Wochen, nachdem nach einem Handball-Derby Flugzettel mit sexistischen, frauenfeindlichen und diffamierenden Texten in Michelfeld und Marktsteft aufgetaucht sind, hat die Staatsanwaltschaft nun juristisch bewertet. Auch das Sportgericht des Bayerischen Handballverbands (BHV) hat zu einem Urteil gefunden.
Im April hatte eine Frau aus Michelfeld diese Redaktion darüber informiert, dass im Nachklang des Handballspiels des Bezirksoberligisten SV Michelfeld gegen den TSV Marktsteft am 9. Februar doppelseitig bedruckte Liedzettel aufgetaucht sind, deren Inhalt nicht nur unsäglich, sondern womöglich strafbar waren. Die Polizei wurde aktiv und schaltete die Staatsanwaltschaft in Würzburg ein. Auch der BHV in München reagierte prompt. Dessen Präsident Georg Clark sprach damals von einem im Handballsport nicht dagewesenen Vorgang und sprach sich für ein rigoros Vorgehen gegen mögliche Verantwortliche aus.
Vom Liedzettel existierten zwei Varianten
Zweieinhalb Monate später steht fest: Der Vorfall entpuppte sich als "bei Weitem nicht so gravierend", wie er sich anfangs darstellte. Zu dieser Einschätzung gelangt Clarke vor allem deshalb, weil Recherchen des BHV ergeben haben, dass zwei Varianten des Liedzettels im Umlauf waren. Eine Variante mit nicht ganz so beschämenden Inhalt lag als Stapel an der Kasse der Sporthalle aus. Wer die Zettel dort – laut Clarke illegalerweise – deponiert hat, ließ sich nicht feststellen.
Das Sportgericht des BHV stellte dennoch fest: Der SV Michelfeld hat damit als Gastgeber der Handball-Partie seine Aufsichtspflicht verletzt, auch wenn Vereinsmitglieder die Zettel allen Informationen nach nicht verteilt haben. Deshalb verurteilte das Sportgericht den SV Michelfeld zu einer Geldstrafe im "niedrigen dreistelligen Bereich", wie Clarke gegenüber dieser Redaktion berichtet.
Die Liedzettel mit einer zweiten, noch geschmackloseren Variante der Liedtexte landeten in Briefkästen von Einwohnern von Marktsteft. Einen dieser Zettel hatte die Einwohnerin von Michelfeld erhalten, die den Vorfall publik gemacht hat; diese Variante erreichte auch Polizei und BHV. Da diese Liedzettel außerhalb des Verantwortungsbereichs des SV Michelfelds kursierten, hatte das Sportgericht diese auch nicht zu beurteilen.
Staatsanwaltschaft: Täter nicht zu ermitteln
Anders die Staatsanwaltschaft. Diese erkannte in dem Fall jedoch kein strafrechtlich relevantes Verhalten. "Nicht jede Geschmacklosigkeit ist mit Strafe bedroht", heißt es in einer Antwort von Thorsten Seebach, eines Pressesprechers der Staatsanwaltschaft, auf Anfrage dieser Redaktion. Und weiter: "Insbesondere ist eine Kollektivbeleidigung bei nicht hinreichend überschaubarem Personenkreis nicht strafbar." Damit bleibt die Sache juristisch betrachtet ohne Folgen, zumal die Polizei niemanden ermitteln konnte, der die obszönen Zettel verteilt hat.
Der SV Michelfeld akzeptiert nach Auskunft von Vorstandsmitglied Matthias Popp das Sportgerichtsurteil – zähneknirschend, möchte man hinzufügen. Vom BHV ist er "enttäuscht", wie er sagt. Denn so ganz versteht man im Verein nicht, warum dieser für Taten zahlen muss, die dort von Anfang an verurteilt wurden und für die auch kein Verantwortlicher auszumachen ist. Zumal wusste laut Popp im Verein zunächst niemand von der zweiten, verschärften Variante der Liedzettel. Nach dem Spiel seien aus der Sporthalle nur drei der vergleichsweise harmlosen Liedzettel beim Verein verblieben, Texte, die Popp als "normale Fangesänge" bezeichnet.
SV Michelfeld möchte Fans sensibilisieren
Obwohl er überzeugt ist, dass der SV Michelfeld "gute Fans" hat und keiner von diesen die Zettel verteilt hat, kündigt das Vorstandsmitglied an: Der Verein wird noch vor Beginn der neuen Saison auf seine Anhänger zugehen und sie für das Thema sensibilisieren – und eindringlich zur Vorsicht mahnen.