
Juliana Knaub weiß, was sie will. Als Schulbeste des Abschlussjahrgangs 2021 der Realschule Dettelbach wechselte die junge Frau aufs Gymnasium nach Wiesentheid. Dort legte sie diesen Sommer ihr Abitur mit einem Schnitt von 1,1 ab. Als Sahnestückchen bekam die 19-Jährige aus dem Wiesentheider Ortsteil Reupelsdorf nun eine besondere Auszeichnung für ihre Seminararbeit. Im Maximilianeum in München erhielt sie einen mit 750 Euro dotierten "Preis des Bayerischen Clubs zur Förderung der Bayerischen Kultur" verliehen.
Das Thema ihrer in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Arbeit lautete "Das Leben mit den Folgen eines Attentats am Beispiel der Opfer des Oktoberfests von 1980", ein Werk, das nicht nur Wiesentheids Schulleiter Achim Höfle und den begleitenden Lehrer Mario Hess begeisterte. "Es ist außergewöhnlich, dass man von einer Schülerarbeit so mitgenommen wird. Selbst bei der Ehrung hat man gespürt: Es ergreift die Leute", schilderte es der Schulleiter seine Erfahrung. Man müsse schon eine reife Persönlichkeit haben, um so etwas zu schreiben.
Die hat Juliana Knaub anscheinend. Das zeigt der Weg, den sie bisher einschlug. Die 19-Jährige zog von der Realschule ans Gymnasium, weil sie mehr wollte. Sie wiederholte freiwillig die 10. Klasse, um vor allem in Spanisch aufzuholen. "Das war absolut richtig", sagt sie heute darüber, nachdem sie im Sommer ihr Einser-Abiturzeugnis erhielt.
Juliana Knaub hat sich bei der Polizei beworben

Wie es weiter gehen könnte, weiß Knaub auch. Sie hat sich für die bei der Polizei beworben, im Januar steht dazu der erforderliche Sport-Test an. "Ich will eine sinnvolle Tätigkeit machen, ein 08/15-Studium konnte ich mir nicht vorstellen", sagt die zielstrebige junge Frau, die in ihrem Heimatort bei der Feuerwehr tätig ist und als Lieblingssport Fußball betreibt. Vor ihrem Einstellungstest will sie für einige Wochen mit dem Rucksack durch Spanien reisen.
Dieser Tage kehrte die Abiturientin noch einmal an ihre Schule zurück, um einige Dinge abzuholen, darunter ihre ausgezeichnete Arbeit, für die sie mit sechs weiteren Abiturienten aus ganz Bayern von Landtagspräsidentin Ilse Aigner und Kultusministerin Anna Stolz geehrt wurde.
Eine Voraussetzung für den Preis ist der Bezug zu Bayern, nur dann könne man sich überhaupt dafür bewerben, erzählt sie. Im Fach Geschichte wurde in der 11. Klasse das Thema "politische Attentate" behandelt. Knaub wählte das Münchner Attentat für ihre schriftliche Arbeit. "Ich möchte etwas machen, bei dem ich selbst an den Ort fahren kann – 9/11 in New York wäre schwierig. Da ich Verwandte in München habe und ich schon mal an der Gedenkstätte für die Attentatsopfer war, war klar, dass ich das mache."
Umfangreiche Recherchen und persönliche Gespräche mit Attentatsopfern

Los ging es zunächst mit einer umfangreichen Recherche in den Unmengen an Texten, Filmen, Podcasts über den Vorfall. Die Schülerin nahm sich aber auch vor, mit Zeitzeugen und Opfern von damals persönlich zu sprechen. Sie schrieb das Kulturreferat in München an, das ihr tatsächlich nach einiger Zeit Adressen von sieben Personen nannte, die bereit waren, mit ihr zu reden.
Sie bereitete sich mit Tipps von ihrem Lehrer vor und reiste schließlich in den Ferien nach München. "Vor dem ersten Interview war ich schon sehr aufgeregt. Ich wusste ja nicht, wie die Leute reagieren. Sie waren offener, als ich dachte", erzählt Knaub rückblickend.
Mit ihrem ersten Zeitzeugen traf sie sich in einem Café, erinnert sich Knaub. "Wir haben vier Stunden geredet: über das Attentat, das Leben danach, später über alles Mögliche." Von anderen wurde sie sogar in deren Haus eingeladen, um die Geschichte zu erfahren, oft auch sehr persönliche und schwierige Momente. Die Betroffenen seien dankbar gewesen, dass sich gerade ein junger Mensch, wie die 19-jährige Schülerin, so sehr für sie interessiere.
Besondere Ehre: Einladung zur Gedenkfeier für die Attentatsopfer

Die vielen Eindrücke und Aufnahmen schließlich in ihrer 31-seitigen Arbeit zu verwerten, sei nicht einfach gewesen, sagt Knaub im Nachgang. Es ist ihr wohl gut gelungen, zudem hat das Thema bei der jungen Frau selbst großen Eindruck hinterlassen.
Vieles aus den Geschichten ihrer Befragten habe sie sehr nachdenklich gemacht, gibt sie zu. "Ich habe eine ganz andere Perspektive auf das Leben, wie kostbar es ist. Die Betroffenen waren damals alle etwa so alt wie ich jetzt bin, sie waren unschuldig und hatten nicht damit gerechnet."
Worüber sich Knaub besonders freute, war eine Einladung zu der offiziellen Gedenkfeier vor Ort am 26. September, die sie vom Kulturreferat in München bekam. Zu dieser durften neben den damaligen Zeitzeugen und Hinterbliebenen nur geladene Gäste kommen. "Ich habe dort auch einige wieder getroffen, mit denen ich mich unterhalten habe", sagt Knaub.
Am Denkmal des Attentats legte die junge Frau eine Blume ab. Und Knaub hat sich noch etwas vorgenommen: Sie will ihren Interviewpartnern jeweils noch ein persönliches Dankeschön schreiben.