Der Motor heult auf. Reifen quietschen. Die Menge johlt. Die Stimme des Moderators nimmt ebenso Fahrt auf wie das Auto. Mit Karacho biegt es nach rechts in die erste von 15 Kurven und Kehren ein. Der Wald scheint es zu verschlucken, doch der Motor ist noch zu hören. Die Kamera schwenkt zurück zum Start, zu einem der bekanntesten Orte im Raum Kitzingen. An der Einmündung zum Schwanberg an der Staatsstraße zwischen Rödelsee und Wiesenbronn stehen Rennwagen Schlange.
Das Areal sah vor 48 Jahren nicht viel anders aus als heute. Nur, dass damals Tausende Menschen den Rand säumten und Rennfahrern zujubelten.
Hier, an der Auffahrt zum "Heiligen Berg", trafen sich zwischen 1967 und 1989 insgesamt 13 Mal die fähigsten Mechaniker und die furchtlosesten Fahrer. Heiße Reifen, kreative Karosserien: Die ADAC-Schwanbergrennen waren eine Art kleines Woodstock für die Freunde schneller Autos.
Bis zu 10.000 Besucher wollten sich das Spektakel am Schwanberg nicht entgehen lassen
Ob Touren- oder Formel-2-Wagen: Die Strecke hinauf zum Ziel in fast 500 Metern Höhe lockte Rennvolk aus nah und fern und bis zu 10.000 Zuschauer pro Tag an. Der Automobilclub Kitzingen, der AMC im ADAC, organisierte das Event unter der Regie von Herbert Meyer professionell: Samstag war Streckentraining, abends wurde gefeiert. Am Sonntag gaben die Rennfahrer beim Wettkampf Gas.
Eines der größten Schwanbergrennen war das am 16. Mai 1976. Es ist zugleich das am besten dokumentierte. Günter Streit aus Kitzingen hatte 20 Freunde und Bekannte rekrutiert, um das Rennen mit insgesamt zehn Kameras zu filmen und entsprechende Tonaufzeichnungen zu machen. "Das war ein Mammutprojekt", erinnert sich der leidenschaftliche Fotograf und Filmer. "Wir haben allein 500 Meter Bänder produziert. Die Tonaufnahmen gingen extra." Aus der Fülle an Rohmaterial entstand ein Film mit über 600 Szenen.
100 Autos waren beim Bergrennen 1976 am Start. "Die Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland, einige auch aus dem Ausland", sagt Rainer Gutzeit, Pressemanager des Rennveranstalters AMC. Gutzeit, damals Mitte 20, erinnert sich mit blitzenden Augen an das "heiße Wochenende". Zum 100. Geburtstag des AMC, der heuer gefeiert wird, sollte der Film von 1976 nun endlich einmal zu sehen sein. So kam es, dass der Club dem Kitzinger Günter Streit alle Dokumente abkaufte.
Aus gesundheitlichen Gründen hatte Streit den Film nicht komplett vertonen können. Das übernahm Streits langjähriger Freund Hermann Schliermann aus Dettelbach, der ebenfalls leidenschaftlicher Filmer und Fotograf ist – und 1976 selbst eine der Kameras beim Schwanbergrennen führte.
Ein Riesenpuzzle, eine Mammutaufgabe, eine Sisyphos-Arbeit
Wie bei einem Riesenpuzzle setzte Schliermann an seinem PC Film- und Tonstücke zusammen: "Eine Sisyphos-Arbeit war das!" Und wenn partout keine Original-Tonspur des damaligen Sprechers Günther Schäfer mehr zu finden war – "ein Großteil der Tonaufnahmen ging leider verloren", wie Günter Streit bedauert –, griff Schliermann in die kreative Trickkiste.
KI-Stimme "Elke" füllt die Lücken in der Moderation
"Vom Sprecher fehlten etliche Passagen. Deshalb habe ich eine Co-Moderatorin eingeführt, Elke, eine KI-Stimme, die in die Lücken springt." Fehlten Motorengeräusche, wurde es richtig diffizil. "Da habe ich den damaligen Rennleiter Ernst Plannasch dazugeholt, damit der Sound auch wirklich authentisch wird", erzählt Schliermann.
Wer nun den fertigen Film anschaut, bekommt große Augen. Der Blick ins Fahrerlager, die Interviews mit Gescheiterten und mit Gewinnern, der Blick auf Groopies und Siegerkränze, der Schwenk ins riesige Bierzelt und auf tanzende Beine in ausgestellten Schlaghosen: Das 68-minütige Werk besteht beileibe nicht nur aus Szenen mit dröhnenden Motoren, sondern beamt einen in die wilde Welt der 70er-Jahre.