
Die hölzerne Silhouette eines Wolfes steht hinter einem Zaun. Die Begrenzung ist mehrere Meter lang, endet dann abrupt. "Und damit haben wir eigentlich schon versagt", sagt Christine Reuter-Gottert. Die Fachberaterin des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg steht auf einer ehemaligen Pferdekoppel des Staatsgutes Schwarzenau. Dort wurde am 21. Oktober auf Initiative des AELF eine Demonstrationsanlage für wolfsabweisende Zäune eröffnet – die erste in Nordbayern und laut Behördenleiter Gerd Düll die umfangreichste der nun insgesamt fünf Anlagen in Bayern, denn in Schwarzenau geht es um den Schutz gleich mehrerer Tierarten: Schaf, Ziege und Pferd.

Um zu zeigen, welches Tier wie geschützt werden kann, stehen verschiedene Zäune auf der Fläche, mal fest verankert, mal mobil, unterschiedlich hoch, mal mit Litzen, mal mit Netzen. Weil es sich um eine Demo-Anlage handelt, auf der sich Tierhalter und alle anderen Interessierten informieren können, sind die Zäune nicht geschlossen. Auf der Weide wäre der Schutz damit dahin.
Denn während es früher darum ging, die Schafe, Ziegen und Pferde auf einer Fläche zu halten, steht jetzt im Fokus, dass kein Wolf dort hineinkommt. Und während ein Schaf beispielsweise einen Bach als unüberwindbares Hindernis anerkennt, macht der Wolf dort keinen Halt. Fehlt der Zaun, kommt er ungehindert auf die Weide.
"Der Wolf muss lernen, nicht an den Zaun zu gehen", erklärt Christine Reuter-Gottert. Das lernt er durch Erfahrung: Kommt er mit dem unter Strom stehenden Zaun in Berührung, tut das weh. Er wird die Zäune meiden, und er wird sein Wissen an seine Nachkommen weitergeben. Mindestens 4000 Volt Spannung sind nötig, um den Wolf abzuschrecken. Kommt ein Mensch mit dem Zaun in Berührung, ist das auch für ihn unangenehm, aber gefährlich sei es nicht. Trotzdem müssen die Weidetierhalter mit Schildern auf die Stromführung hinweisen.

Entscheidend ist nicht nur die Spannung, sondern auch die Höhe des Zaunes. Mindestens 90 Zentimeter müssen es bei Schafen sein, am besten etwas mehr, falls der Zaun durchhängt. Wichtig ist aber auch der Abstand zum Boden. Die erste stromführende Barriere darf nicht höher als 20 Zentimeter über dem Boden sein. Klafft eine größere Lücke, schlängelt sich der Wolf darunter durch. "Und wir wissen aus Versuchen, dass Wölfe erst mal graben, bevor sie springen", informiert die Fachberaterin.
Knapp 90 Prozent der von Wölfen gerissenen Tiere sind Schafe und Ziegen
Kommt es zu Schäden, wird der Rissgutachter die Zäunung kontrollieren. Entspricht die Höhe dem Grundschutz? Eine Frage, an der die Entschädigung hängt. Um wie viele Fälle es geht, verdeutlicht ein Blick in die Statistik: Fast 4500 Tiere wurden 2022 in Deutschland von Wölfen gerissen, knapp 90 Prozent waren Schafe und Ziegen, sechs Prozent Rinder – meist Kälber – und vier Prozent Gehegewild.

Genauso wichtig wie die Höhe ist, dass der Zaun immer unter Strom steht. Gefördert werden deshalb zwei Zäune, sodass der Tierhalter eine neue Weide rüsten kann, bevor er seine Herde holt. Die Zäune an der vorherigen Weide müssen unter Strom gehalten werden, bis sie abgebaut werden. Sonst verliere der Wolf den Respekt vor dem Zaun und damit der Schutz seine Wirkung.
Laut Förderrichtlinie "Investition Herdenschutz Wolf" des Freistaats Bayern beträgt die Förderung bei Investitionen in mobile Elektrozäune, elektrifizierte Festzäune oder mobile Ställe bis 100 Prozent der zuwendungsfähigen Aufwendungen.

Beim Grundschutz der Weidetiere sei der wolfsabweisende Zaun der erste Schritt, sagte Andreas Becker vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium. Er sei das, was für die Tierhalter zumutbar sei. Einen vollständigen Schutz könne er aber nicht bieten.
Im schlimmsten Fall muss es die Möglichkeit geben, ein Problemtier zu töten

Es gehe um eine Koexistenz der Wölfe und der Weidetiere, ein Miteinander der Wolfsschützer und der Landwirtschaft, machte Klemens Ross vom Landesverband Bayerischer Schafhalter deutlich. "Wir bemühen uns, die Weidetiere so zu sichern, dass der Wolf vorbeigehen kann." Wenn ein Wolf aber lerne, den Zaun zu überwinden, müsse es möglich sein, dieses Tier zu entnehmen. Das sei letztlich auch im Interesse der Wolfsschützer. "Der Wolf wird an Akzeptanz verlieren, je mehr Tiere er reißt."
In der ersten Version des Artikels fehlte der Hinweis auf die Förderung.
https://www.bmuv.de/faq/fressen-woelfe-nur-schafe-ziegen-und-kuehe
Es wäre interessant, einmal die Schäden durch Wildverbiss mit denen durch Wolfsrisse gegenzurechnen.
die Kosten für die Zäune variieren je nach Hersteller und Ausführung (fest, mobil, Tierart, Höhe, Tor...), deshalb haben wir keine Zahlen genannt. Die Förderung beträgt bis zu 100 Prozent - diese Information haben wir noch in den Artikel aufgenommen.
Daniela Röllinger, Redaktion Kitzingen