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Buchbrunn
Großeinsatz der Polizei in Buchbrunn: Warum die Redaktion erst eine Woche später von dem Fall berichtet
Schwer bewaffnete Polizisten, Blaulicht überall: Stundenlang steckte Buchbrunn an Gründonnerstag im Ausnahmezustand. Aber zu lesen war an dieser Stelle lange nichts. Warum nun doch?
Weiträumig abgesperrt (hier ein Symbolbild) war an Gründonnerstag der Tatort in der Buchbrunner Siedlung. Dort hatte ein Mann gedroht, sich und anderen etwas anzutun.
Foto: David Inderlied, dpa | Weiträumig abgesperrt (hier ein Symbolbild) war an Gründonnerstag der Tatort in der Buchbrunner Siedlung. Dort hatte ein Mann gedroht, sich und anderen etwas anzutun.
Eike Lenz
 |  aktualisiert: 18.04.2023 02:37 Uhr

Der Anruf, der die vorösterliche Stille im Hause Queck zerreißt, kommt an Gründonnerstag gegen 14 Uhr. Als Hermann Queck den Hörer abnimmt, haben die Dinge draußen schon ihren Lauf genommen. Schwer bewaffnete Polizisten in Schutzwesten, das kleine Buchbrunn in Blaulicht getaucht und weitgehend abgeriegelt – Queck erfährt von all dem an diesem Nachmittag am Telefon. Die Polizei wird später von einem Mann in einer "psychischen Ausnahmesituation" berichten. Ein Mann, der sich in seinem Haus verschanzt hat und nun damit droht, sich und anderen etwas anzutun.

Für Queck beginnt in diesem Moment eine Situation, die "man fast schon wöchentlich im Fernsehen sieht und denkt: Hoffentlich passiert hier nichts." Ein Dorf im Ausnahmezustand. Ein Bürgermeister, dessen Ort von Gewalt heimgesucht wird. Jetzt ist er dieser Bürgermeister.

Sechs Tage nach dem Vorfall erhält Queck erneut einen Anruf: Diese Redaktion möchte mit ihm über das Geschehen von Gründonnerstag sprechen. Queck sagt nicht sofort zu, sondern bittet um zwei Stunden Bedenkzeit. Dann ist er bereit, seine Geschichte zu erzählen – um die Dinge ins richtige Licht zu rücken und um all den Spekulationen und Gerüchten entgegenzutreten, die noch während des laufenden Einsatzes in den sozialen Netzwerken gestreut wurden.

Mit der Berichterstattung will die Redaktion Gerüchte entkräften

Auch diese Redaktion hat lange gezögert, bis sie den Fall aufgegriffen hat. Sie stand noch während des Einsatzes in Kontakt mit der Polizei – und entschied sich nach aktueller Sachlage gegen eine Veröffentlichung. Sind Suizidabsichten im Spiel, verzichtet sie in aller Regel auf eine Berichterstattung; zu groß ist die Gefahr, dass die Tat Nachahmer findet. Doch nach all den Mutmaßungen, Halbwahrheiten und wegen des "öffentlichkeitswirksamen Einsatzes", so die Polizei, entschließt sie sich doch, die Sache aufzuarbeiten – nüchtern und ohne sensationsheischende Ausschmückungen. Die Alternative hieße, die Berichterstattung Leuten zu überlassen, die zu Hause vor ihrem Computer versuchen, Gerüchte zu Nachrichten zu machen.

Queck begibt sich kurz nach dem Anruf an Gründonnerstag zum Lagezentrum, das weiter unten am Ortseingang von Mainstockheim eingerichtet ist. Dort stehen auch Feuerwehr und Rettungsdienst für den Ernstfall parat – sichtbar für jeden, der die vielbefahrene Route entlangkommt. Was im Ort geschieht, bekommt Queck nur aus der Ferne mit. Dem Kitzinger Polizeidirektor Jochen Dietrich steht er im Lagezentrum mit Hinweisen zur Seite, er selbst erhält nur spärliche Informationen.

"Man steht da, horcht, und es geht einem alles Mögliche durch den Kopf."
Hermann Queck, Bürgermeister in Buchbrunn

Was er weiß: Ein Mann, den Queck kennt, verschanzt sich in einem Mehrfamilienhaus in der Buchbrunner Siedlung, hält dort offenbar mindestens eine Person als Geisel und droht mit einer Eskalation. Das Polizeipräsidium Unterfranken spricht später in einer nüchternen Mitteilung von "suizidalen, teils auch fremdgefährlichen Gedanken". Das kann nur bedeuten, dass der Mann offenbar zu allem entschlossen war. Den Wortlaut und den Hintergrund der Drohung erfährt Queck nach eigenen Angaben nicht. Die Polizei gibt dazu keine Erklärung ab.

Die Polizei ist mittlerweile mit einem Großaufgebot und einem Spezialkommando vor Ort, darunter auch "besonders geschulte" Kräfte, wie es in der Mitteilung heißt. Diese stehen in Kontakt mit dem Mann, der um die 40 ist und seit dem Tod des Vaters vor einigen Jahren mit der Mutter in dem Mehrfamilienhaus wohnte. Queck kennt ihn noch als Schulbub. Auffällig geworden ist er im Dorf angeblich nicht. Für Queck kam die Tat von Gründonnerstag "aus heiterem Himmel". Aus anderen Quellen heißt es, der Mann sei ein Sonderling.

So viel Blaulicht war noch nie in Buchbrunn. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an, ein Mann wurde schließlich in seinem Haus überwältigt.
Foto: Lino Mirgeler, dpa | So viel Blaulicht war noch nie in Buchbrunn. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an, ein Mann wurde schließlich in seinem Haus überwältigt.

Queck erlebt den Tag wie ein "Auf und Ab der Gefühle". Der Tatort ist weiträumig abgeriegelt. Anwohner, die von der Arbeit kommen, werden ersucht, bei Bekannten unterzukommen, solange der Einsatz läuft. Die Gemeinde stellt das Feuerwehrhaus zur Verfügung – das Angebot nehmen laut Queck aber nur zwei Personen an. Dass Gebäude in unmittelbarer Nähe des Tatorts evakuiert worden seien, wie es in sozialen Netzwerken hieß, kann Queck nicht bestätigen. Nachbarn seien vielmehr aufgefordert worden, ihre Häuser nicht zu verlassen.

Was droben im Dorf vor sich geht, muss sich der Bürgermeister von seinem Standort aus selbst zusammenreimen – an den Reaktionen der Einsatzkräfte, deren "Gestik und Mimik". Er sagt: "Man steht da, horcht, und es geht einem alles Mögliche durch den Kopf."

Der Mann wird überwältigt und landet im Bezirkskrankenhaus

Man habe gemerkt, wie angespannt die Polizisten gewesen seien, sagt Queck. Zugleich lobt er deren Abgeklärtheit und Professionalität. "Man kann nur den Hut davor ziehen, wie ruhig und sachlich das alles abgelaufen ist." Gegen 19 Uhr spürt Queck im Lagezentrum, wie Bewegung in die Sache kommt. Um 20.08 Uhr schickt das Polizeipräsidium eine siebenzeilige Pressemitteilung, in der steht: "Letztlich musste der Mann in seinem Wohnhaus in Gewahrsam genommen werden." Und: Der "Betroffene" werde in einem Bezirkskrankenhaus untergebracht. Aus Rücksicht auf die Familie will Queck keine Einzelheiten nennen. Er selbst sitzt an diesem Abend noch bis gegen 21 Uhr mit Kräften der Feuerwehr zusammen.

Als er in den folgenden Tagen mit Buchbrunnerinnen und Buchbrunnern spricht, stellt er "überrascht" fest, dass die Sache in dem 1180-Seelen-Dorf gar nicht groß dramatisiert wird. Ihn selbst lässt das Thema nicht so schnell los. Fragt man ihn, den 64-Jährigen, ob er sich an einen ähnlichen Fall erinnern könne, sagt er: "Nein, so etwas haben wir hier noch nie gehabt." Queck weiß jetzt, wie sich Bürgermeister fühlen, über deren Ort ein solches Ereignis hereinbricht. Er hätte gerne auf die Erfahrung verzichtet.

In der Regel berichtet diese Redaktion nicht über (versuchte) Selbsttötungen, außer die Umstände erlangen besondere Bedeutung in der Öffentlichkeit. Wenn Sie Gedanken quälen, sich selbst das Leben zu nehmen, dann kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

 
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  • M. S.
    Ich kann die meisten Kommentare hier nicht nachvollziehen! Was wird erwartet? Das die Berichterstattung hier sensibel sein muss ist doch nachvollziehbar. Gerade in einem Dorf werden aus Mücken, Elefanten gemacht, falsche Sachen verbreitet usw. Schon allein daher ist der Bericht gut auch wenn er nicht in Details geht.

    Gaffer werden allerorten kritisiert. Hier hingegen scheinen manche Leser genau das zu erwarten - eine Berichterstattung die persönlich wird und bis ins Detail geht, am besten mit Name, Foto und Adresse der Betroffenen.

    Jeder mit etwas Verstand kann sich doch stillschweigend denken warum hier grunsätzlich die Polizei vor Ort gewesen ist. Da braucht es dann keine weiteren Informationen. Leider gibt es Mitmenschen denen das nicht genügt, nämlich jene die ihre eigene Phanatsie unter den Mitbürgern streuen.

    Vielleicht wäre die "Zeitung" mit den vier Großbuchstaben ein geeigneteres Medium für einige Leser.
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  • S. T.
    Wie schon gesagt…eher eine Erlebniserzählung „dieser Redaktion“. Wenn ich den Ausdruck immer lese „schäm ich mich fremd“!
    Die Erzählung erwähnt, dass es im Ort nicht groß dramatisiert wird. Dafür dann aber schön ausgeschmückt in der MP. Wär eher was fürs „Föhjetong“😝 am Sonntag in der SZ…
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  • P. W.
    Der vorliegende Text ist eine Reportage und kein Bericht.
    Tipp an die Redaktion: dies einfach miterwähnen, dann können die immergleichen hier auftrumpfenden Wissensakrobatiker während der Lektüre noch etwas dazulernen.
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  • S. T.
    Wie schon gesagt…eher eine Erlebniserzählung „dieser Redaktion“. Wenn ich den Ausdruck immer lese „schäm ich mich fremd“!
    Die Erzählung erwähnt, dass es im Ort nicht groß dramatisiert wird. Dafür dann aber schön ausgeschmückt in der MP. Wär eher was fürs „Föhjetong“😝 am Sonntag in der SZ…
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  • R. B.
    Sehr geehrter Herr Lenz, Ihr Artikel und vor allem die Art und Weise Ihres Stils erinnern mich an die Grundschulzeit, als wir im Deutschunterricht nach den Ferien einen Erlebnisaufsatz über das Erlebte schreiben mussten. Wenn dies die neue Art von Berichterstattung sein soll, bitte nicht.
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  • C. B.
    Nicht über solche Geschichten zu berichten, gleicht meines Erachtens einer Zensur der Presse. Getreu dem Motto, wir berichten nur das, was wir wollen.
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  • L. F.
    Was anderes macht die Main-Post in den letzten Jahren ja schon nicht mehr.
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  • G. W.
    Man berichtet also nicht, so sagts die Tageszeitung, fühlt sich aber nichtsdestotrotz dazu motiviert, die Befindlichkeiten eines Bürgermeisters in aller Dramatik darzustellen.
    Sowas will ich nicht verstehen.
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  • E. K.
    Ein wirklich sehr nebulöser Artikel, der mehr Fragen aufwirft, als beantwortet.
    Im Grunde genommen wissen wir Leser lediglich, wie sich der Buchbrunner Bürgermeister gefühlt hat ..
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  • E. S.
    Wie recht sie haben.
    Ein völlig unnötiger Bericht.
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  • H. S.
    Also ich lese mehr aus dem Artikel als nur die Gefühlslage des Bürgermeisters. Nebulös finde ich an diesem Artikel nichts.
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  • B. F.
    wäre wohl besser diesen Roman, gar nicht zu drucken !!
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  • M. S.
    Ein, meiner Meinung nach sehr gut geschriebener sachlicher Bericht. Am Ende kommt aber doch ein "Klopper"

    Zitat: "In der Regel berichtet diese Redaktion nicht über Selbsttötungen, außer die Umstände erlangen besondere Bedeutung in der Öffentlichkeit..."

    Im Bericht will man doch Gerüchte zurechtrücken. Und nun liest es sich am Ende so als hätte sich jemand umgebracht. Im Bericht ist davon nicht die Rede! Der Satz passt nicht zum Bericht und zur Sache.
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