
Die Investition der bayerischen Justiz in eine Sondereinheit zu Ermittlungen im Gesundheitswesen zahlt sich offenbar aus. Binnen zwei Jahren enttarnte die neu gegründete Einheit einige schwarze Schafe, die Gelder auf Kosten der Kassen und der Versicherten veruntreuten. Zu den spektakulären Fällen zählt jetzt auch ein ambulanter Pflegedienst aus Kitzingen, der wie berichtet viel Geld für wenig Fürsorge abgezweigt haben soll.
Die Ermittler der Zentralstelle, angesiedelt bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, waren bei ihrer Razzia in diesem September in Kitzingen auf fünf Pflegebedürftige in so schlechtem Gesundheitszustand getroffen, dass für sie eilig eine neue Pflegeeinrichtung gefunden werden musste.
Nürnberger Oberstaatsanwalt: Betrug und Pflegemängel gehen Hand in Hand
"Betrug und Pflegemängel gehen Hand in Hand", machte Oberstaatsanwalt Richard Findl, Leiter der Zentralstelle, jetzt an dem Kitzinger Beispiel deutlich. Denn die Razzia seiner Ermittler galt eigentlich der dubiosen Finanzierung des Pflegedienstes. Nach drei Festnahmen aber wurde klar: Die Inhaber hatten "keine fachlich ausreichend qualifizierte Leitung" und auch keine Angestellten, die dafür ausgebildet waren, sagt Findl. Die Konsequenz nach dem Sozialgesetzbuch: Alles, was der Pflegedienst kassiert hatte, durfte gar nicht abgerechnet werden.
Nach Ermittlungen in Kitzingen: Schaden doppelt so hoch wie zunächst erwartet
Die Ermittler seien zunächst von 2,5 Millionen Euro ausgegangen, die in Kitzingen illegal kassiert worden waren, sagt der Oberstaatsanwalt. Inzwischen ist der festgestellte Schaden laut Findl fast doppelt so hoch: rund 4,5 Millionen Euro. Geld, das er zumindest teilweise zurückholen wolle.
Bei einer Vermögensabschöpfung habe man bei den drei Männern, die seit der Razzia in Untersuchungshaft sind, 1,6 Millionen Euro in Vermögenswerten sichergestellt. Dazu kommen Sicherungshypotheken in sieben Grundstücke und vier beschlagnahmte Autos. Was die unzureichende Pflege und schlechte Versorgung der betroffenen Senioren betrifft, ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Würzburg wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Die "Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen" (ZKG) hat seit ihrer Gründung vor zwei Jahren 568 Verfahren in Bayern eingeleitet, auch mit Hilfe eines Meldesystems, bei dem Tippgeber anonym bleiben. Binnen der vergangenen zwölf Monate wurden laut Findl 20 Anklagen erhoben und 30 Strafbefehle bei Gerichten beantragt.
Betrug mit erfundenen Corona-Tests: Beispiele für erfolgreiche Ermittlung
So kassierten in Nürnberg wurden beispielsweise zwei Betreiber von Corona-Teststrecken wegen Betrugs zu Freiheitsstrafen von mehr als drei beziehungsweise vier Jahren verurteilt. Die Beschuldigten hatten sich erfundene Corona-Tests mit mehr als 400.000 Euro vergüten lassen und für 200.000 Euro weitere Fälschungen in Vorbereitung.
Eine Haftstrafe erwartet auch einen Vertragsarzt, der in sechs Jahren insgesamt drei Millionen Euro für nicht erbrachte Leistungen bei den Krankenkassen abgerechnet hatte. Dazu manipulierte er laut Anklage die Daten der Versichertenkarten von Patienten an seinem Computer.
Rezepte vom Zahnarzt für Schuppenflechte?
Und Anfang Dezember wird vor dem Landgerichts Augsburg der Fall einer Apothekerin aufgerollt. Im kurzen Zeitraum von März 2019 bis Dezember 2020 soll sie Rezepte für sich selbst über mehr als eine halbe Million Euro abgerechnet haben, ohne die Medikamente zu bestellen. Der Schwindel flog auch deshalb auf, weil die Rezepte angeblich von einem Zahnarzt ausgestellt wurden und sich auf Medikamente gegen Schuppenflechte bezogen.
Der Kommentar des ZKG-Leiters zu diesen Fällen: "Wenn man sich etwas cleverer anstellt und nicht übertreibt, ist die Wahrscheinlichkeit, unentdeckt zu bleiben, relativ hoch."