Da zu sein, wenn es darauf ankommt – das hat Matthias Mölter schon früh gelernt. Mit 16 Jahren übernahm er den Fahrgeschäfte-Betrieb seines Großvaters und führte damit eine seit 1909 bestehende Familientradition in der vierten Generation fort. Angefangen hatte alles mit seinem Urgroßvater Arthur Mölter, der das Coburger Frühlingsfest mitbegründete.
Nach der Übernahme bestand das Leben des Coburgers aus Reisen: von Kirchweih zu Kirmes und zurück. Immer auf Achse. Tausende Kilometer. Am Ende kam sich Schausteller Mölter „fast wie ein Berufskraftfahrer“ vor. Das Einzugsgebiet reichte von Holland bis Polen, auch Österreich wurde regelmäßig angefahren. Nach fast zwei Jahrzehnten – zum neuen Eigenheim hatten sich mit Anfang 30 inzwischen auch zwei Kinder gesellt – reifte der Wunsch, die Herumreiserei irgendwann zu beenden. Es war an der Zeit, sesshaft zu werden.
Für Matthias Mölter ein wohlvertrauter Ort
In diese Überlegungen hinein kam Mölter zu Ohren, dass in Geiselwind das Freizeit-Land zum Verkauf steht. Ein ihm wohlvertrauter Ort: Als Kind war der Coburger hier regelmäßig von Karussell zu Karussell gehüpft. Die Gedanken an den Vergnügungspark verursachten auch 20 Jahre später noch leuchtende Augen. Eines dieser warmen Gefühle, wie sie nur Kindheitserinnerungen auslösen können.
Und so klopfte Mölter im Mai vergangenen Jahres an einem ihm bestens bekannten Ort an, um Interesse zu bekunden und ein erstes Gespräch zu führen. Die nächsten Monate waren voller Zahlen, Ideen und Pläne. Der Familienrat tagte. Dazu Bankengespräche. Bis klar war: Es könnte funktionieren. Mölter nahm die unternehmerische Herausforderung an. Wohl weil er spürte: Es war wieder ein Moment, um da zu sein, wenn es darauf ankommt. Zum 1. Januar 2017 wechselte der Park die Besitzer, die bisherige Eigentümerfamilie Mensinger übergab ihr Lebenswerk an den 32-jährigen Coburger. Der Verkaufspreis: geheim.
Seither ist Pendeln angesagt. Von Coburg nach Geiselwind sind es ein paar Meter. Für Hin- und Rückfahrt gehen jeden Tag zwei Autostunden drauf. Was aber kein Vergleich zu den Tausenden von Kilometern von früher ist. Mölter wusste, was auf ihn zukam: „Es war klar, dass wir etwas verändern müssen“, betont er. Man könnte auch sagen: Es ging darum, das Freizeit-Land fast einmal komplett umzukrempeln. Nicht zuletzt, weil die eigenen Fahrgeschäfte in den Park integriert werden wollten, darunter die beiden Freifalltürme „Street-Style“ und „Extrem“ sowie ein Autoskooter, ein Geisterhaus und Kinderkarussells.
400 000-Quadratmeter Parkfläche wurden zur Buddelkiste
Alles auf Vordermann bringen – die Aufgabe erwies sich als schwierig. Der 400 000-Quadratmeter-Park am Rande des Steigerwaldes wurde im Winter zur Buddelkiste: Kaum war ein Loch ausgehoben, ging es nebenan mit dem nächsten weiter. Dass der Park in die Jahre gekommen war, sollte sich an allen Ecken zeigen. Der neue Besitzer würde wahrscheinlich immer noch unzählige weitere Löcher buddeln – wenn da nicht der 8. April als Eröffnungstermin um die Ecke geschaut hätte. Also hieß es irgendwann im März: „Bloß keine weiteren Gräben aufreißen“ – so langsam musste es wieder ans Zuschütten gehen.
Unabhängig davon, dass so ein Freizeitpark vor Saisonbeginn wahrscheinlich immer einer Baustelle gleicht, gibt sich der neue Geschäftsführer keiner Illusion hin: Zwei, vielleicht auch drei Jahre wird es am Ende schon dauern, bis alles so ist, wie es der 32-Jährige haben will. Bis die Grundsanierung abgeschlossen ist. Bis die letzte Toilette wieder blitzt. Oder, um ein wenig blumig zu werden: Bis die letzten Dornen weg sind und nichts mehr an den jahrelangen Dornröschenschlaf erinnert.
Ab dem ersten Aprilwochenende geht es los
Der Besucher soll allerdings schon ab dem ersten Aprilwochenende so etwas wie ein Erweckungsgefühl haben: Neben gleich acht neuen Fahrgeschäften wartet eine runderneuerte Gastronomie auf die Besucher. Die dürfen sich zudem auf fünf Themenbereiche wie etwa das Piraten- und Abenteuerland und eine Horrorecke samt Grusel-Geisterhaus freuen.
Beim Showprogramm gab es nach 25 Jahren ebenfalls ein Großreinemachen: Die alte Garde ist weg. Selbst die Acapulco-Springer als bisheriges Aushängeschild tauchen nicht mehr aus 25 Höhenmetern im Wasserbecken ab. Dafür arbeitet Mölter jetzt mit einer namhaften Künstleragentur zusammen, die regelmäßig Showgrößen wie den Luftballon-Entertainer Tobi van Deisner und den Bauchredner Sebastian Reich mit seinem Nilpferd Amanda in den Park bringen.
Das inzwischen deutschlandweit bekannte Nilpferd hat dabei jede Menge neue tierische Mitstreiter: Lamas, Stachelschweine und sogar Kängurus sind künftig im Park anzutreffen. Im Gegenzug werden die inflationären und kaum überschaubaren Vogelvolieren reduziert. Die bereits vorhandene und lange Jahre überraschend gut am Parkrand versteckte Affenhorde wird zudem mehr in den Mittelpunkt rücken: Feste Fütterungs- und Vorführzeiten sollen zu den Berberaffen locken, die in ihrem Gehege mit einem Schiff angeben können, das den schönen Namen „MS Banana“ trägt.
Auch wenn Mölter seit Monaten 16-Stunden-Tage hinlegt, lassen sich naturgemäß in einem Vierteljahr nicht viele Jahre aufholen. Im Mittelpunkt steht als Erfolgsgarant die eigene Familie: Die Zeit der Kommissionäre ist vorbei, jetzt packen von der Oma bis zum Schwager alle mit an, Eigenregie ist angesagt. Um die 65 Mitarbeiter haben in der jetzt zu Ende gehenden Vorbereitung alles gegeben, nur wenige Steine wurden aufeinandergelassen. Mit Start des Vollbetriebs beschäftigt der Park dann um die 200 Mitarbeiter.
Neues Haupttor
Der Weg in die Zukunft hat auch ein neues Haupttor bekommen, statt an der Seite geht es jetzt wieder in der Mitte in den Park. Der wird keine Chance haben, wieder in Lethargie zu verfallen. Jede Menge Zusatz-Events wie „Geiselwind verzaubert“, „Geiselwind in Flammen“ und eine Mittelalterwoche sowie Oktoberfest und Halloween sind fest eingeplant. Und weil Familientradition verpflichtet, gibt es auch einen „Tag der Coburger“.
Das alles soll den sogartigen Abwärtstrend – von einst 500 000 Besuchern ging es auf zuletzt rund 200 000 zurück – aufhalten und langsam umkehren. Die Zielvorgabe für die nächsten drei Jahre lautet: zunächst mal wieder auf 300 000 klettern – wobei die halbe Million durchaus im Hinterkopf bleibt. Neu dabei: Der Park setzt verstärkt auf Firmenfeiern und steht für Tagungen sowie Konferenzen in dem etwas anderen Umfeld bereit. Bestes Beispiel: Am 7. Mai ist der Park komplett von einer Firma für 8000 Gäste gebucht und bleibt für Publikum geschlossen.
Damit das alles gut geht, wurde auch an der Maskottchen-Front kräftig aufgerüstet: Tuki, dem seit den 90er Jahren in schicker Lederhose grüßenden Tukan, werden das Ziegenmädchen Geisi und ein Äffchen zur Unterstützung an die Seite gestellt. Beim Aufbruch in neue Zeiten sind eben alle gefragt.
Dass die Neugierde auf den „neuen“ Park direkt an der A 3 von Tag zu Tag steigt, konnte Mölter zuletzt deutlich spüren. Weshalb zur Eröffnung eine Woche vor Ostern einiges los sein dürfte – vielleicht sogar ähnlich wie am 1. Mai 1991, als der Park mit 15 000 Besuchern einen bis heute bestehenden Rekordansturm erlebte.
Freizeitland Geiselwind: Eröffnung am Samstag, 8. April, mit Musikfeuerwerk und Feuershow bis 22 Uhr. Geöffnet ist bis zum Ende der Sommerferien mit Ausnahme des 7. Mai (Sonderveranstaltung) durchgehend, danach mit Unterbrechungen bis 1. November.
Mehr Infos unter www.freizeit-land.de