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Laub
Der Wohlfühlstall von Bauer Möhler: Welche Rolle Verbraucher und die Lebensmittelriesen spielen
Politik und Gesellschaft fordern mehr Tierwohl in der Landwirtschaft. Eine Familie aus Laub geht beispielhaft voran, aber die Frage bleibt: Schätzt das Schwein den Aufwand?
Den Möhlers ist es wichtig, Tierwohl und Ökonomie zu vereinen. Deshalb wollen sie ihren Stall auf Haltungsstufe vier ausbauen. Im Bild (von links) Magdalena Eschenbacher, Jonas Möhler und Stefan Möhler. 
Foto: Kerstin Hawelka | Den Möhlers ist es wichtig, Tierwohl und Ökonomie zu vereinen. Deshalb wollen sie ihren Stall auf Haltungsstufe vier ausbauen. Im Bild (von links) Magdalena Eschenbacher, Jonas Möhler und Stefan Möhler. 
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 28.05.2024 02:57 Uhr

Das Schwein im Stall nahe der B22 in Laub ist blau. Bald soll es grün sein. Von Haltungsstufe zwei auf Haltungsstufe vier will die Familie Möhler ihren landwirtschaftlichen Betrieb umstellen. Machbar und für sie der richtige Weg, sagen Vater Stefan und Sohn Jonas. "Aber auch ein Risiko", wie die beiden finden.

Am 1. Juli 1994 hat Stefan Möhler den Betrieb von seinen Eltern übernommen. In 30 Jahren, so hat er sich damals vorgenommen, wird er ihn an die nächste Generation weitergeben. In wenigen Wochen wird es tatsächlich so weit sein. In der Landwirtschaft ist das heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Bei Tierhaltern schon gar nicht.

"Ich ziehe den Hut vor ihnen", sagt der 52-Jährige Landwirtschaftsmeister über seinen 24-jährigen Sohn Jonas, der im Oktober seinen Meisterbrief erhält, und dessen Freundin Magdalena Eschenbacher, die Landwirtschaft studiert hat und neben ihrem Vollzeit-Job beim BBV auf dem Hof mit anpackt.

Geht es nach Familie Möhler, können ihre Schweine schon bald durch Pendeltüren aus dem Stall hinaus ins Freie. Der Stall in Laub soll auf Haltungsstufe 4 ausgebaut werden.
Foto: Magdalena Eschenbacher | Geht es nach Familie Möhler, können ihre Schweine schon bald durch Pendeltüren aus dem Stall hinaus ins Freie. Der Stall in Laub soll auf Haltungsstufe 4 ausgebaut werden.

Im Auslauf zwischen Stall und B22 sollen sich die Schweine tummeln

Die Möhlers sind Landwirte im Haupterwerb, betreiben Ackerbau und Schweinemast. Ein Stall mit 700 Tieren steht am Ortsrand von Laub. Ein zweiter kam vor zwölf Jahren im Außenbereich Richtung Eichfeld hinzu, dort sind weitere 1300 Tiere untergebracht. Man glaubte, für die Zukunft gerüstet zu sein. Ein Trugschluss, wie sich herausstellte. Immer wieder gibt es neue Vorschriften, in immer kürzeren Abständen. Bei den Landwirten hinterlässt das Spuren. Stefan Möhler spricht von einem "riesigen Vertrauensbruch".

Heute ist Tierwohl das wesentliche Schlagwort. Der Staat fordert es, der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und die Gesellschaft wollen es. Der Verbraucher besteht darauf, zumindest in der Theorie, an der Metzgertheke nicht unbedingt. Rot, blau, orange, grün – wer kennt schon die Bedeutung der farbigen Kennzeichnung und was sie darüber aussagt, unter welchen Bedingungen das Schwein aufgewachsen ist, das als Steak auf dem Grill endet?

Auf der Freifläche zwischen dem Stall und der B22 soll ein Auslauf für die Schweine entstehen.
Foto: Magdalena Eschenbacher | Auf der Freifläche zwischen dem Stall und der B22 soll ein Auslauf für die Schweine entstehen.

Der Stall in Laub ist in die Jahre gekommen, und damit stellte sich die Frage, wie es weitergehen soll mit der Tierhaltung. Bei Haltungsstufe 2 bleiben, auf die man vor einigen Jahren umgestellt hat? Bereits heute haben die Tiere bei Familie Möhler zehn Prozent mehr Platz. Außerdem wird den Schweinen im Rahmen des Programms Initiative Tierwohl (ITW) zusätzlich zum gesetzlich geforderten Beschäftigungsmaterial organisches und rohfaserreiches Beschäftigungsmaterial angeboten. Im Rahmen der ITW werden jährlich Tränkewasser und Stallklima gecheckt, Schulungen werden besucht.

Oder, so die Überlegung der Möhlers, sollen sie im Zuge der Sanierung auf eine höhere Haltungsstufe wechseln?

"Für uns war klar: Wenn wir zukunftsfähig sein wollen und Ökonomie und Tierwohl vereinen können, dann machen wir das", sagt Jonas Möhler. Ihren Tieren soll es so gut gehen, wie es bei einem Betrieb ihrer Größe eben möglich ist.

Der Betrieb hat im Lebensmittelhandel einen festen Partner

Mit entscheidend beim Abwägen der Risiken war, dass der Betrieb im Lebensmitteleinzelhandel einen festen Partner hat. "Die sind an uns herangetreten, weil sie Frischfleisch der Haltungsstufe 3 wollen", erzählt der junge Landwirt. "Bauernschätze" heißt das Programm von Edeka. Es garantiert dem Verbraucher hochwertig produzierte Fleischwaren aus der Region und die Unterstützung der heimischen Landwirtschaft "durch persönliche und langfristige Zusammenarbeit". Klare Absprachen also, auf die man sich verlassen könne, während vom Staat wenig konkrete Aussagen kämen, wie Stefan Möhler kritisiert.

Wenn schon eine höhere Haltungsstufe, dann wird gleich auf Stufe 4 ausgebaut, entschieden Vater und Sohn im Herbst 2023. Das grüne Premium-Label gibt es nur, wenn die Schweine mindestens 100 Prozent mehr Platz haben als in Haltungsform 1 (Stall) und einen Auslauf ins Freie nutzen können. Auch die baulichen Voraussetzungen für Biohaltung wären damit erfüllt, einziger Unterschied ist das Futter.

Die Nachbarn im Ort hat die Familie eingeladen und über ihr Vorhaben informiert, kaum jemand hatte Bedenken. Die Prichsenstädter Stadträte haben den Bauantrag einstimmig bewilligt. Jetzt ist das Landratsamt am Zug. 

Ein artgerechtes Schweineleben sollen die Tiere auf dem Hof von Familie Möhler vorfinden.
Foto: Magdalena Eschenbacher | Ein artgerechtes Schweineleben sollen die Tiere auf dem Hof von Familie Möhler vorfinden.

500 bis 600 Euro wird der Ausbau pro Platz kosten, schätzt Stefan Möhler, "ohne Förderung". Ohne staatliche Unterstützung sei das derzeit nicht zu stemmen. Fördergelder für Tierwohl-Investitionen können über das Bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft beantragt werden – eigentlich. "Aktuell ist keine Antragstellung möglich, erst wieder ab Ende 2024", teilt das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg (AELF) auf Anfrage mit. Eine andere Möglichkeit ist das Agrarinvestitionsförderprogramm. Laut AELF ist eine 25-prozentige Förderung möglich. Genutzt werden kann nur eines der Programme.

Wie reagieren die Schweine auf die neue Umgebung?

Das finanzielle Risiko des Baus lässt sich ungefähr abschätzen. "Aber auch produktionstechnisch bleibt ein Risiko", erklärt Stefan Möhler. Bislang haben die Schweine mit Freiluft wenig zu tun. "Sie sind die geschlossenen, klimageführten Ställe gewohnt." Wie reagieren sie auf Luft und natürliches Licht, Sonne, Schatten, Regen? Werden die Windnetze so schützen, dass es den Tieren gefällt? Wie werden sich die Gewichtszunahmen entwickeln? Brauchen die Schweine mehr Futter?

Wie viel Mehrarbeit wird durch die neue Haltungsform zu leisten sein, im Stall und am Schreibtisch? Schließlich frisst schon jetzt die Dokumentation allein für die Initiative Tierwohl viel Zeit. Stefan Möhler rechnet damit, dass die Produktionskosten 30 Prozent höher sein werden als bei der bisherigen Haltungsstufe 2.

Jonas Möhler und sein Vater Stefan Möhler haben gemeinsam überlegt, wie sie den Schweinemastbetrieb in eine sichere Zukunft führen können.
Foto: Kerstin Hawelka | Jonas Möhler und sein Vater Stefan Möhler haben gemeinsam überlegt, wie sie den Schweinemastbetrieb in eine sichere Zukunft führen können.

Die Möhlers sind nicht die einzigen Landwirte im Landkreis Kitzingen, die sich derzeit mit Um- oder Neubauten für mehr Tierwohl befassen. Etwa zehn Betriebe seien in der Planungsphase, so das AELF, vor allem Milchkuh- und Mastschweinebetriebe, aber auch Halter von Zuchtsauen und Mastrindern. Wichtig sei, sich frühzeitig mit AELF, Gemeinde, Bauamt und Genehmigungsbehörde in Verbindung zu setzen. Die Vorschriften sind komplex und je nach Standort unterschiedlich. 

Jonas Möhler hat sich für den höchstmöglichen Standard entschieden, um sicher in die Zukunft als Vollerwerbslandwirt starten zu können. "Ich will nicht in 15 Jahren schon wieder umbauen müssen." Aber ob die Vorschriften wirklich langfristig gelten? Es sei davon auszugehen, dass mehr Tierwohl auch weiterhin honoriert werde, schreibt das AELF. "Ob es seitens des Bundes oder der EU in einigen Jahren wieder Änderungen geben wird, können wir leider nicht voraussehen."

 
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