. Er hatte deren Bau bis zur Fertigstellung im Internet komplett mitverfolgt und wusste theoretisch alles. Und als ob das nicht genug der Freude gewesen wäre, wurde er genau im Rossini eingesetzt. "Mein Glück war perfekt!"
Im Brauhaus gibt es Grillhaxen, Wurstsalat und sogar Weißwürste
Durch seinen Chef Christian Wachinger wurde Becker immer wieder ins kalte Wasser geworfen. Ständig bekam er neue Aufgaben gestellt und damit größere Verantwortung. So lernte er auf dem Schiff auch die anderen Küchen kennen. "Ich konnte mich beweisen, ausprobieren und Erfahrungen sammeln und wurde schon während des ersten Vertrages befördert", sagt er und strahlt.
Heute fühlt er sich wohl in "seinem" Brauhaus, wo es bayerische Spezialitäten wie Grillhaxen, Wurstsalat, Obatzten und selbstverständlich Weißwürste mit süßem Senf und Brezn gibt. Er bietet aber auch Kochkurse für seine Gäste an und ist mit seinem neunköpfigen Team noch für den Barbeque-Grill verantwortlich. Langeweile gibt es dabei garantiert nicht.

"Arbeiten und gleichzeitig reisen, es ist ein Traumjob", schwärmt Hans-Jörg Becker mit Blick aufs Meer. "Ins weite Nichts zu schauen, das ist extrem entspannend. Da kann ich ganz schnell komplett runterfahren." Ihm ist es egal, wohin die Route führt, es ist überall einzigartig. Ob es die norwegischen Fjorde sind oder die Inseln der Kanaren – Hauptsache Aida und Hauptsache im Heimaturlaub zurück nach Hause.
"Meine Heimat", sagt der Globetrotter, "ist Wiesenbronn. Das ist mein Heimathafen, hierher komme ich immer gerne wieder zurück." Und: Mit seiner Familie und langjährigen Freunden zusammen zu sitzen, ein Glas Silvaner zu trinken, das ist immer wieder ein Höhepunkt, "meine extreme Komfortzone". Wenn es auch fast alles in seinen Küchen gibt, ein fränkisches Schäufele bekommt er nur zu Hause.
Was fehlt, sind Politiker, die den Leuten die Wahrheit sagen und klarmachen, wo die Reise hingeht. Aber dann würden diese Leute ja nicht mehr gewählt... also lügen sich viele Menschen lieber in die eigene Tasche.
Der Mann übt einen normalen Beruf aus und hier wird die ganze Sache in den Dreck gezogen, wundert mich gar nicht warum es immer mehr Menschen ins Ausland zieht oder in diesem Fall auf ein Schiff.
All diese großen Schiffe fahren unter Flaggen irgendwelcher Billigländer, 300 Stunden arbeiten im Monat ist dann auch keine Seltenheit weil dann natürlich kein deutsches Arbeitsrecht noch deutscher Mindestlohn gilt. Viele Leute arbeiten dort real für 4-6 Euro brutto/Stunde, und kommen nur durch die extrem hohe Arbeitszeit auf halbwegs anständig aussehende Löhne.
Wer also Bock darauf hat, sich zu Billiglöhnen gnadenlos ausbeuten zu lassen, ist auf einem Kreuzfahrtschiff genau richtig.