Früher, als man noch Filme in seinen Fotoapparat gelegt hat, war Antje Gotthold immer die mit dem 36er Film. „Ich hatte nie 24er, weil mir das nicht gereicht hätte“, sagt sie und schüttelt lachend ihre roten Locken.
Auf ihrem Dachboden in Iphofen lagern die Abzüge tütenweise, ordentlich nach Jahren sortiert. „Ich war regelrecht verschrien“, erzählt die Leserfotografin, denn auf alle Familienfeste und Feiern kam sie mit der Kamera – „die ist ja schon an der Hand angewachsen“, sagten die Leute und waren im Nachhinein doch froh, wenn sie ein gelungenes Bild von sich bekommen haben.
700 Bilder in sieben Tagen
Antje Gotthold schmunzelt, ihrer Fotografier-Leidenschaft hat das keinen Abbruch getan. Auch heute noch macht die 57-Jährige gern viele Bilder – 700 Fotos in sieben Tagen Urlaub sind da durchaus drin. Bei einem Motorradtrip nach Kärnten mit ihrem Mann Bernd hat sie die Berge schätzen gelernt. „Und plötzlich liebe ich Kühe“, sagt sie. Zu ihren Lieblingsmotiven gehört aber die zwölfjährige Beagle-Hündin J.
lo, mit der sie jeden Tag hinaus in die Felder rund um Iphofen geht, die direkt an ihr Grundstück grenzen. Das Spazierengehen braucht Antje Gotthold auch zum Abschalten nach der Arbeit. „Nach einer halben Stunde ist der Kopf wieder frei“, sagt sie.
Nicht Kunst, sondern Momente
Mit dabei hat sie meistens ihr Smartphone. Um notfalls telefonieren zu können – oder um Fotos zu machen. Den großen Fotoapparat, eine Bridge-Kamera von Medion, schleppt sie im Alltag nicht so gerne rum, auch weil gerade im Winter oft alle Hände belegt sind. Handschuhe, Hundeleine und dann noch der Fotoapparat.
„Meine Bilder müssen nicht kunstvoll sein“, gibt sie unumwunden zu. Die Geschichte dahinter, das Nacherleben, wenn man später die Bilder betrachtet, spielen für sie die größere Rolle. Sie möchte Momente festhalten, die ihr etwas bedeuten und an die sie sich später noch gerne erinnert. Zum Beispiel als Hündin J.lo selbstbewusst auf einem Baumstück herumkaut, das ein Biber abgenagt hat, als wäre das ihr Werk.
Wer nur aufs Handy schaut, verpasst viel
Das Motiv ist Antje Gotthold wichtiger als die Einstellung an der Kamera und sie weiß: Für manche Motive muss man schnell sein. Da ist das Handy schneller gezückt und schneller weggepackt. Trotzdem mag sie es nicht, wenn Leute die ganze Zeit auf ihr Telefon starren. „Dann verpasst man so viel“, sagt sie. „Da ist der Stein unter dem Fuß, der Wind im Gesicht, der Geruch der Felder.“
Die 57-Jährige liebt die Natur – und Bilder davon. Am liebsten groß. In ihrem Büro hängt deshalb auch ein 1,20 Meter mal 90 Zentimeter großes gerahmtes Baum-Foto, das ihr Kollege Günther Fischer, den wir auch schon als Leserfotografen vorgestellt haben, gemacht hat. Beim Telefonieren kann sie darauf schauen. Außerdem hat sie fast immer einen Fotokalender mit Landschaftsaufnahmen an der Wand hängen.
Kleine Fluchten aus dem Alltag
Für Gotthold sind das kleine Fluchten aus dem Alltag. „Bäume. Alles, was grün ist, das beruhigt mich total“, sagt die Assistentin des Standort Managements bei der Firma GEA in Kitzingen. Ihr Beruf bringt viel Abwechslung mit sich, sie mag das, braucht aber nach stressigen Tagen auch etwas zum abschalten. Früher hat sie viel Fitness gemacht und von den Auftritten mit ihrer Step Aerobic-Gruppe auch oft Fotocollagen gebastelt. Inzwischen hat sie neben den Spaziergängen mit ihrer Beagle-Hündin, Yoga für sich entdeckt, das in der Firma angeboten wird. „Das macht riesen Spaß, hätte ich gar nicht gedacht“, sagt sie und strahlt.
Fotoalben selbst gestaltet
Neues ausprobieren liegt der quirligen Frau mit dem roten Lockenkopf. Auch beim Fotografieren hat sie sich das meiste selbst angeeignet. Schon als Kind hat sie ihren Bruder gern im heimischen Garten fotografiert – „damals musste man den Film noch per Hand weiterdrehen“ – auch Blumen, überhaupt der Frühling, wenn die Natur aus dem Winterschlaf erwacht, haben sie schon immer fasziniert. Später hat sie angefangen, Fotoalben von Urlauben zu basteln, liebevoll gestaltet mit eingeklebten Eintrittskarten, Prospekten oder getrockneten Blumen aus dem jeweiligen Land.
Vater als Vorbild
Schon ihr Vater habe das so gemacht. Er weckte auch ihre Leidenschaft für alte Kulturen und Ruinen. Als die Familie 1974 zunächst von Coburg nach Mainbernheim, zwei Jahre später nach Iphofen zog, fuhren sie an den Wochenenden oft hinaus zu Burgen und Schlössern, oder deren Überresten, um die neue fränkische Heimat besser kennenzulernen.
Als sie ihre erste eigene Wohnung hatte, wurde Antje Gotthold zur „Spitzenbestellerin bei Postern“: „Ich war ständig am Hämmern, um neue Bilder aufzuhängen – bis die Nachbarin fragte, was ich da eigentlich immer mache“, erinnert sie sich und lacht. Auch heute noch hat sie auch privat gern große Bilder um sich, der Platz an der Wand ist aber begrenzt, deshalb gestaltet sie seit rund fünf Jahren online Fotobücher oder Kalender, die sie privat verschenkt. Dabei nimmt sie sich für jedes einzelne Bild Zeit und bearbeitet Ausschnitt, Helligkeit oder Kontrast. Bei einem 100-seitigen Fotobuch kann das dauern.
Projekt Dachboden hat noch Zeit
Wenn sie mal sehr viel Zeit hat, dann möchte sie die vielen Bilder, die auf dem Dachboden schlummern, sortieren und die schönsten digitalisieren. Noch gibt es aber zu viel zu tun und noch nutzt sie die freie Zeit, wenn es geht, lieber draußen. „So viele Regentage gibt es gar nicht“, sagt Antje Gotthold. Ihre Leidenschaft ist eben die Natur. „Wenn ich eine Biene auf einer Blüte krabbeln sehe, macht mich das glücklich.“
Zur Person Antje Gotthold
Die gebürtige Coburgerin, Jahrgang 1960, kam 1974 mit ihren Eltern und ihrem Bruder zunächst nach Mainbernheim, zwei Jahre später zogen sie nach Iphofen. Der Vater arbeitete bei Knauf.
Nach zehn Jahren in Volkach, lebt Antje Gotthold mit ihrem Mann Bernd seit 2007 wieder in ihrem Elternhaus in Iphofen.
Antje Gotthold besuchte die Dolmetscherschule in Würzburg und machte eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin in Englisch und Spanisch. Danach war sie zwei Jahre bei Adidas in Herzogenaurach beschäftigt, anschließend fünf Jahre bei der Firma Fritsch in Markt Einersheim ehe sie 1984 zu Huppmann (heute: GEA Brewery Systems) nach Kitzingen wechselte, wo sie noch heute als Assistentin des Standort Managements arbeitet. Die genaue Berufsbezeichnung ist Assistant to Vice President Head of APC Beverages & Beer.
Hinweis in eigener Sache: Seit März 2016 haben wir insgesamt zehn Leser vorgestellt, die gern und oft Bilder an die Redaktion schicken. Damit endet unsere Serie (vorerst). Einen Rückblick auf alle bisher erschienenen Artikel finden Sie unten.