
Knarzend öffnet sich die schwere Holztür. Im Schein von Stumpenkerzen führen Steinstufen nach unten in einen Gewölbekeller. Im Kaminofen prasselt ein behagliches Feuer. Der Duft von Bratwürsten mischt sich mit dem von Sauerkraut und Senf. Während der Blick an alten, dekorativen Posaunen und Trompeten hängen bleibt, deren Schatten im Feuerschein an den Wänden tanzen, hebt eine Handvoll Musiker ihre Instrumente an. Das Lied "Es Kunnerla" schallt durchs Gewölbe. Knapp 50 Gäste – mehr passen nicht in den Keller - klatschen, lachen und schunkeln.

Der Schlosskeller in Rüdenhausen ist ein Unikat – und das einzige Gasthaus in Unterfranken, das Staatsminister Albert Füracker in diesem Winter mit dem Titel "Musikantenfreundliches Wirtshaus" ausgezeichnet hat. Die Leidenschaft des Wirtes gilt sowohl der Blasmusik als auch dem fränkischen Brauchtum. Weil Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen sich zudem gern mit Kuriositäten vom Flohmarkt umgibt, ist sein Schlosskeller eine Schatzkiste für alle Menschen, die es gern einzigartig und gemütlich mögen.
Hauptsache, die Musiker werden auch satt

Am runden Tisch vor der Theke haben es sich heute sechs Musiker so bequem gemacht, wie das mit Trompete, Tuba oder Quetsche vor der Brust geht. Die "Wiesenbronner Kärwemusikanten" wollen ausprobieren, "ob der Wirt sie auch wirklich satt kriegt", wie Reinhard Hüßner augenzwinkernd sagt: "Es gibt ja den alten Spruch: Musikantenschlund kennt keinen Grund." Fakt ist: Der Titel "Musikantenfreundliches Wirtshaus" bedeutet, dass Musizierende dort immer gern auftreten dürfen und dafür mit Essen und Trinken belohnt werden.

Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen lässt sich nicht lumpen. Schon nach den ersten Musikstücken serviert er dem Tubisten Fritz Fröhlich, den Trompetern Rüdiger Schmalz und Kilian Wehrwein, dem Zugposaunisten Maximilian König, Baritonistin Michaela Hüßner und Flügelhornspielerin Ruth Neuerer dampfende Würste, Kraut, Schoppen und Seidla. Auch die Gäste am Stammtisch und an den drei anderen Holztischen laben sich an fränkischen Gerichten.
In geselliger Runde ist man schnell per Du

Wer seinen Nebenmann zuvor nicht kannte, ist in der geselligen Runde schnell per Du. Die Stimmung steigt mit jedem Bissen, jedem Schluck und jedem gespielten Schottisch, Rheinländer oder Dreher.

"Bravo!" Egon Blatz und seine Frau Erika klatschen den "Kärwemusikanten" Beifall. "Ich find's wunderbar hier, es gibt nix Besseres für Leib und Seele", ist der 75-jährige Schwebheimer von der Atmosphäre im Schlosskeller begeistert. "Hier passt alles", findet Rainer Berneiser aus Atzhausen, der "quasi jeden Freitag" nach Rüdenhausen kommt.

"Musik ohne Verstärker, fränkische Genüsse, Gemütlichkeit – was will man mehr?", ergänzt Horst Geißler, der mit seiner Frau Christa aus Marktbreit stammt: "Wir haben vor einiger Zeit eine Ankündigung in der Zeitung gelesen und sind deshalb hierher gefahren. Jetzt kommen wir immer gern wieder; man trifft hier lauter nette Leute."
Den Spuren im Schnee gefolgt bis ins Wirtshaus

Egon und Erika Blatz nicken. Der Zufall hat ihnen gut mitgespielt: Vor ungefähr 15 Jahren sorgte er dafür, dass Egon Blatz auf dem Weg zu einem Kumpel in Rüdenhausen anhielt: "Es hatte geschneit. Ich bin aus dem Auto ausgestiegen und den Spuren im Schnee gefolgt, die direkt in die Schlossstraße führten. Da habe ich Karlis Keller entdeckt."

Seitdem kommen die Schwebheimer regelmäßig im Winter in den Keller, in der warmen Jahreszeit in den urigen Bier- und Weingarten, in dem man unter einem Baum voller Posaunen sitzen kann oder in Lauben, deren Wände Krüge zieren wie in der früheren Fernsehsendung "Zum Blauen Bock".
Vom Ambiente angetan zeigt sich auch der Historiker Reinhard "Vitus" Hüßner aus dem Nachbarort Wiesenbronn. Für ihn ist das spontane Musizieren in Gasthäusern schönes heimisches Brauchtum. Seit vor rund 200 Jahren Ventil-Instrumente die Musikszene revolutionierten und schließlich das Musik-Monopol fiel, so dass jedermann eine Kapelle gründen konnte, sei Musik die wichtigste universelle Sprache, sagt Hüßner: "Sie bringt Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlichster Herkunft zusammen."
Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen hat dies längst verinnerlicht. Zur Erheiterung seiner Gäste verrät er heute, Wochen nach der offiziellen Auszeichnung als "Musikantenfreundliches Wirtshaus", verschmitzt: "Weil ich keine Ahnung hatte, dass man den Titel offiziell verliehen kriegt, hatte ich mir das Logo schon vor Jahren aus dem Internet heruntergeladen und an die Tür geheftet." Nun kann er den Ausdruck durch die hochoffizielle Plakette ersetzen.
Musik im Wirtshaus

GEMA: Im Bereich der Volksmusik ist der überwiegende Teil des Repertoires überliefert, ohne dass ein Urheber nachvollziehbar wäre. Diese Stücke sind in der Regel GEMA-frei, das heißt, es werden für Auftritte keine Gebühren fällig. Allerdings gibt es auch hier mittlerweile Ausnahmen.