Es ist ein heißes Thema: Entsteht in Wiesentheid ein weiteres Nahwärmenetz? Eine private Initiative von Bürgern im Süden der Marktgemeinde, in den Wohnsiedlungen 18-Äcker und Alte Abtswinder Straße, hat die Sache gerade befeuert und ins Rollen gebracht. Viele der Hausbesitzer dort zeigten sich bei einer entsprechenden Umfrage der Kommune sowie bei einem ersten Treffen vor Ort brennend interessiert.
Ein kurzerhand per Flugblatt anberaumtes Treffen im Mai bewies wieder einmal, dass das Thema vielen Menschen unter den Nägeln brennt. Mehr als 60 Bürgerinnen und Bürger kamen zusammen, um sich über das Heizen der Zukunft in ihrem unmittelbaren Umfeld zu informieren. Mit dabei war auch Paul Graf von Schönborn, dessen Haus in unmittelbarer Nähe der Wohngebiete ein Sägewerk betreibt. Dieses könnte nicht nur das erforderliche Holz liefern. Auf dem Grundstück wäre auch Platz für den Bau der Heizzentrale.
Es wäre die zweite Anlage ihrer Art, nachdem der Markt Wiesentheid gemeinsam mit der Überlandzentrale Lülsfeld (ÜZ) im Jahr 2011 ein Netz mit Biogas, Holz und Öl in Betrieb genommen hat. Als "Wärmeversorgung Wiesentheid GmbH" läuft dieses Modell seither erfolgreich. Damit werden das Gymnasium sowie rund 80 Privathäuser in der dortigen Wohnsiedlung beheizt.
Die zentrale Frage ist: Was geschieht mit der alten Heizung?
Das weitere mögliche Projekt im Süden des Marktes könnte jetzt nach ähnlichem Prinzip laufen. Angeschoben haben es Niklas Kapp und Michael Lorey, zwei Nachbarn aus dem dortigen Wiesenweg. Sie stellten dieser Tage ihre Gedanken und die ersten Schritte vor. Kapps Familie bewohnt in der Gegend mehrere Häuser, der benachbarte Lorey führt gegenüber seines Anwesens eine Pension. "Bei uns ist der Gedanke entstanden, nachdem ich mich gefragt habe: Was mache ich mit meiner alten Heizung?", erzählt Lorey.
Warum nicht auf Hackschnitzel umstellen, kam ihm die Idee. Genug Platz für die notwendigen Vorkehrungen habe er auf dem Grundstück. Zusätzlich fragte er bei seinen Nachbarn, ob auch bei ihnen Interesse an dem Vorhaben bestehe. Immer mehr Anwohner, die von der Sache hörten, kamen auf Unternehmer Lorey zu.
Für ihn und seinen Mitstreiter tauchte irgendwann die Frage auf: Wieso nicht größer denken, gerade in der heutigen Zeit? Immerhin ist das Thema Heizen zum zentralen Punkt im Klimaschutzkonzept der Bundesregierung geworden. Angesichts der Dimension des Projekts solle die Kommune mit ins Boot, schlug Loreys Nachbar Niklas Kapp vor, der selbst Mitglied des Wiesentheider Gemeinderats ist. Mit dem Sägewerk in direkter Nähe schlage man zwei Fliegen mit einer Klappe.
Bürgermeister Klaus Köhler ist dem Ganzen gegenüber aufgeschlossen. "Ich sehe das Projekt positiv, die Rückmeldung der Anwohner war recht gut." Die Kommune habe bei 290 Personen angefragt, davon hätten 152 generelles Interesse an der Nahwärme bekundet. Köhler verwies auf die Überlandzentrale Lülsfeld (ÜZ), deren Meinung als Energieunternehmen ausschlaggebend sei, ob man das Thema weiter verfolge.
Fachmann Alexander Wolf von der ÜZ stellte dazu Näheres dar. Die Wärme im bestehenden Netz werde zu 51 Prozent aus Hackschnitzeln, zu 48 Prozent aus Biogas-Abwärme sowie zu einem Prozent aus Heizöl erzeugt. Die angeschlossenen Häuser zahlten teils weniger als sechs Cent pro Kilowattstunde. "Sie konnten die Preisbremse gar nicht in Anspruch nehmen", sagt Wolf. Das neue Vorhaben könnte wieder über die Wärmeversorgung GmbH laufen, so der Experte für Wärme und Energieberatung.
Die Lösung könnte eine größere Wärmepumpe und Hackschnitzel sein
Im Bereich der Alten Abtswinder Straße würde das dort gelegene Schönbornsche Sägewerk "eine sehr gute Synergie ergeben". Weil dort kein Biogas zur Verfügung steht, kann sich Wolf neben Hackschnitzeln eine Lösung mit einer größeren Wärmepumpe vorstellen. Das wäre gerade in der Zeit von Mai bis September ideal, im Herbst und Winter würde man mit Hackschnitzeln heizen. Dazu käme noch "minimal Gas".
Ideal wäre außerdem, so Wolf, das Ganze mit einer möglichst in der Nähe befindlichen Freiflächen-Photovoltaikanlage zu kombinieren. Diese dürfe nicht zu weit entfernt sein und müsse seiner Schätzung nach mindestens 300 Quadratmeter groß sein. "Am besten wäre eine Direktleitung – wegen der Kosten", sagt er.
Das Interesse bei den Bürgern abzufragen sei der erste Schritt gewesen. Für eine Machbarkeitsstudie müsse man nun bei den Verbrauchern ermitteln, wie hoch aktuell ihr Energiebedarf an Öl oder Gas sei. Auf dieser Basis lasse sich dann das Projekt berechnen. Die entscheidende Frage sei natürlich, welche Kosten auf die Hausbesitzer zukämen. Außerdem, so Wolf, müsse man die Entwicklungen in der Energiepolitik in Deutschland im Blick behalten.
Generell gibt der Fachmann dem Wiesentheider Vorhaben gute Chancen, dass es umgesetzt werde. Wolf hat schon einen Zeitplan im Kopf, nach dem man "vielleicht schon 2024 oder 2025" im anvisierten Bereich mit Nahwärme heizen könnte. Als nächstes schwebt ihm für September oder Oktober eine Infoveranstaltung in Wiesentheid. Das wäre auch im Sinne von Michael Lorey und Niklas Kapp. Sie möchten "so schnell wie möglich eine Entscheidung", ob es mit ihrem angedachten Projekt klappt.