Die Turngemeinde Kitzingen (TGK) ist noch immer wie vor den Kopf geschlagen: 23 Mal hat sie ihren Sport- und Spielnachmittag in der Florian-Geyer-Halle ausgetragen. Rund 200 Kinder und ihre Verwandten füllten die Sporthalle immer am Faschingssonntag. Doch damit ist seit 2018 Schluss. Vergangenes Jahr feierte die Kitzinger Karnevalsgesellschaft (KiKaG) ihr 66-jähriges Bestehen und bekam Vorrang. Zu diesem närrischen Jubiläum durfte sie die Halle am Faschingswochenende für ihre Prunksitzung mit der Schlappmaulorden-Verleihung in Beschlag nehmen. Rund 600 Besucher kamen am vergangenen Rosenmontag. In den Jahren zuvor hatte die KiKaG ihre Sitzung im Dekanatszentrum gehalten, wegen der Saalgröße verteilt auf zwei Abende.
Heuer darf die KiKaG noch einmal in die Flo-Halle, wenn der stellvertretende bayerische Ministerpräsident im Beisein weiterer Polit-Prominenz den Schlappmaulorden bekommt. Ihren Kinderfasching musste sie schon verlegen – an alte Stätte ins Dekanatszentrum. Und die TGK? Kurz vor Weihnachten flatterte ihr ein Brief der Stadt ins Haus, der die Nutzung der Halle für den Sport- und Spielenachmittag ein für allemal untersagt. Inzwischen müssen alle Veranstaltungen mit mehr als 199 Besuchern auf andere Hallen ausweichen.
Warum ändert die Stadt ihr Verhalten?
Das Warum erklärt Oberbürgermeister Siegfried Müller im Gespräch mit der Redaktion. Dazu blickt er weit zurück: Als die Flo-Halle Mitte der 1990er Jahre saniert werden sollte, habe der Stadtrat vor der Entscheidung gestanden, die Sporthalle zu einer Mehrzweckhalle umbauen zu lassen. Die Mehrkosten hätten damals 500 000 D-Mark betragen – aus heutiger Sicht ein Schnäppchen. Doch der Rat lehnte ab.
Früher, erinnert sich Müller, hätten gesellschaftliche Veranstaltungen wie der Köche-Ball oder Firmen-Jubiläen problemlos in der Sporthalle stattfinden können. Mit den Jahren hätten sich aber Brandschutz- und andere Vorschriften verschärft, nicht zuletzt nach den tragischen Vorkommnissen der Loveparade in Duisburg, bei der es bei einer Massenpanik 21 Tote gab.
Daher legte der Stadtrat im Oktober 2018 fest: Die Flo-Halle bleibt Sporthalle und steht nur noch für maximal 199 Gäste offen. Einen Ausbau zur Mehrzweckhalle lehnte das Gremium wieder ab. Die Kosten hätten nun zwischen zwei und drei Millionen Euro betragen. Ein Grund: Der Staat bezuschusst nicht den Bau von Veranstaltungshallen – im Gegensatz zu Sporthallen –, erklärt Müller. Somit wäre die Stadt allein auf den Kosten sitzen geblieben.
Stadt hat keine Alternative zu bieten
Allerdings hat die Stadt auch keine Alternative: Die CSU hatte im Herbst noch vorgeschlagen, sich mit einem privaten Hallenbesitzer zusammen zu tun. Der Unternehmer hätte die Halle stellen und die Stadt sich mit einer festen jährlichen Summe einmieten können. Damit hätte sie das Recht gehabt, ungefähr zehn Veranstaltungen im Jahr durchführen zu dürfen. Doch auch diese Variante fand keine Mehrheit im Stadtrat.
So hat die TGK keine Alternative für ihren Sport- und Spielenachmittag. Vorsitzender Stephan Christmann hat mit seinen Vorstandskollegen die Alternativen gewälzt. Die vereinseigene Ballspielhalle in der Kaltensondheimer Straße ist abgelegen, hat nur wenige Parkplätze und nicht ausreichend Toiletten. Außerdem sieht die TGK auch dort den Brandschutz und die Rettungswege problematisch, sollten Hunderte von Besuchern kommen.
Für die KiKaG gibt es heuer eine Entscheidung mit zwei Seiten: OB Müller hat persönlich die Verantwortung für die Zusage der Schlappmaulorden-Sitzung in der Florian-Geyer-Halle mit bis zu 600 Besuchern übernommen. Die Planung dafür läuft schon seit Monaten; dem wollte er Rechnung tragen. Allerdings ist die Genehmigung mit vielen Auflagen verbunden. So muss die KiKaG einen professionellen Sicherheitsdienst, Feuerwehrleute und BRK-Helfer einsetzen und die vorhandenen Rettungswege großzügig bemessen und frei halten.
Kinderfasching musste ausweichen
Dem KiKaG-Kinderfasching dagegen verweigerte die Stadt ihre Halle. Während Müller glaubt, für die Prunksitzung der Erwachsenen die Hand ins Feuer legen zu können, traut er sich das bei einer Kinderveranstaltung nicht. Die Kinder seien im Fall einer Panik "nicht mehr kontrollierbar", sagt er.
Deshalb war die KiKaG damit ins Dekanatszentrum ausgewichen. Somit musste sie zwei Hallen mieten, zwei Mal schmücken, in zwei Sälen auf- und abbauen. Und zugleich wissen die Kitzinger Narren, dass sie heuer zum zweiten und letzten Mal mit ihrer Prunksitzung in die Florian-Geyer-Halle dürfen. Präsident Rainer Müller bedauert das: "Als Verein bekommt man viele Steine in den Weg gelegt." Dabei seien oft die Vereine die Träger von Kultur-, Sport- oder geselligen Veranstaltungen. Davon profitiere wiederum das Ansehen der Stadt. Aber Auftritte hochwertiger Künstler bräuchten eine gewisse Besucherzahl, sonst ließen sie sich nicht finanzieren. Rund 20 000 Euro Kosten verursache allein die Schlappmaulorden-Prunksitzung.
Bleibt die Frage: Was nun? Die KiKaG will gleich nach der Rosenmontagssitzung beginnen, Alternativen zu prüfen, sagt Müller. Sein Ziel: "Ich möchte versuchen, dass wir in der Stadt bleiben können." Die Karnevalisten wollen nun ermitteln: Stehen private Hallen zur Verfügung? Wie viele Besucher wären dort erlaubt? Was würde das kosten? Eine weitere Alternative könnte sich mit der neuen Fastnachtakademie eröffnen: Die KiKaG hat dort kürzlich ihre 1. Weinselige Narrensitzung veranstaltet. Der Vorteil: Die Akademie hat eine große Bühne, modernste Licht- und Tontechnik und bietet auch sonst alles, was man für eine Prunksitzung braucht. Außerdem wäre die Verbindung zwischen Fastnachtakademie und KiKaG ideal. Der Nachteil: Bei etwa 250 Besuchern wäre wohl auch in der neuen Stätte des Frohsinns Schluss.
KiKaG sucht nach neuer Halle
Dem KiKaG-Präsidenten ist bewusst, dass dann nicht alle Interessenten an einer Schlappmaul-Prunksitzung zum Zuge kommen würden. Und auch der Preis von rund 40 Euro pro Karte ließe sich damit nicht senken.
Während die KiKaG also immerhin über Alternativen entscheiden kann, sieht die TGK für ihren beliebten Sport- und Spielenachmittag derzeit keine Möglichkeit. Die Hallen der Stadt kommen dafür wohl nicht mehr in Frage und eine private anzumieten, wäre für die TGK nicht leistbar, sagt der Vorsitzende. Im Gegensatz zur KiKaG kann und will die TGK keine hohen Eintrittspreise für die Familienveranstaltung nehmen.
Fazit: In der Großen Kreisstadt finden künftig nur noch kleine Veranstaltungen statt. Es sei denn, Stadtrat und Stadtverwaltung wollen ihren Firmen, Vereinen und Verbänden zumindest in der Zukunft noch eine Alternative ermöglichen.
Lesen Sie dazu einen Kommentar unseres Autors.