
Kitzingen am Anfang der 1970er-Jahre wird zum Schauplatz des Romans "Etwas Schwund ist immer" von Stefan Rümmele. Der Autor, geboren 1957 in Würzburg, weiß, von was er spricht. Er ist in Kitzingen aufgewachsen.
Frauen in Kittelschürzen. Der Joint hinter der Scheune. Der beste Freund verendet im Alkoholrausch. Mit 4,2 Promille auf die Wolke. "In A gadda da vida" von der Band Iron Butterfly boomt in der Tenne, der Dorfdisco in Altenschönbach, die mittlerweile Kult geworden ist und jedem in der Region wohl ein Begriff ist. Der Kommissar lässt den Wagen vorfahren, und ins Bett stieg man mit der Bravo und Oswald Kolle. Die Beatles gingen getrennte Wege, und nur die Musik blieb.
Im Dunstkreis von Cannabis-Duft und Woodstock-Romantik
Eine verschworene Clique Jugendlicher will als Rockband Karriere machen, erklimmt aber stattdessen ein ums andere Mal nur die Treppenstufen ihres Probenraums. Im Dunstkreis von Cannabis-Duft und Woodstock-Romantik entspinnt sich eine wechselvolle Liebesgeschichte zwischen Bandleader Sascha und seiner Klassenkameradin Amelie. Derweil kämpft die Firma von Saschas Eltern tagtäglich ums Überleben.

In seinem Roman "Etwas Schwund ist immer" erzählt Rümmele die Geschichte einer turbulenten Jugend im kleinstädtischen Spannungsfeld zwischen Spießertum, Geschäftsleute-Stolz und den lockeren Sprüchen der in Kitzingen stationierten US-Soldaten. "Der Roman", sagt der Autor, "hat stark autobiografische Züge, auch wenn ich den etwas überstrapazierten Begriff autofiktional vorziehen würde. Er ist die Abrechnung mit der erdrückenden Enge einer Kleinstadt als Rechtfertigung der eigenen Jugend." Und tatsächlich gerät Kitzingen immer wieder ins Fadenkreuz seiner Ausführungen.
Als "laut, staubig und stinkig" wird die Altstadt beschrieben, auch das "alte Krankenhaus" kriegt sein Fett weg. Doch immer wieder finden sich zwischen den temporeichen Zeilen, direkt und ungeschönt, nahezu liebevoll erinnerte Ortsbeschreibungen – nostalgischer Lokalkolorit ohne Schnickschnack, dafür mit einer gehörigen Portion Zynismus.
Ein kleines Denkmal für früh verstorbene Freunde
"Für mich persönlich waren die 70er eine sehr bewegte, teils aufwühlende Zeit", sagt Rümmele. "Eine Zeit des Aufbruchs, aber auch der großen Niedergeschlagenheit. Rückblickend wirken sie trotz aller Verwerfungen fast wohlgeordnet im Vergleich zur neuen Unübersichtlichkeit von heute." Und so bringt es der Autor auf den Punkt. Egal ob jung oder alt, ob zugezogen oder einheimisch: Das Buch hält für alle Leser etwas bereit – zum Mit- und Nachfühlen, Erinnern, Schmunzeln, Staunen und Aufregen.
"Im Wesentlichen war es mein Wunsch, meinen so früh verstorbenen Freunden ein kleines Denkmal zu setzen. Wie auch die Überzeugung, dass sich viele Menschen in den Erinnerungen hoffentlich wiederfinden werden." So entstand ein lesenswertes Zeitzeugnis rund um die eigentlich doch recht hübsche Kreisstadt Kitzingen.
Stefan J. Rümmele: Etwas Schwund ist immer. Eine Jugend in den 70er-Jahren, Verlag NeuWerk, geb. 302 S., Schutzumschlag, ISBN 978-3-910300-07-1, 24,50 €, kart. 302 S., ISBN 978-3-910300-06-4, 14,50 €