
Es war ein eisiger Sonntagabend im Februar 2022. Ruin Hamkar fuhr gegen 22 Uhr von der Arbeit heim, als er zwei betrunkene Männer auf einer Bank an der Kitzinger Mainpromenade bemerkt. Die Männer standen auf und schoben ihre Fahrräder neben sich her. Plötzlich fiel einer der Männer mit dem Fahrrad in den eiskalten Main. Hamkar kann sich noch genau an diesen Abend erinnern. Er sitzt auf einer Bank vor seinem Haus. Die Strahlen der Septembersonne funkeln im Main.
Hamkar schaut auf das ruhige Wasser und erzählt: "Ich stieg aus dem Auto und rannte zu den Männern." Sie verstanden aber kein Deutsch. Wie sich später herausstellte waren es Polen. „Ich muss etwas tun“, dachte sich Hamkar. Für ihn war sofort klar: „Da schaut man nicht weg. Da macht man einfach. In dem Moment muss man reagieren. Man muss Menschlichkeit und Empathie haben.“
Ruin Hamkar sieht wie ein Mann in den Main fällt und eilt zur Hilfe

Er eilte in seine Garage, um eine Metallstange zu holen, damit der Ertrinkende sich daran festhalten kann – vergebens. Plötzlich sprang der zweite Mann ins Wasser. Geistesgegenwärtig legte sich Hamkar auf den Boden und streckte seine Beine aus, damit die Männer sich daran festhalten konnten. Der zweite Mann griff nach dem Bein und Hamkar zerrte ihn aus dem Wasser. Kurz darauf verschwand der erste Mann unter der Wasseroberfläche. Genau an der Stelle im Main, auf die Hamkar gerade schaut.
Ein Mann gerettet, einer ertrunken
Der gerettete Pole schwang sich klitschnass auf sein Fahrrad und suchte das Weite. Als die Rettungskräfte eintrafen, stand Hamkar allein am Ufer. Notarzt, Feuerwehr und Polizei waren vor Ort. Eine gefühlte Ewigkeit hat es für Hamkar gedauert, bis der Taucher endlich den Mann aus dem Main zog. Noch auf dem Weg ins Krankenhaus wurde er für tot erklärt.
Seitdem sind 18 Monate vergangen. Hamkars Meinung nach hätte die Rettung des Ertrinkenden viel schneller gehen müssen. Auch sich selbst machte er lange Vorwürfe. „Warum konnten nicht beide gerettet werden?“, fragte er sich immer wieder.
Noch am Mainufer wurde Hamkar von der Polizei befragt. In dem Moment kam der Mann, den Hamkar retten konnte, an den Unfallort zurück. „Er hat mit dem Finger auf mich gezeigt und gesagt: Du hast mein Leben gerettet“, erzählt Hamkar. Die Polizei führte einen Alkoholtest bei dem Mann durch. Zu dem Zeitpunkt hatte er immer noch 2,4 Promille.
Ruin Hamkar wird im November 30 Jahre alt. Der Afghane wohnt seit 2003 in Kitzingen. Er blickt auf dem Main. Er redet über den Abend, erinnert sich an Details, die er schon verdrängt hat. „Was mich aufgefressen hat, ist dass es nicht beide geschafft haben“, sagt er.
Die große Frage: Warum konnten nicht beide gerettet werden?
Etwa ein Jahr nach dem Unfall lag ein offizieller Brief mit einer Einladung zur Verleihung der Christophorus-Medaille im Briefkasten. Damit hat Hamkar nicht gerechnet. „Ich habe mich nie mit der Rettung gebrüstet“, sagt er. Die Medaille wurde Hamkar und 47 anderen Lebensrettern von Ministerpräsident Markus Söder jetzt im September in der Münchner Residenz verliehen.

„Sie alle waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und haben ohne Zögern geholfen und Leben gerettet. Dabei haben Sie nicht an die Gefahr für sich, sondern nur an ihre Mitmenschen gedacht", wird Söder in der Pressemitteilung zur Ehrung zitiert. "Mit ihrem Einsatz sind Sie große Vorbilder und Mutmacher für unsere Gesellschaft." Zudem wurde bei der Verleihung die Rettungsaktion von jedem einzelnen Retter verlesen. „Es waren krasse Geschichten dabei. Das hat mir eine Wärme im Herzen geschenkt", erzählt Hamkar von seiner Reise nach München. "Es gibt noch Menschen. Es gibt noch Empathie. Es gibt noch Menschlichkeit.“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version stand, dass die Wasserwacht Schweinfurt das Einverständnis zum Tauchereinsatz geben musste. Das ist falsch und wurde ausgebessert.