Die Anwohner der Etwashäuser Richthofenstraße sind verunsichert und sauer: Direkt vor ihrer Nase sollen rund 200 Wohnungen in mehreren Geschossen gebaut werden, nachdem ein dort geplantes Einkaufszentrum offensichtlich nicht mehr verwirklicht wird. Die massive Bebauung, egal in welcher Form, lässt die Nachbarn heftig über die Folgen spekulieren: mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr versiegelte Flächen, mehr Abwasser in den angeblich jetzt schon zu engen Kanälen.
Über die Jahre hatten sich die Bewohner in der Richthofenstraße mit dem stillgelegten Bahnhof in ihrer Nachbarschaft arrangiert. Die grüne Zone trennt sie von der Nordtangente. Ruhig war es dort trotzdem nicht. Immer wieder hätten Speditionen, die Post oder andere Firmen die Straße entlang des Bahnhofs genutzt, um Laster abzustellen oder umzuladen, teils mitten in der Nacht.
Lange habe es jedes Mal gedauert, bis der Protest gefruchtet habe. Selten habe eine Behörde auf Anhieb für Ruhe gesorgt; meist sei man von einem zum andern geschickt worden, so berichten sie. 20 von ihnen kamen diese Woche vor dem alten Bahnhof zusammen, um der Redaktion von ihren Sorgen zu erzählen. Sie suchen einen Ansprechpartner, nachdem sie sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen fühlen.
OB hatte schon 2020 ein Gespräch zugesagt
Tatsächlich hatte Oberbürgermeister Stefan Güntner bei der Vorstellung erster Konzepte in der Stadtratssitzung vom Oktober 2020 und anschließend in einem Brief an die Bürger versprochen, er werde sie beteiligen, auch wenn in Corona-Zeiten eine klassische Bürgerversammlung schwierig werde. Heute, ein dreiviertel Jahr später, haben die Anwohner immer noch keine Informations- und Diskussionsmöglichkeit von ihm erhalten, sagen sie.
"Wir werden überhaupt nicht in die Planung einbezogen", klagt eine Bewohnerin aus den nahen Reihenhäusern. "Es gibt einfach null Information." Und auch von den Etwashäuser Stadträten fühlen sie sich im Stich gelassen. Die hätten das Einkaufszentrum voreilig befürwortet, ohne die Folgen zu bedenken.
Einer der Sprecher, Matthias Conrad, der nebenan wohnt und einen Partyservice betreibt, hat die Argumente seiner Mitstreiter gesammelt. So fürchten die Bahnhofsnachbarn, dass eine künftige Bebauung den vorhandenen Kanal noch mehr überlasten könnte. Schon bei den Regenfällen der vergangenen Tage sei immer wieder Wasser auf ihren Grundstücken stehen geblieben. Sie liegen im Vergleich zum Bahnhof etwa eine Geschossebene tiefer. "Am vergangenen Sonntag hat es bei mir 30 Liter auf den Quadratmeter geregnet", erzählt Conrad. "Alles stand unter Wasser." Mehrere Nachbarn hätten voll gelaufene Keller gehabt.
Nun aber soll nicht nur Großlangheim an die Kitzinger Kläranlage angeschlossen werden, sondern auch das geplante Wohnareal. Für viele Nachbarn ist fraglich, ob die Kanäle das alles verkraften. Sie haben zudem die Sorge, dass eine Versiegelung des Bahnhofsareals dazu führen könnte, dass künftig Regenwasser von der höher gelegenen Fläche in ihre darunter liegenden Gärten und Keller laufen könnte.
Investor Rosentritt will mit Anwohnern reden
Schon als Immobilienunternehmer Wolfgang Rosentritt (Würzburg) ankündigte, auf dem alten Bahnhofsgelände ein Einkaufszentrum mit mehreren Märkten bauen zu wollen, verstanden die Anwohner die Welt nicht mehr: "Wo sind wir denn unterversorgt?", fragt stellvertretend eine Etwashäuserin. Kaufland, E-Center, Netto und Norma seien gut erreichbar. Und zu Fuß, wie es im Stadtrat diskutiert worden war, gehe sowieso kaum jemand zum Einkaufen. Dahingegen seien die Bewohner der Kitzinger Altstadt tatsächlich unterversorgt, findet sie.
Inzwischen, so haben die Anwohner erfahren, will Rosentritt aber Wohnungen bauen. Auch dagegen wehren sich die Etwashäuser. Denn nun fürchten sie, dass ein Großteil der neuen Nachbarn durch ihre Straße und weiter durch Etwashausen fahren würde. Die engen Straßen seien jetzt schon oft überbelastet. Und schließlich werde das Klein-Klima durch den Neubau beeinflusst. Die Nachbarn erwarten, dass es dann in ihrer Kessellage noch heißer werden könnte. Ihre Gemüter sind jedenfalls jetzt schon erhitzt.
Oberbürgermeister Stefan Güntner bestätigt auf Nachfrage der Redaktion: "Coronabedingt war eine Bürgerinformation nicht machbar." Zugleich glaubt er, dass die Chance für eine Informationsveranstaltung nun steigt, weil die Corona-Fallzahlen sinken. Allerdings will der OB noch abwarten, bis er mehr über die neuen Pläne Rosentritts wisse. Güntner kenne noch kein Konzept und folglich könne er den Bürgern zum jetzigen Stand noch nicht viel darüber sagen, erklärt er. Die angesprochenen Fragen und Sorgen der Anwohner würden dann im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens behandelt.
Der OB sagt zu, die Anwohner vor einer Entscheidung im Stadtrat aufklären zu wollen. Seiner Ansicht nach werde diese Entscheidung nicht mehr vor den Sommerferien fallen. Ein Beschluss vor der Sommerpause wäre dagegen dem Immobilienunternehmer Wolfgang Rosentritt recht. Er will sein Vorhaben möglichst bald angehen.
Aber er sagt zu, die Anwohner in der übernächsten Woche vor Ort treffen und seine Pläne für die Wohnbebauung vorstellen und diskutieren zu wollen. Rosentritt bestätigt, dass er von einer gewerblichen Einzelhandelsnutzung zurücktritt. Die Anbindung des Areals mittels Kreisverkehr an die Nordtangente sei zu kompliziert und zu teuer.