Adel verpflichtet. So heißt es. Doch wozu genau? Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Als Spross einer alteingesessenen Fürstenfamilie ist er im malerischen Schloss Rüdenhausen aufgewachsen. Ein Schlosskind zu sein, war aber auch schon sein einziges Privileg. Von klein auf war „der Karli“ als leidenschaftlicher Musikant ins Dorfleben integriert.
Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Fotograf – erst bei der Deutschen Presse-Agentur, dann als Selbstständiger. Seine „Homestorys“ von „Very Important Persons“ (VIPs) erschienen überall in der Regenbogenpresse. Vor 15 Jahren verlegte sich Graf Karl darauf, seinen „Weinkeller am Schloss“ zu bewirtschaften. Promis besuchen ihn dort immer wieder. Im Gespräch mit der Redaktion erzählt er von echter Freundschaft, haarsträubenden VIP-Erlebnissen – und wie man eine Diva ins Bett bekommt.
Frage: Hat man es als Graf leichter, Promis nahe zu kommen, speziell den adligen?
Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen: Man hat es vielleicht ein bisschen leichter, überhaupt in ein Adelshaus hineinzukommen. Aber dann sind die Erwartungen riesig. Menschen, die keinen Gewinn darin sehen, in der Öffentlichkeit zu stehen, sind am empfindlichsten und werden leicht ungehalten. Musiker und Künstler dagegen sind meist locker. Sie freuen sich, wenn eine coole Geschichte über sie erscheint.
Viele VIPs – von Stefanie Hertel über Gunther Emmerlich bis hin zu Ernst Mosch – sind Ihre Freunde geworden. Wie kam es zu so langfristigen Verbindungen?
Ich wollte die Menschen schon immer nicht einfach nur ablichten, sondern kennenlernen. Mich hat interessiert: Was sind das für Leute? Bei mir Unbekannten habe ich mich vorsichtig vorgetastet, mir Zeit genommen. Manchmal haben sich daraus dann richtig tiefe Freundschaften entwickelt.
Freunden vertraut man. Heißt das, Sie haben die Nähe zu Stars nie ausgenutzt, um mit Insider-Wissen Geld zu machen?
Tatsächlich habe ich manches einfach nicht veröffentlicht, aus Respekt vor den Betroffenen. Für mich war die Arbeit stets ein großes Abenteuer, eine sehr spannende Zeit. Ich wollte nie jemanden in die Pfanne hauen. Es war immer ein Geben und Nehmen. Und grundsätzlich eine andere Zeit – heute funktioniert Journalismus anders.
Inwiefern?
Jahrelang war ich als Team mit Ernst Breil unterwegs, dem Chefredakteur verschiedener Blätter. Er schrieb die Texte, ich machte die Fotos. Wir schauten nicht auf die Uhr, wenn wir Promis besuchten. Breil ging danach persönlich zu den Redakteuren, um die Veröffentlichung unserer Geschichten zu besprechen. So etwas gibt es heute nicht mehr. Texte und Bilder werden per Mausklick versendet, kontaktlos, schnell, anonym.
Welcher Promi hat Sie richtig beeindruckt?
Ernst Mosch. Der konnte unglaublich spannend erzählen und die Menschen um sich herum faszinieren. Man wollte ihm stunden lang zuhören. Überhaupt mochte ich Volksmusiker immer gern, weil sie trotz ihres Erfolgs ganz normale Menschen geblieben sind und nichts Aufgesetztes hatten.
Auch mit dem beliebten Volksschauspieler Max Grießer, der nach außen immer so fröhlich wirkte, waren Sie befreundet. Wussten Sie von seinen seelischen Nöten?
Er hat kein Geheimnis daraus gemacht und war ja auch in psychiatrischer Behandlung. Zwei Tage vor seinem Freitod kam er auf dem Weg zur Hochzeit seines Neffen bei mir vorbei. Als seine Frau kurz aus dem Zimmer gegangen war, sagte er zu mir: „Karli, i mog nimmer.“ Ich habe mit Engelszungen auf ihn eingeredet. Als er sich zwei Tage später umbrachte, war das furchtbar.
In Ihrem neuen Buch „Begegnungen“ geht es um viele VIPs, von denen ein Teil mittlerweile gestorben ist. Wollen Sie sie mit dem Buch weiterleben lassen?
Ja, das war der Antrieb. Ich habe im Lauf der Jahrzehnte so viele Bilder und Anekdoten gesammelt, oft herzerfrischend und bewegend!
Apropos bewegend: Marianne Rosenbergs Vater haben Sie mal ganz toll „bewegt“…
Herrje, ja! Da war ich blutjung, hatte gerade meinen Führerschein. Nachdem ich seine Tochter in Frankfurt für die dpa porträtiert hatte, bat Rosenberg, sie beide rasch zum Bahnhof zu bringen. Ich traute mich nicht zu sagen, dass ich mich nicht auskannte. Also pferchten wir uns in meinen VW-Derby. Als wir zum dritten Mal an der gleichen Kreuzung vorbeikamen, schwitzte ich Blut und Wasser, Rosenbergs ungläubigen Blick im Nacken. Ich weiß nicht, ob sie ihren Zug noch erwischten…
Aber wie Sie die Diva Vera Kálmán ins Bett bekamen, das wissen Sie noch?
Das klingt ja jetzt verwegen! Tatsächlich waren Breil und ich in ihrem Haus in Monte Carlo und sie ließ uns warten. Dann riss die Haushälterin die Tür auf und Kálmán schritt wie eine Königin auf uns zu. Nach einigen Wodkas kamen wir auf ihr Lieblingsbild zu sprechen, das im Schlafzimmer hing. Davor wollte sie fotografiert werden. Aber das war gar nicht so leicht. Man kriegte nur Frau und Bild zusammen aufs Foto, wenn man sich als Fotograf vors Bett kniete und die Diva darauflag…
Ah, das ist also der Trick: Man gibt vor, die richtige Foto-Perspektive zu suchen…
Nein, nein! Wodka ist der Trick! (lacht)
Im Ernst: Kann man mit den meisten Promis „normal“ umgehen?
Viele sind halbwegs auf dem Boden geblieben, andere nicht. Donald Sutherland etwa weigerte sich bei einer Galavorstellung im italienischen Como, mit mir ins gleiche Boot zu steigen – einfach, weil ich Deutscher war. Da sprang mir Zsa Zsa Gabor zur Seite und sagte, dann steige sie wieder aus und gehe mit mir Essen. Das war eine tolle Geste. Es wurde dann ein super schöner Abend mit ihr. Sie war ein toller Mensch, auch wenn ihre vielen OPs sie optisch schon krass wirken ließen.
Sie wirken so ruhig und gelassen. Es fällt schwer, Sie sich in der Fotografenmeute vorm roten Teppich vorzustellen.
In der Tat waren mir solche Massentermine mit viel Geschrei immer zuwider. Ich bin nie der Meute nachgerannt. In meiner dpa-Zeit wurde ich im Januar 1981 an den Flughafen Darmstadt geschickt, als die Irak-Geiseln erwartet wurden. Mindestens 100 Fotografen standen vorm Tor, warten viele Stunden. Ich bin allein ans Nebentor gegangen. Bei mir kamen die Geiseln raus.
Und Sie hatten das Bild des Tages!
Ja. Aber nicht immer lief alles so glatt. Als in Bamberg „Der König“ mit Günter Strack gedreht wurde, sollte ich eine „ganz wichtige, unwiederbringliche Szene“ – so der Regisseur – festhalten. Das tat ich. Daheim bückte ich mich allerdings über den Brunnen im Hof. Und die Filmrolle – damals gab es noch keine Digitalfotografie – fiel aus meiner Hemdtasche in die Tiefe. Da liegt sie heute noch.
Karl Graf zu Castell-Rüdenhausen, „Begegnungen – Erinnerungen eines Fotojournalisten“, 164 S., 17 x 24 cm, Hardcover, viele Abbildungen, 24,90 Euro. Erhältlich – auch signiert – direkt über Graf Karl, Tel.: (09383) 7044, castell-ruedenhausen.de/buecher.