Wenige Wochen vor seinem 21. Geburtstag, fährt ein junger Mann nach getaner Arbeit von Marktbreit in Richtung Kitzingen. Es ist bereits 20.30 Uhr – im März vergangenen Jahres –, als er sich in der Dunkelheit den Rücklichtern zweier hintereinander fahrender Autos immer weiter nähert. Um die 60 Stundenkilometer müssen die Wagen auf dem Tacho haben. Zu langsam jedenfalls aus der Sicht des damals 20-Jährigen. Er will endlich nach Hause. Also setzt er zu einem riskanten Überholmanöver an.
Wie der Vorfall im Detail abgelaufen sein muss, ist auch durch die Zeugenaussagen am Jugendschöffengericht in Kitzingen nicht genau zu klären – hier muss sich der Mann dem Verdacht der Nötigung verantworten. Fakt ist aber, so stellt es das Gericht fest, dass der Beschuldigte nach seinem Überholvorgang auf Höhe der Kläranlage nur knapp zwischen den beiden anderen Autos wieder einschert. Sein Hintermann muss daraufhin schwer in die Eisen gehen. Für den Mann, der an diesem Prozesstag ebenfalls als Zeuge aussagt, ist klar: Der junge Mann muss ihn absichtlich ausgebremst haben.
Der wiederum beteuert, dass er niemanden habe nötigen, geschweige denn ausbremsen wollen. Nach dem Einscheren habe er lediglich deshalb abgebremst, weil er vom Fernlicht seines Hintermanns durch den Rückspiegel geblendet gewesen sei – und deshalb nichts mehr gesehen habe.
Staatsanwalt präsentiert seine eigene Geschichte: Beschuldigter stimmt zu
Der Staatsanwalt nimmt dem Beschuldigten seine Aussage nicht ab und erläutert ein für ihn plausibles Szenario: Nach dem Motto "Was fährt der Depp denn so langsam?" könnte sich im Angeklagten Wut aufgestaut haben. Um dem Fahrer einen Denkzettel zu verpassen, könnte er vor ihm eingeschert sein und ihn durch gezieltes Abbremsen provoziert haben. "Ja. Es war genauso, wie sie es gesagt haben", gibt der junge Mann zu.
Wie nun mit dem Angeklagten verfahren? Das Problem: Aufgrund einer Körperverletzung aus der Vergangenheit ist er bereits rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt, die auf Bewährung ausgesetzt ist. Bei einer Verurteilung droht womöglich Gefängnis.
Das Gericht um Vorsitzenden Wolfgang Hülle entscheidet sich, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 850 Euro einzustellen. "Ungewöhnlich", wie er selbst sagt. Seine Entscheidung begründet er damit, dass sich der junge Mann zum einen ansonsten an seine Bewährungsauflagen halte. Zum anderen stehe das Verkehrsdelikt nicht in Zusammenhang mit der vorangegangenen Verurteilung wegen Körperverletzung.