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Großlangheim
"Ich liebe Dörfer": Wie Lizet Schreiber von Chile nach Großlangheim kam und zur Kunst fand
Ihr Lebensweg führte die 28-jährige Lizet Schreiber bereits an den Anden entlang und zuletzt über den Atlantik. Als Zuhause wählte die Peruanerin Unterfranken – und entdeckte dort eine neue Leidenschaft.
Handstrukturierte Kunst nennt Lizet Schreiber aus Südamerika ihre Technik. In ihrem Haus in Großlangheim hängen und stehen zahlreiche Werke der Künstlerin. 
Foto: Tabea Goppelt | Handstrukturierte Kunst nennt Lizet Schreiber aus Südamerika ihre Technik. In ihrem Haus in Großlangheim hängen und stehen zahlreiche Werke der Künstlerin. 
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:45 Uhr

Lizet Schreiber führt durch ihr Haus in Großlangheim, vorbei an Gemälden über Gemälden, die Treppen hoch bis in ihr Atelier. Die Werke der Künstlerin stehen auf dem Küchenregal, hängen über der Couch und im Bad. Wellenförmig verlaufen die Linien auf ihren Bildern, manche formen vollständige oder halbe Bögen. Bewegung und Ankommen, dieses Gefühl könnte ihre Kunst vermitteln – so wie es auch das Leben der 28-Jährigen geprägt hat. 2020 kommt die gebürtige Peruanerin im Landkreis Kitzingen an, in Großlangheim. Und genau dort entdeckt sie ihre künstlerische Begabung.

Von der südamerikanischen Millionenstadt ins unterfränkische Dorf

Die Vorgeschichte: Schreiber wächst in Peru auf und zieht im Alter von 17 Jahren mit ihrer Familie nach Chile. In der Hauptstadt Santiago de Chile beginnt sie zu studieren. Doch wie kommt es, dass sie jetzt in Großlangheim lebt? "Das ist eine lange Geschichte", sagt Schreiber.

An einem Juliabend im Jahr 2015 passiert es: Durch Zufall sitzt die Peruanerin ganz allein an einem Tisch in einem Restaurant in Santiago de Chile. "Ich habe gerade gegessen und plötzlich taucht Marco auf", sagt Lizet Schreiber. Ihre Blicke treffen sich, kurz darauf spricht Marco Schreiber sie an, auf Englisch. Gleich am nächsten Tag gehen die beiden gemeinsam aus. Denn ihre Restaurantbekanntschaft muss schon eine Woche später wieder zurück in die Heimat. Der Monteur aus Großlangheim ist aus beruflichem Anlass in Chile – ein weiterer Zufall.

Zum ersten Mal in Großlangheim: "Wo bringt er mich hin?"

Das Haus lässt genug Raum für ein Atelier – zumindest derzeit noch. Denn daraus könnte einmal ein Kinderzimmer werden, sagt Lizet Schreiber.
Foto: Tabea Goppelt | Das Haus lässt genug Raum für ein Atelier – zumindest derzeit noch. Denn daraus könnte einmal ein Kinderzimmer werden, sagt Lizet Schreiber.

Von da an beginnt ein stetiges Wechselspiel, viele Reisen von einem Kontinent zum anderen. Für Lizet Schreiber steht fest: Ihr Studium im Zollwesen will sie vor einem möglichen Umzug nach Deutschland beenden. Bei einem Besuch in Chile bittet Marco Schreiber schließlich ihre Eltern um Erlaubnis, dass Lizet ihn in Deutschland besuchen kommen darf.

"Noch nie bin ich so lange gereist. Es war mein erster Flug", sagt die Südamerikanerin rückblickend. Ein mutiger Schritt für die damals 22-Jährige. Die Sorgen ihrer Mutter hat sie im Kopf, als ihr späterer Ehemann sie zum ersten Mal vom Flughafen nach Großlangheim bringt: "Wir fuhren durch Wälder; es waren keine Häuser zu sehen. Ich dachte: Wo bringt er mich hin?", sagt sie heute mit einem Lachen.

Zwischen Heimweh und Freude im neuen Zuhause

Sehr planvoll geht die Peruanerin ihre künstlerischen Vorhaben an. Die Farbmischungen listet sie von Beginn an in einem Notizheft auf. 
Foto: Tabea Goppelt | Sehr planvoll geht die Peruanerin ihre künstlerischen Vorhaben an. Die Farbmischungen listet sie von Beginn an in einem Notizheft auf. 

Jedoch bleibt sie bei diesem Besuch nicht direkt in Deutschland: Fünf Jahre lang dauert die Fernbeziehung insgesamt. 2020 wagt Lizet Schreiber den Schritt nach Großlangheim; wenig später heiraten die beiden. Etwa ein Jahr leben sie nun bereits im eigenen Haus. Die Familie ihres Mannes wohnt etwa zehn Gehminuten entfernt und hat sie sehr liebevoll aufgenommen: "Das ist eine Stütze für mich. Denn für mich ist es sehr schwierig, meine Familie nicht um mich zu haben."

Ein großer Pluspunkt: Ihre Schwägerin hat in Mexiko Spanisch gelernt und kann ab und an bei Übersetzungen helfen. Auf Deutsch kann sich Lizet Schreiber aber auch schon gut unterhalten. Insgesamt hat sie sich gut eingefunden in dem kleinen unterfränkischen Ort. In Chile lebte sie zwar für ein paar Jahre im Zentrum der Großstadt; ihre Kindheit verbrachte sie allerdings in einem Dorf an der Küste Perus. "Ich lebe wirklich gerne hier. Alles ist so ruhig, ich liebe Dörfer", sagt die Künstlerin.

Kreatives schaffen mit Geduld und Genauigkeit 

Mit dem Material für ihre Kunst hat sie lange herumprobiert. Die Spachteln nutzt Schreiber, um verschiedene Muster in eine gipsartige Paste zu ziehen. 
Foto: Tabea Goppelt | Mit dem Material für ihre Kunst hat sie lange herumprobiert. Die Spachteln nutzt Schreiber, um verschiedene Muster in eine gipsartige Paste zu ziehen. 

Noch ist sie auf der Suche nach einer passenden Beschäftigung hier in Deutschland – die Arbeit beim Zoll, für die sie so lange studiert hat, könnte schwierig werden. Sie beginnt also zunächst mit der Aufgabe, das gemeinsame Haus für sich und ihren Mann einzurichten, und sucht dafür nach Dekoration. Kurzerhand entscheidet sie, ihre eigenen Deko-Elemente zu schaffen. Das stellt sich als Herausforderung heraus.

Von Anfang an will die Peruanerin für ihre abstrakte Kunst nicht nur mit Farbe, sondern mit einer strukturgebenden Masse arbeiten. "Ich habe angefangen damit, viele verschiedene Arten von Massen auszuprobieren. Ein Reinfall! Ich habe bestimmt 15 Leinwände weggeworfen", sagt die Perfektionistin. Bis sie endlich die richtige Masse findet.

Ihre Technik nennt die 28-Jährige "handstrukturierte Kunst". Trägt sie die gipsartige Grundlage auf die Leinwandfläche auf, muss es schnell gehen. Mit gerillten Spachteln zieht sie die Linien in die Masse und diese zu Formen zusammen. Präzisionsarbeit; bei diesem Arbeitsschritt bleibt wenig Zeit, missglückte Formen nachzubessern. 

Liebe zum Detail – und vor allem zur Familie

Auch das Küchenregal muss herhalten: Überall im Haus der Peruanerin und des Großlangheimers finden sich die selbstgemachten Werke. 
Foto: Tabea Goppelt | Auch das Küchenregal muss herhalten: Überall im Haus der Peruanerin und des Großlangheimers finden sich die selbstgemachten Werke. 

Die Idee für den Verkauf der Kunst hat letztlich Marco Schreiber. Über Etsy, einen Online-Marktplatz für Handgemachtes, hat Lizet Schreiber die ersten Bilder unter ihrer Marke "Art Theory" schon veräußert. Eine Aufgabe, in die sie viel Zeit und Mühe steckt: "Es ist viel Arbeit. Ich mache Muster, damit die Leute meine Modelle sehen." Dann fertigt sie die Werke auch nach Kundenwünschen an.

Auf dem Weg nach draußen zieht sie – versteckt ganz hinten in einer kleinen Ablage – noch ein kleines Kunstwerk hervor. So sind in fast allen Ecken des Hauses mittlerweile ihre Bilder zu finden. Mit einer Ausnahme: An der Wand am Hauseingang hängt kein einziges Werk von Lizet Schreiber. Die ist für Fotos reserviert, von ihren kleinen Nichten in Chile.

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