
So weit wie eine Urlaubsreise nach Südfrankreich: Würde man alle Bundes-, Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen, die sich durch den Landkreis ziehen, aneinanderhängen, käme man auf eine Strecke von 1040 Kilometern. Unterwegs sind auf diesem Straßennetz nicht nur die 80.595 Kraftfahrzeuge, die im Landkreis Kitzingen zugelassen sind, sondern auch viele Auswärtige. Dass auf so langer Strecke und bei so vielen Fahrzeugen Unfälle passieren, scheint also die logische Folge. Andererseits ließen sich viele von ihnen vermeiden - oder zumindest die Folgen abschwächen, zeigt ein Blick in die Verkehrsunfallstatistik der Polizeiinspektion Kitzingen.
Zahlen, hinter denen teilweise schwere Schicksale stehen
Polizeichef Jochen Dietrich und Verkehrssachbearbeiter Harald Hufnagel haben einen dicken Stapel Papier mitgebracht, voll mit Zahlen, Balken, Kurven, die manchmal nur für einen kleinen Blechschaden stehen, aber auch für schlimme Schicksale. 2442 Verkehrsunfälle haben sich im Jahr 2022 auf den Straßen im Landkreis Kitzingen ereignet, darunter 1504 Kleinunfälle. 381 Menschen wurden bei den Unfällen verletzt, 30 mehr als 2021. Zwei Menschen starben – im Jahr zuvor waren es drei.

Ein Blick auf die langfristige Entwicklung zeigt, dass sich viel getan hat bei der technischen Ausstattung der Fahrzeuge und auch in der Straßenführung. In den 1970er Jahren seien 40 Verkehrstote pro Jahr nicht selten gewesen, erinnert Harald Hufnagel. "Aber zwei sind trotzdem noch zu viel." Nicht zu vergessen: Auch die Menschen, die bei Unfällen verletzt werden, haben oft noch lange mit den Folgen zu kämpfen.
Bei den Ursachen aller registrierten Unfälle liegt der ungenügende Sicherheitsabstand ganz vorn (832), mit großem Abstand. Auch bei den Unfällen mit Verletzten und Getöteten spielt er eine Rolle (60), zu den häufigsten Ursachen zählen dabei außerdem Vorfahrtsmissachtung (58), Abbiegen, Wenden, Ein- und Ausfahren (53) sowie die Geschwindigkeit (51).
Zwei Unfallursachen hebt die Polizei in ihrer Statistik besonders hervor: Zum einen die Geschwindigkeit (85 Unfälle, 55 Verletzte, ein Toter). Dass zu schnelles Fahren so oft der Grund für Unfälle mit schwerwiegenden Folgen ist, ist der Polizei ein Dorn im Auge. "Wir werden die Geschwindigkeitsüberwachung weiter verstärken", kündigt Jochen Dietrich an, sowohl mit der Laserspistole als auch mit dem Radarwagen. "Raser haben auf unseren Straßen nichts verloren", kennt der Polizeichef kein Pardon.
Auch auf Alkohol und Drogen im Straßenverkehr schauen die Beamten ganz besonders. Sie spielten bei 36 Unfällen eine Rolle, 18 Menschen wurden dabei verletzt, einer getötet. Eine deutliche Steigerung gegenüber dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 mit 26 Unfällen und 15 Verletzten.
227 Alkohol- und Drogenfahrten konnte die Polizei beenden, bevor etwas passiert ist. "Das sind deutlich zu viele", erklärt Jochen Dietrich. Die Beamten werden weiterhin den Fokus darauf legen, sie sind extra darin geschult zu erkennen, ob jemand Drogen genommen oder getrunken hat.
Busunfall mit fünf verletzten Kindern ging zum Glück relativ glimpflich aus
Nach oben geschnellt ist die Zahl der Schüler, die bei einem Schulwegunfall verletzt wurden. Vier solche Unfälle wurden im Jahr 2021 gemeldet, vier Kinder wurden dabei verletzt. 2022 waren es fünf Schulwegunfälle und insgesamt neun verletzte Kinder. Diese hohe Zahl hängt mit einem Unfall am 27. Mai 2022 zusammen. Auf der Fahrt von Brück Richtung Schernau geriet ein Schulbus nach links in die Böschung. Die Kinder wurden durch den Aufprall teilweise gegen die Sitze und Stangen gedrückt, fünf der 22 Kinder im Bus wurden leicht verletzt. Alle konnten vor Ort an die Eltern übergeben werden, erinnert die Polizei.

Keine großen Veränderungen gab es bei den Fahrradunfällen mit und ohne Motor. 83 wurden der Polizei gemeldet, in 26 der Fälle waren die Radfahrer alleine beteiligt. Bei 77 der Radunfälle wurde jemand verletzt. "Nur 38 trugen einen Helm", informiert Jochen Dietrich. "Das ist zu wenig." Um für das Thema zu sensibilisieren, werde die Polizei in der zweiten Osterferienwoche im Stadtgebiet Kitzingen und in Volkach mit der Fahrradstreife präsent sein.
Auch die Sicherheit der Motorradfahrer ist der PI ein Anliegen: Gemeinsam mit der Verkehrswacht und dem Fahrlehrerverband veranstaltet sie am 15. April von 10 bis 15 Uhr in Iphofen am Knauf-Parkplatz ein kostenfreies Motorradsicherheitstraining.
Eine Unfallflucht kann gravierende Folgen nach sich ziehen
Nach den beiden Corona-Jahren ist auch die Zahl der Unfälle, bei denen sich der Verursacher aus dem Staub macht, wieder deutlich angestiegen. 480 Unfallfluchten wurden der Polizei 2022 gemeldet, 306 blieben ungeklärt. Warum jemand einfach weiterfährt, kann Jochen Dietrich nicht nachvollziehen. "Das verstehe ich einfach nicht", sagt der Polizeichef. Man müsse sich gut überlegen, ob man einfach abhaut, denn es könne empfindliche Strafen geben, während es womöglich bei einer mündlichen Verwarnung geblieben wäre, hätte der Verursacher die Polizei gerufen.

Immer wieder ist es im vergangenen Jahr und auch dieses Jahr schon zu Unfällen an der Kreuzung Umgehung Volkach/Eichfeld gekommen. Eine besonders gefährliche Kreuzung? Der letzte Unfall sei ein typischer Abbiegeunfall gewesen, wie er sich an jeder Kreuzung ereignen könne, sagt Harald Hufnagel. "Der war nicht der Kreuzung geschuldet". Trotzdem habe die Unfallkommission sich bereits mit dieser Kreuzung befasst und auch schon reagiert. Ein Kreisverkehr sei bereits beschlossen.