Es duftet nach Lavendel, Wildbienen schwirren um die tiefblauen Blüten des Ysop. Auf dem Arkadenfriedhof in Wiesenbronn, einem 1100-Einwohner-Dorf im Landkreis Kitzingen, blühen Blumen, begrüßt sattes Grün die Besucher. Die Gemeinde hat mit Jonas Renk, Koordinator der staatlichen Wildlebensraumberatung für den Bereich Öffentliches Grün an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität entwickelt und umgesetzt. "Mit der richtigen Bepflanzung kann man mit wenig Pflege viel für die biologische Vielfalt tun", sagt Renk.
Den Friedhof als vielfältigen Lebensraum zu erhalten und zu entwickeln und Biodiversität zu fördern – das ist ein neuer Ansatz zur Gestaltung und Entwicklung von Friedhöfen. Umnutzung ist eines der zentralen Themen beim bundesweiten "Tag des Friedhofs" am kommenden Wochenende. Denn Platz gibt es auf den meisten Friedhöfen inzwischen mehr als genug. Der Grund: Die Bestattungskultur befindet sich im Wandel. Immer mehr Menschen verzichten auf ein Erdgrab und entscheiden sich für eine Urnenbestattung oder lassen sich in der Natur in einem Friedwald beerdigen.
Viele Gräber sind nicht mehr belegt
"Viele Angehörige wollen keine Grabpflege mehr oder nicht mal mehr eine Grabstätte, an die sie gebunden sind", sagt Volkhard Warmdt, Bürgermeister von Wiesenbronn. 40 Erdgräber sind auf dem Arkadenfriedhof aktuell frei. Man sieht diesen Leerstand. "Uns geht so auch Geld verloren, und noch dazu müssen wir die leeren Gräber trotzdem pflegen", sagt Warmdt. Zusammen mit dem Wildlebensraumberater Renk hat die Gemeinde ein Mustergrab mit hitzeresistenten Pflanzen angelegt. "Wir wollen zeigen, wie pflegeleicht ein Grab sein kann."
Schon für etwa 70 Euro kann man genügend Stauden oder Kleingehölze für eine umfassende Grabbepflanzung mit Blüte vom Frühjahr bis zum Herbst bekommen. "Das bedarf wenig Pflege und trägt wesentlich zur Biodiversität bei", sagt Renk. Das Mustergrab ist mit trockenheitstoleranten, Nektar und Pollen bildenden Stauden bepflanzt. Dazu kommen offene Bodenstellen, liegendes Totholz, kleine Lesesteinhäufchen oder Wasserschälchen mit Steinchen, die regelmäßig gesäubert und nachgefüllt werden.
"So schaffen wir Lebensräume für Insekten wie (Wild-)Bienen, Solitärwespen und Falter", erklärt der Wildlebensraumberater. Im Laufe des Jahres sollen die Friedhofsmauern mit Clematis, Wildem Wein oder Kletterrosen begrünt werden.
Der gesellschaftliche Wandel bewirkt gravierende Veränderungen auf den Friedhöfen. "Friedhöfe müssen kostendeckend arbeiten. Und in dem Moment, wo man viele Leerflächen hat, steigen natürlich die Kosten pro Grab an", sagt der Bürgermeister. Doch das Beispiel Arkardenfriedhof zeigt, wie sich ein Ort neu erfinden kann und so für die Bevölkerung attraktiv bliebt. Zum Auftakt beim "Tag des Friedhofs" werden Renk und Warmdt vor über 100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, Leiter der Bauhöfe und Friedhofsämter aus Unterfranken referieren.
Auf den Friedhöfen in Würzburg kostet das Familienerdgrab für 20 Jahre rund 1300 Euro, das Urnenfamiliengrab 860 Euro. In Schweinfurt bezahlt man für ein Familiengrab mit Zweierbelegung 990 Euro, für ein Urnengrab 530 Euro. Doch nicht nur die zunehmende, günstigere Urnenbestattung sorgt für steigende Gebühren pro Grab und Leerstand auf Friedhöfen. Längst nicht mehr alle Menschen wollen sich überhaupt auf einem Friedhof beerdigen lassen.
"Das Angebot von Baum- und Rasenbestattungen dürfen die Friedhofsbetreiber keinesfalls privaten Organisationen überlassen", sagt Christine Bender, Fachberaterin für Grünordnung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen, die den "Tag des Friedhofs" in Unterfranken mit organisiert. Baum- und Wiesenbestattungen seien ohne großen Aufwand in nahezu jedem kommunalen oder kirchlichen Friedhof möglich. "Das Angebot von pflegefreien Grabstätten ist die künftige Herausforderung, der sich die Friedhofsverantwortlichen derzeit stellen müssen." Gemeinschaftsgräber seien auch eine kostengünstigere Alternative.
Von einer anonymen Bestattung – die zu den günstigsten Bestattungsarten zählt – rät die Landwirtschaftsrätin ab. Sehr häufig bestehe doch der Wunsch, die Trauer durch eine Bepflanzung, Blumen oder Grablichter auszudrücken. "Sich um ein Grab zu kümmern, gehört zur Trauerbewältigung dazu", sagt Bender. "Unsere Friedhöfe sind besondere Orte. Sie sind nicht nur Begräbnisstätten, sondern Grünflächen und Kulturraum, bieten Ruhe und Raum zum Entspannen, lassen Menschen Hoffnung schöpfen und neuen Mut gewinnen."
Friedhöfe hätten nicht nur durch den alten Baumbestand, "sondern auch durch ihre hohe Strukturvielfalt und die damit verbundene große Bandbreite an Lebensräumen für Tiere und Pflanzen ein sehr hohes Potenzial für die Biodiversität", sagt Renk. Nistkästen, Trockenmauern, Insektenhotels, Vogelnistkästen und Blumenmischungen: "Der Arkardenfriedhof in Wiesenbronn ist ein gutes Beispiel dafür, dass Naturschutz und Biodiversität auf alten Ruhestätten gut zueinander passen", sagt Bender.
Der Friedhof als Erholungsort
Aeternitas, eine Verbraucherinitiative für Bestattungskultur, schätzt, dass in Deutschland grob die Hälfte der Friedhofsflächen nicht mehr für Bestattungen genutzt wird. Doch Städte und Gemeinden haben eine besondere Verantwortung, das Kulturgut Friedhof als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge zu erhalten, sagt Volkhard Warmdt, der Bürgermeister von Wiesenbronn. "Der Friedhof ist für mich auch ein Erholungsort", sagt er. Und die neu geschaffenen Sitzbänke sind – seit es dort grünt und blüht – auch wieder gut belegt.
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/menschen/artenvielfalt-schoepfung-bewahren-konkret-setzt-sich-fuer-mehr-wildwuchs-auf