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WÜRZBURG
Ermittler zu Wiesn-Attentat in der Kritik
Wiesn-Attentat: Anwalt fordert Ablösung von Soko-Leiter       -  Beim Wiesn-Attentat starben 1980 in München zwölf Menschen, 200 wurden teils schwer verletzt. Jetzt fordert der Opferanwalt Werner Dietrich nach der Wiederaufnahme des Verfahrens, dass der Chefermittler abgelöst wird.
Foto: ArchivFrank Leonhardt, dpa | Beim Wiesn-Attentat starben 1980 in München zwölf Menschen, 200 wurden teils schwer verletzt. Jetzt fordert der Opferanwalt Werner Dietrich nach der Wiederaufnahme des Verfahrens, dass der Chefermittler abgelöst wird.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 18.12.2016 03:29 Uhr

Der Prozess gegen einen kleinen Drogenhändler in Würzburg schlägt Wellen in der großen Politik: Wegen dieses Falls fordert ein Anwalt jetzt die Ablösung des Soko-Leiters der brisanten neuen Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat.

Der frühere Spitzel beschuldigte in Würzburg sechs Beamte des bayerischen Landeskriminalamts (LKA), sie hätten seine Straftaten geduldet und gefördert, um ihn glaubhaft im kriminellen Rockermilieu zu etablieren. Beschuldigt wird auch Kriminaldirektor Mario H., zuletzt Leiter der Abteilung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität beim LKA. Er hatte in Würzburg im Zeugenstand und gegenüber dieser Redaktion alle Beschuldigungen seines einst erfolgreichen V-Mannes zurückgewiesen.

Fragwürdige Vorgänge im LKA

Das LKA vermutet Rache-Gedanken hinter seinen Beschuldigungen. Denn die Behörde hatte die Zusammenarbeit beendet, als durch hartnäckige Ermittlungen Würzburger Drogenfahnder 2011 herauskam, dass der Spitzel – völlig unabhängig von seiner LKA-Mitarbeit – seiner Tochter in Tschechien Drogen besorgt hatte, damit sie die in Kitzingen weiterverkaufen konnte.

Dennoch waren die Erzählungen des V-Mannes im Prozess in Würzburg und auch gegenüber dieser Redaktion vor zwei Jahren Anlass für interne Ermittlungen gegen den hochrangigen Beamten und fünf weitere Ermittler durch die Nürnberger Polizei. Die förderten durchaus Indizien für fragwürdige Vorgänge bei der Führung des V-Mannes zutage – die bei der Arbeit mit Spitzeln aus dem kriminellen Milieu immer wieder auftauchen.

Ob die LKA-Ermittler für den eigenen Erfolg in anderen Bereichen eineinhalb Augen zugedrückt und sich strafbar gemacht haben, wird aber noch geprüft. Die Staatsanwaltschaft hatte dieser Redaktion kürzlich signalisiert, die Ermittlungen stünden kurz vor dem Abschluss.

Das Innenministerium scheint dennoch das Vertrauen in den Spitzenbeamten nicht verloren zu haben. Ungeachtet der seit 2012 bekannten – teils abenteuerlich klingenden – Erzählungen des in Würzburg verurteilten Drogenhändlers wurde der LKA-Beamte Mario H. vor zwei Jahren mit der Aufklärung eines der brisantesten Fälle der jüngeren Kriminalgeschichte in Bayern beauftragt: dem blutigen Anschlag auf das Oktoberfest 1980.

Bei dem Anschlag am 26. September 1980 hatte eine Bombe mit 1,39 Kilogramm TNT am Haupteingang zum Oktoberfest zwölf Wiesn-Besucher in den Tod gerissen und mehr als 200 verletzt. Auch der rechtsradikale Bombenleger Gundolf Köhler starb. Angehörige, Opfervertreter, aber auch Politiker verschiedener Parteien hatten stets bezweifelt, dass er ein Einzeltäter war und die Tat aus rein privaten Motiven beging.

Stilles Eingeständnis

Mehr als drei Jahrzehnte hatte Anwalt Werner Dietrich, der 15 Opfer von damals vertritt, mit dem Journalisten Ulrich Chaussy für neue Ermittlungen gekämpft. Auf einen Wiederaufnahmeantrag hin hatte die Bundesanwaltschaft am 11. Dezember 2014 Ermittlungen neu gestartet.

Die Wiederaufnahme war auch ein stilles Eingeständnis – dass bei den ersten Ermittlungen zum Wiesn-Attentat vor gut 30 Jahren nicht alles gut gelaufen ist. Doch die neuen Ermittlungen fördern seit zwei Jahren nicht viel Neues zutage.

Nun hat Generalbundesanwalt Peter Frank von dem Opfer-Anwalt einen Brandbrief erhalten, der nicht nur die Ablösung des Chefermittlers fordert. Er will auch, dass ein anderes LKA mit der Nachsuche betraut wird. Er traut den Münchner Ermittlern offenbar nicht zu, die frühere Arbeit eigener Kollegen kritisch unter die Lupe zu nehmen, ob es Mauscheleien und Vertuschungen gab. Denn es war ausgerechnet das LKA in München gewesen, das 1981 in seiner Einstellungsverfügung Gundolf Köhler als Einzeltäter gesehen hatte. Anwalt Dietrich hat deshalb bereits mehrfach kritisiert, dass nun dieselbe Behörde wieder mit der Aufklärung betraut ist. „Jetzt kommt bei Mandanten die Befürchtung auf, ob die Ermittlungen objektiv und vorurteilsfrei geführt werden können, wenn der Leiter der Soko, der ja die Stimmung, die Atmosphäre und die konkreten Ermittlungsschritte bestimmt, in dieser Weise vorbelastet ist.“

Auch dabei geht es um den Verdacht der Mauschelei und den Umgang mit V-Leuten: Asservate wurden vernichtet oder verschwanden. Ein rechtsradikaler Waffensammler, der Sprengstoff geliefert haben könnte, wurde einen Tag vor seiner Vernehmung erhängt in seiner Zelle gefunden. Unter Verweis auf die Geheimhaltung verweigert die Bundesregierung die Antwort auf die Frage nach dem Einsatz von V-Männern.

Entbindung von Aufgaben

Als diese Verwicklung des LKA-Mitarbeiters in den Würzburger Fall vor einem Monat bekannt wurde, hatten SPD und Grüne im Landtag gefordert, ihn für die Dauer der Ermittlungen zumindest von leitenden Aufgaben zu entbinden.

Bei einem Auftritt vor 450 Zuhörern in seiner Heimat im Taubertal gab Generalbundesanwalt Frank vor 450 Zuhörern am Donnerstagabend zwar Einblicke in viele Aspekte seiner Arbeit. Der Brief des Anwalts spielte dabei aber keine Rolle. Sein Vorgänger Gerhard Range hatte das Attentat als „den verheerendsten Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik“ bewertet.

Franks Sprecherin sagt allerdings: „Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass Ermittlungen nicht sachgerecht geführt werden.“ Zumal die Karlsruher Behörde nur ein LKA mit Ermittlungen beauftragen könne, nicht einzelne Personen. Foto: dpa

Wiesn-Attentat: Anwalt fordert Ablösung von Soko-Leiter       -  Werner Dietrich
Foto: B4700/_Handout/Privat (Privat) | Werner Dietrich
 
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    Zu sehr ist das bayrische LKA über Jahrzehnte mit der Politik verfilzt, als dass es mit der gebotenen Sorgfalt, Tiefe und Unabhängigkeit aufklären könnte. Das ist nicht nur im Fall Oktoberfest so, sondern auch im V-Mann Skandal von Würzburg.
    Die skandalösen Vorfälle bei den Ermittlungen des Oktoberfestattentat hat ein Journalist des BR aufgedeckt, die hanebüchenden Vorgänge in der Würzburger V-Mann Affäre der hartnäckige Anwalt Alexander Schmidtgall und ein Journalist des Nordbayrischen Kuriers. In beiden Fällen gibt es deutliche Hinweise einer Verstrickung bayrischer Politikgrössen. Da die Richter auch in Bayern nicht wirklich unabhängig sind (Staatsanwälte wechseln auf Richterposten und umgekehrt) und weisungsgebundene Staatsanwälte erst Anklage erheben können,bleibt abzuwarten ob gegen den schon länger suspendierten Wiesenbronner James Bond vom LKA und Eheman der letzten unterfränkischen CSU EUParlamentkandidatin Barbara B. und gegen seine 5 Kollegen überhaupt Anklage erhoben wird.
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