Nach Korea kommt Kitzingen. Nachdem Kai Paffenbach bei den Olympischen Winterspielen „körperlich an die Grenzen gestoßen“ war wegen der extremen Kälte und langen Arbeitstage, präsentierte sich der World-Press-Photo-Gewinner 2017 seinem Publikum in einer gut gefüllten Rathaushalle ganz entspannt als humoriger Erzähler. Der 47-Jährige zeigte sich überwältigt von der Resonanz der „World Press Photo“-Ausstellung in der Großen Kreisstadt, die im Konzert der großen Veranstaltungsorte wie Paris, London oder Washington eine besondere Rolle spiele.
Freundschaft mit Usain Bolt
Sportfotografie nennt Pfaffenbach als sein Steckenpferd, doch findet nicht einmal die Hälfte seiner Arbeiten für die Nachrichtenagentur Reuters bei sportlichen Ereignissen statt. „Weil man im entscheidenden Moment nur eine einzige Chance hat“, sei der Sport für den Fotografen eine schwierige Disziplin. Diesen Moment hielt er mit seinem Siegerfoto vom lachenden Usain Bolt im 100-Meter-Halbfinale der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro fest. Den Hype um „das wahrscheinlich am meisten publizierte Sportfoto der Geschichte“ habe er noch vor Ort erlebt. Stolz sei er darauf gewesen, dass es der weltberühmte Sprinter zwei Wochen lang als Profilbild im Sozialen Netzwerk Instagram verwendet hatte. Überhaupt verbindet Pfaffenbach und Bolt eine besondere Beziehung. Bei allen seiner olympischen Goldmedaillen war er als Fotograf dabei. „Wir haben ein ganz gutes Verhältnis und schon das eine oder andere Mal zusammen gefeiert“, verriet der Hanauer.
Wie ein Foto WM-Gold rettete
Eine weitere Anekdote verbindet ihn mit dem Kugelstoßer David Storl. 2013 rettete ihm Pfaffenbach in Moskau bei der WM durch seine Serienbildaufnahme eines fälschlicherweise für ungültig erklärten Stoßes den Sieg. „Eigentlich waren es überhaupt keine guten Fotos, denn ständig war der Windschutz von einem Mikrofon darauf zu sehen“, sagt Pfaffenbach selbstkritisch. Der Kampfrichter ließ sich dennoch dazu überreden, die Bilder auf der Kamera anzusehen – und entschied anschließend zugunsten von Storl. Paffenbach und der russische Kampfrichter erhielten später den Fair-Play-Preis des Deutschen Sports. Sein wertvollstes Foto zeigt Fußballspieler Mario Götze im WM-Finale 2014 beim entscheidenden Torschuss: „Es war sicherlich nicht auch mein bester Schuss, aber rückblickend der wichtigste“, weiß der Fotograf.
Erst Mensch, dann Fotograf
Ob er schon das perfekte Bild geschossen habe? „Das mache ich noch“, entgegnet er. Mit seinen Aufnahmen will er Emotionen transportieren: „Wenn die Betrachter lachen, weinen oder darüber nachdenken, ist es ein gutes Bild.“ Doch schützt ihn gerade bei bedrückenden Einsätzen in Kriegsgebieten wie im Irak, Kuwait oder dem türkisch-syrischen Grenzgebiet das Objektiv „wie ein Vorhang“ vor zu tiefem Eintauchen. „Ich hatte zum Glück noch keine schlaflose Nacht, in denen mich diese Erlebnisse eingeholt haben. Ich würde sofort die Konsequenzen daraus ziehen und wieder Kreisoberliga-Fußball fotografieren“, sagt Pfaffenbach. Seine Jagd nach Motiven kennt Grenzen: „Es gibt Situationen, in denen man abwägen muss, ob man schnell ein Foto macht oder ob es Wichtigeres gibt. Ich bin erst Mensch, dann Fotograf.“
Fotos werden kaum bearbeitet
Dass Bilder mit ihrer Veröffentlichung eine Wirkung erzielen, ist ihm bewusst. Von dieser Macht, Meinungen bilden zu können, versucht er sich allerdings fernzuhalten: „Ich muss Fotos von beiden Seiten einer Geschichte anbieten, das ist meine journalistische Sorgfaltspflicht.“ 90 Prozent seiner Bilder kommen direkt aus der Kamera, eine nachträgliche Bearbeitung findet nicht statt, zumal die Fotos sofort vom Gerät in die Agentur gesendet werden. Auch Filter und Programme verwendet er nicht: „Bei 80 Prozent meiner Bilder stelle ich die Blende und Belichtung manuell ein.“ Schließlich mache selbst eine gute Kamera trotz technischer Hilfsmittel einen mittelmäßigen Fotografen nicht besser.
Pfaffenbach schießt 10 000 Fotos im Jahr
Pfaffenbach fotografiert viel, pro Jahr produziert mehr als 10 000 Fotos, sieht noch mehr und noch immer treibt ihn der Wettbewerb der Fotografen untereinander um das beste Bild an: „Das fasziniert und motiviert mich total.“ Dabei sieht er sich nicht als Künstler, sondern als Handwerker. Obwohl er die Kamera als sein Werkzeug beherrscht, ist er sich einer absoluten Einschränkung bewusst: „Die schönsten Bilder sind im Kopf.“ Eine so international renommierte Auszeichnung, sich nun als World-Press-Photo-Gewinner bezeichnen zu dürfen, war für den bereits mit zahlreichen Preisen bedachten Pfaffenbach noch eine besondere Wertschätzung seiner Aufgabe: „Den Leuten das zu zeigen, was sie mit ihren eigenen Augen nicht sehen können.“