
Die A3 bei Rüdenhausen (Lkr. Kitzingen) war am Montagmorgen für mehrere Stunden blockiert. Ein riesiger Sattelschlepper lag quer zur Fahrbahn auf einem Fahrspurteiler aus Beton: "Das sah für einige schon spektakulär aus", sagt Dominik Fertig, stellvertretender Dienststellenleiter der Verkehrspolizeiinspektion Würzburg-Biebelried über den Unfall.
Weniger spektakulär war dagegen das Verhalten der Fahrer auf der Gegenfahrbahn. Viele zückten ihr Handy und filmten den Unfall. In vier Stunden verwarnten Polizisten 80 Autofahrer. Mit 100 Euro Bußgeld müssen die Schaulustigen nun mindestens rechnen. Das kostet es, wenn das Handy während des Fahrens benutzt wird. Ist es eindeutig, dass ein Unfall gefilmt wird, sind 200 Euro fällig. Wird ein Unfall mit einem Toten aufgenommen, drohen bis zu zwei Jahre Haft.

Im Jahr 2020 zählte die Autobahnpolizei Würzburg-Biebelried allein in ihrem Bereich 1498 Handy-Verstöße. "Das sind im Durchschnitt circa vier am Tag", rechnet Fertig vor. Die Verwarnungen vom Montag sind also ein deutlicher Ausreißer.
Die Beamten hatten Zeit, den Gaffern nachzugehen
Am Montag bemerkten die Beamten vor Ort schnell, dass auf der Gegenfahrbahn oft das Handy hochgehalten wird. "Man braucht allerdings die Manpower, um solche Verstöße zu verfolgen. In dem Fall war es ein Vorteil, dass der Fahrer unverletzt blieb, die Unfallaufnahme einfach und nur die Bergung schwierig war", erklärt Fertig. "Deswegen waren Kräfte frei, die bei einem komplexeren Unfall gebunden sind."
Zusätzlich schickte die Dienstelle aber weitere Beamte. "Wir wollten dieser Geschichte begegnen", sagt Fertig entschlossen. Er bedauere, dass das leider nicht immer möglich ist. In 60 Fällen konnten die Beamten in diesem Fall einwandfrei feststellen, dass die Unfallstelle gefilmt wurde. Bei den anderen 20 Fällen war nur sicher, dass der Fahrer das Handy in der Hand hatte.
Etwa die Hälfte der Gaffer, die von der Polizei angehalten wurde, zeigte sich einsichtig. Der gemeinsame Tenor der Verwarnten: "Wenn ich darüber nachdenke, war das nicht das perfekte Verhalten."
Dominik Fertig kann durchaus verstehen, dass ein Unfall beobachtet wird. Doch dass er dann gefilmt wird? "Man sollte sich immer fragen: Will ich gefilmt werden, wenn ich verletzt oder gar sterbend am Boden liege?" Er zwinge sich, wenn er privat an einem Unfall vorbeifährt, nicht hinzuschauen, sagt Fertig. Und er bittet: Nicht langsamer werden und zügig an der Unfallstelle vorbeifahren, sonst bilde sich ein Stau und die Unfallgefahr steige.
Jeder Gaffer-Film im Netz kann angezeigt werden
Überrascht waren etliche Schaulustige wohl auch darüber, dass sie angehalten wurden. "Viele gehen einfach davon aus, dass sie nicht erwischt werden", sagt Fertig. Er kann - wie auch seine Kollegen -nicht objektiv bestätigen, dass von Jahr zu Jahr mehr Unfälle fotografiert oder gefilmt werden. Gaffer habe es schon immer gegeben. Sicher sind sich die Beamten aber, dass sich das Phänomen durch Smartphones und Soziale Medien verändert hat. Fertig weist darauf hin, dass jeder Unfall-Film im Netz, der offensichtlich durch einen Gaffer online gestellt wurde, bei der Polizei angezeigt werden kann. Meistens werden die Filme aber in privaten Gruppen gezeigt.
Außerdem bedauert der Polizeioberkommissar, dass durch Corona aktuell keine Veranstaltungen zur Prävention möglich sind. Die würden nämlich durchaus etwas bewirken. Das zeige das Thema Rettungsgasse. "Fehlende Rettungsgassen sind zwar immer noch ein Problem, aber es wird besser." Auch hier gelte: Sind Einsatzkräfte frei, werden Verstöße geahndet.
Mindestens vierstellig und das Telefon einziehen.