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KITZINGEN/WÜRZBURG
Gericht schockiert über Brutalität: 15-Jährigen mit Stein verprügelt
Asylbewerberheim in Bayern wird geräumt       -  Polizisten geleiten am 27.07.2015 Asylbewerber aus einer Asylbewerberunterkunft in Mainstockheim (Bayern). Das Haus wurde nach Streitigkeiten mit Anwohnern teilweise geräumt.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Polizisten geleiten am 27.07.2015 Asylbewerber aus einer Asylbewerberunterkunft in Mainstockheim (Bayern). Das Haus wurde nach Streitigkeiten mit Anwohnern teilweise geräumt.
Franz Barthel
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:43 Uhr

Nur zufällig ist ein 15 Jahre alter Schüler an einem Nachmittag im Juli 2015 an der Nordbrücke in Kitzingen zwischen eine Gruppe junger Deutsch-Türken und Asylbewerber aus einer Unterkunft in Mainstockheim geraten. Diese Begegnung hätte der 15-jährige Deutsche mit türkischen Wurzeln fast nicht überlebt.

Wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilte das Jugendschöffengericht in Würzburg jetzt einen 23 Jahre alten Albaner zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Dabei wurde ein Urteil vom März dieses Jahres wegen räuberischen Diebstahls mit einbezogen.

Besondere Brutalität

Gefährliche Körperverletzung ist für das Jugendschöffengericht an sich nichts ungewöhnliches, ob dieser Brutalität aber dennoch ein besonderer Fall. Es sei reiner Zufall gewesen, so der Vorsitzende Richter Bernd Krieger, dass dem Opfer nicht noch mehr passiert sei. Statt der massiven Platzwunde am Kopf hätte er durchaus auch einen Schädelbasisbruch erleiden können. Dann würde die Anklage nun auf versuchten Totschlag lauten.

Der 15-Jährige sei, so die Staatsanwältin, „unglücklich in die Geschichte hineingeraten“, in eine Auseinandersetzung junger Kitzinger, überwiegend türkischstämmig, mit zwei Asylbewerbern. Er lag schon am Boden, als sich vier Männer aus der Mainstockheimer Unterkunft auf ihn stürzten. Alle anderen waren bereits geflüchtet. Sie traktierten ihn mit Fäusten, Fußtritten und Stöcken, schlugen mit einem faustgroßen Zierstein mehrfach auf seinen Kopf ein und stachen mit einem Messer in sein Bein.

Selbst Monate nach der Tat – und voraussichtlich noch auf unbestimmte Zeit – kann der Schüler wegen einer Muskel- und Nervenlähmung durch den Messerstich nur mit einer Schiene am Bein laufen. Bedingt durch die Kopfverletzung leidet er fast regelmäßig unter Kopfschmerzen, am Rücken sind Narben zurückgeblieben.

„Das liegt nicht an der Justiz, sondern allein an Ihnen.“
Richter zum Angeklagten, der seine Familie nicht sieht

Noch immer verspürt er ein schmerzhaftes Druckgefühl im Brustkorb aufgrund der Prellungen. Das Schlimmste für den Schüler aber sind die psychischen Folgen. Er traut sich immer noch nicht allein vor die Haustür, lässt sich von der Mutter zur Schule fahren und wieder abholen. Alpträume quälen ihn in der Nacht und er zuckt zusammen, wenn ihm einer begegnet, der so ähnlich aussieht wie der Angeklagte. Dieser hatte ihm damals gedroht, ihn zu töten. Als er am Boden lag, sagte er: „I'll kill you.“

Schon in den Tagen vorher war es zu mehreren Polizeieinsätzen in Mainstockheim und Kitzingen gekommen.

Ein Autofahrer wird auf die Situation aufmerksam, will dem 15-Jährigen helfen, hat aber Angst auszusteigen, weil er zwei kleine Kinder bei sich hat. In seiner „Hilflosigkeit“ habe er den Rückwärtsgang eingelegt und sei mit hoher Geschwindigkeit und ständig hupend auf die Schläger zugefahren, die tatsächlich zur Seite sprangen. In dem Moment sei bereits der erste Streifenwagen der Polizei eingetroffen. Schlägereien habe er gelegentlich mal bei Volksfesten erlebt, so der Zeuge vor Gericht, aber nie zuvor eine solche Brutalität erlebt und so viel Hass in einem Gesicht gesehen.

Anwohner bekam es mit der Angst zu tun

Mit der Angst bekam es auch ein Anwohner, der mit ansehen musste, wie mehrere Steine auf den Schüler geworfen wurden und ein Kumpel des Angeklagten einen Besen aus dessen Hof nahm, um ihn wie einen Speer als Waffe zu nutzen. Er bat schließlich seine Frau, die Polizei zu verständigen.

„Es macht mich ein bisschen ratlos“, wandte sich der Vorsitzende Richter an den Angeklagten, „da ich Ihre Motivation nach Deutschland zu kommen, nicht nachvollziehen kann.“ Nach einem Jahr hier, in dem Land, in dem er künftig leben wollte, spreche er nahezu noch kein Wort Deutsch, habe aber schon intensiven Kontakt mit der deutschen Justiz.

Deutliche Worte fand Krieger denn auch auf den Antrag des Angeklagten auf eine milde Strafe, da dieser seine Familie wegen der Untersuchungshaft schon so lange nicht mehr sehen konnte: „Das liegt nicht an der Justiz, sondern allein an Ihnen.“ Gegen den 23-Jährigen wurde vor dem Jugendschöffengericht verhandelt, weil das Opfer Jugendlicher ist.

 
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  • A. B.
    dass Abschiebung konsequent mit lebenslangen Einreiseverbot durchgeführt werden muss. Die Haftstrafe sollte abgesessen werden. Davon völlig unberührt ist die Berechtigung von asylsuchenden Menschen in unser Land zu kommen.
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  • H. S.
    mit lebenslangem Einreiseverbot wäre das Mindeste!!!
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