Er ist mit Abstand der größte Verein im Landkreis: Fast 1700 Mitglieder hat die TG Kitzingen (TGK) in neun Abteilungen. Die Turngemeinde steht sportlich und finanziell gut da, dennoch war eine Vorstandsfindungskommission notwendig, um eine neue Vorsitzende zu gewinnen. Mit Ivonne Schmidt-Sauerbrei leitet erstmals eine Frau die TGK, deren wichtigste Mitarbeiterin ist die hauptamtliche Geschäftsführerin Chris Wiegand. Ein Gespräch über das Überleben von Vereinen, die Sichtbarkeit von Frauen, den Wahnsinn der Bürokratie – und Ideen für die Zukunft der TG Kitzingen.
Frage: Neue Vorsitzende des größten Vereins im Landkreis: Wie kommt man zu dem Job?
Ivonne Schmidt-Sauerbrei: Bei der TGK gibt es relativ wenige, die sich für solche Positionen interessieren. Es gab eine Vorstandsfindungskommission, die mich angesprochen hat.
Chris Wiegand: Bei uns sind die Leute meist in den Abteilungen engagiert, das Übergeordnete interessiert weniger. Zudem schreckt die wahnsinnige Bürokratie viele ab. Für den neuen Vorsitz sind wir die Mitglieder-Liste durchgegangen und haben über 40 Leute angeschrieben.
Und Sie haben gleich hier geschrien?
Schmidt-Sauerbrei: (lacht) Ich bin klar denkend und vollbeschäftigt, darum musste ich über den Anruf einer Freundin aus der Findungskommission natürlich erstmal nachdenken. Und das vor allem mit meinem Mann absprechen. Aber er kennt das Ehrenamt. Er ist Elternbeiratsvorsitzender am Kitzinger Armin-Knab-Gymnasium.
Dann können Sie sich ja gut austauschen, oder?
Schmidt-Sauerbrei: Ich bin der Meinung, dass man bei der TGK mehr gehört wird. Ich habe darum entschieden: Wenn ich das mache, dann nur als erste Vorsitzende. Es ist einfach wichtig, sich zu engagieren, sonst ist der Verein nicht überlebensfähig. Und meine Tochter ist 13, das kriege ich schon organisiert. Ohne hauptamtlichen Geschäftsführer wäre das bei einer Größe von 1700 Mitgliedern aber nicht möglich. Die Hauptarbeit liegt eindeutig bei Chris und den jeweiligen Abteilungen.
Welche Aufgaben hat die Geschäftsführerin?
Wiegand: Ich mache die An- und Abmeldungen, den Beitragseinzug, Anträge für Zuschüsse und zum Beispiel für die Kreissportlerehrung, vermiete unsere eigenen Hallen, kümmere mich um die Löhne der angestellten Mitarbeiter und spreche die Sporthallen-Belegung mit der Stadt ab.
Schmidt-Sauerbrei: Das ist ein richtiges Unternehmen.
Und was bleibt dann noch für die Vorsitzende übrig?
Schmidt-Sauerbrei: Sie ist die Kanzlerin, ich die Präsidentin. Aber entscheidend ist das ganze Vorstandsteam. Ich stehe halt vornedran und und nehme jetzt erstmal so viele Termine wahr wie möglich, um alle kennenzulernen. Der Vorstand ist vor allem da, um Entscheidungen zu treffen. Die Geschäftsführerin führt sie aus.
Welche Voraussetzungen sollte man dafür mitbringen?
Wiegand: Wir haben beide in Würzburg studiert, Betriebswirtschaft und Steuerrecht. Mit dem beruflichen Hintergrund geht das einem natürlich leichter von der Hand. Wenn man Zahlen nicht mag, wird's unangenehm. Und man muss gut selbstständig arbeiten können.
Schmidt-Sauerbrei: Ebenso wie Entscheidungen treffen zu können und sich in Neues einzuarbeiten. Dabei hilft, dass ich gut vernetzt bin.
Führen Frauen anders?
Schmidt-Sauerbrei: Ja natürlich. Aber eine erfolgsversprechende Strategie ist, wenn Frauen und Männer zusammenarbeiten.
Wiegand: Gut ist die Mischung.
Schmidt-Sauerbrei: Genau, so hat man verschiedene Perspektiven.
Was sehen Sie als wichtigste Aufgabe für die Zukunft?
Schmidt-Sauerbrei: Als besonders wichtig sehe ich, die Jugend heranzuführen an die Verantwortung im Hauptverein. Nicht nur geschlechter-, sondern auch generationenübergreifend zusammenzuarbeiten ist wichtig.
Wiegand: Es ist schade, dass viele verloren gehen zwischen Ausbildung/Studium und Beruf. Das macht es so schwierig, jemanden von unten bis ganz nach oben durchzuziehen.
Trainer für die Jugend haben Sie genug bei der TGK?
Wiegand: Wir haben keine massiven Engpässe, aber wir könnten immer noch jemanden gebrauchen. Früher hieß es: einmal TGK, immer TGK. Heute gibt es eine viel höhere Fluktuation. Das macht es schwieriger, die Jugendlichen bei der Stange zu halten.
Wo gibt's sonst noch Verbesserungsbedarf?
Schmidt-Sauerbrei: Den Sport- und Spielenachmittag brauchen wir dringend wieder, aber aktuell gibt es keine geeignete Halle. Der ist für uns extrem wichtig: Er war abteilungsübergreifend und sprach Familien an, die keine Berührungspunkte mit der TGK hatten. Gerade diesen Kindern hat er großen Spaß gemacht.
Wiegand: Das ist die 199-Leute Problematik. Veranstaltungen mit mehr Besuchern sind in der Florian-Geyer-Halle nicht mehr erlaubt.
Was wird also aus dem beliebten Nachmittag?
Schmidt-Sauerbrei: Mein Wunsch an die Stadt wäre ganz konkret, dass man da miteinander spricht, was machbar ist und wie es weitergeht.
Wiegand: Momentan tappen wir da im Dunkeln. Es wäre toll, da auch zusammenzuarbeiten und Unterstützung zu kriegen.