
Als der bayerische Innenstaatssekretär Gerhard Eck neulich auf Termin in Iphofen war, parkte er sein E-Auto direkt vor der Karl-Knauf-Halle. Wo denn hier eine Ladestation sei, wollte er von Bürgermeister Josef Mend wissen, doch der musste den Gast aus München vertrösten: hier nicht. Die nächste (und einzige) steht rund einen halben Kilometer weit weg. Mend selbst hat die Anekdote am Montagabend in der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses erzählt, und sie sollte deutlich machen: Was die Elektromobilität angeht, hat Iphofen durchaus Nachholbedarf. Deswegen soll es in der Stadt bald nicht nur eine zweite und dritte Ladesäule geben. Mend will auch ein Konzept für das immer beliebter werdende Car-Sharing auf den Weg bringen und damit im Landkreis wieder einmal zum Vorreiter werden.
Die Idee ist nicht mehr ganz so neu: Verbraucher verzichten auf das eigene Auto und teilen sich ein Fahrzeug mit anderen. Abgerechnet werden nur die Kosten der tatsächlichen Nutzung, wenn es sein muss, minutengenau. Handelt es sich um ein E-Auto, kommt noch der Umweltgedanke hinzu. Der Landkreis Kitzingen eigne sich wegen der hohen Fahrzeugdichte gut für Car-Sharing, hat die privatwirtschaftliche Solid GmbH gerade in einem Konzeptpapier dargelegt, die sich nach eigenen Angaben auf E-Mobilität fokussiert hat. Für Mend war das Papier die Grundlage, auf der er dem Ausschuss seine Überlegungen und Strategien präsentierte. Aber nicht alle waren gleich elektrisiert von der Idee.
Sieben Kommunen im Landkreis sollen mitmachen
Sieben Kommunen sind zunächst für das Projekt vorgesehen, neben Iphofen sind das etwa Volkach, Schwarzach, Kitzingen, Mainbernheim. Die Stadt Kitzingen habe bereits ihr Interesse signalisiert. Iphofen sieht Mend wegen des Bahnhaltepunktes in einer Art Vorreiterrolle. Dort, am Bahnhof, soll auch der Standort des Fahrzeugs (ein Renault Zoe) sein, das dann online gebucht werden kann. Für den Bürgermeister eine sinnvolle Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehrsnetz, das in Teilen doch sehr löchrig sei. „Wir brauchen neue Mobilitätsmöglichkeiten“, sagte er. Als einzelne Gemeinde sei man aber mit einem Car-Sharing-Konzept überfordert. Deshalb sitzen mehrere Partner im Boot.

Der Nürnberger Stromversorger N-Ergie würde laut Mend große Teile der Organisation übernehmen. Die Kommune müsse für Stellplätze sorgen und wohl auch dafür, dass das Auto bei Bedarf wieder am vereinbarten Standort steht. Weil das bislang keiner so genau weiß und auch andere Fragen offen blieben, reagierten manche Ausschussmitglieder weit weniger euphorisch auf die Idee als Mend. Otto Kolesch sagte, der öffentliche Nahverkehr werde durch Car-Sharing „kannibalisiert“, weil noch mehr Leute aufs Auto umstiegen. „Wir handeln uns einen Haufen Arbeit ein, aber rechnen wird sich das nicht.“ Für den Durchschnittspendler etwa sei das Angebot viel zu teuer. Für eine dreistündige Ausleihe und eine Fahrt von Iphofen nach Volkach gibt das Unternehmen Solid die Kosten mit 31,10 Euro an. Abgerechnet wird dem Modell zufolge nach Ausleihdauer und nach den tatsächlich gefahrenen Kilometern (ab 24 Cent pro Kilometer).
Nicht günstig im Vergleich zu Mietwagenpreisen
Auch Stadtrat Udo Schumann setzte bei den Kosten an. „31 Euro von Iphofen nach Volkach ist nicht günstig, wenn man die gängigen Mietwagenpreise kennt.“ Andere im Ausschuss wie Peggy Knauer oder Hans Brummer standen dem Projekt indes aufgeschlossen gegenüber. „Das spricht auch Einheimische an, die sich das klassische Zweit- oder Drittauto sparen können“, sagte Knauer. Mend rief die Skeptiker dazu auf, es auf einen Versuch ankommen zu lassen, zumal die Kosten für die Stadt mit 3000 bis 4000 Euro im Jahr überschaubar seien. „Wir diskutieren im Landkreis ständig über neue Lösungsansätze für den öffentlichen Nahverkehr. Wir müssen Nischen besetzen, die von den großen Linienbussen nicht angesteuert werden.“ Dem Image Iphofens tue die Sache gut, und ein Beitrag zur Mobilitätswende sei es auch.
Trotz mancher Bedenken und ungeklärter Fragen gaben die Iphöfer grünes Licht für das Projekt, das zunächst auf drei Jahre angelegt sein soll. Zustande kommen werde es aber nur, wenn sich im Landkreis genügend kommunale Partner finden, sagte Mend. Ziel ist ein Start im dritten Quartal 2020. „Es ist ein neuer Versuch im ländlichen Raum.“ Zwölf weitere Ladesäulen sollen im Zuge der Umsetzung landkreisweit hinzukommen. In Iphofen zum Beispiel an der Karl-Knauf-Halle, damit der Staatssekretär demnächst nicht erst wieder suchen muss, wenn er mit dem E-Auto anreist.