Jeden Abend, wenn die sechs Männer der Feuerwehr Volkach (Lkr. Kitzingen) aus dem Katastrophengebiet im Ahrtal zurückkommen in das Lager am Nürburgring, sprechen sie über das Erlebte. Über kriegsähnliche Zustände einer vom Hochwasser zerstörten Region, über hochgiftigen Staub, einen Bombenalarm und Schicksale, die sprachlos machen. Moritz Hornung, der Pressesprecher der Volkacher Feuerwehr, schreibt es auf – und gibt all seinen Kameradinnen und Kameraden damit eine Stimme. Sein Online-Tagebuch auf der Seite der Feuerwehr Volkach hat mittlerweile über 65 000 Zugriffe pro Tag, Tendenz steigend.
Die Volkacher sind Teil eines 38-köpfigen Ölwehr-Kontingents aus Unterfranken, das seit Donnerstag in Rheinland-Pfalz im Einsatz ist. Am Montag wurden sie abgelöst von neuen Feuerwehrleuten, die den Rest der Woche Öltanks auspumpen und zerstörte Häuser ausräumen werden. Zeit für eine Zwischenbilanz mit Moritz Hornung, kurz bevor er sich aus dem Lager am Nürburgring auf den Heimweg machte.
Moritz Hornung: Als wir am ersten Tag in Altenahr angekommen sind, standen wir in dort in der Ruinenlandschaft. Da ist uns ein 85-jähriger Mann begegnet, der uns von der Flut erzählt hat. Was er Schreckliches erlebt hat, ist kaum wiederzugeben. Die ganze Nacht saß er auf seinem Hausdach, während um ihn herum seine Nachbarn nacheinander ertrunken sind und die Häuser weggeschwommen. Wir versuchen, Trost zu spenden, sind aber oft selbst sprachlos. Ich habe vorher viele gelesen und Bilder gesehen, aber es ist nicht vergleichbar mit dem, was man hier vor Ort wirklich erlebt.
Hornung: Schon der Gestank ist bestialisch. Der Schlamm hat hier alles überzogen, ist jetzt größtenteils getrocknet und enthält alles: Öle, Chemikalien, Fäkalien. Jedes Fahrzeug wirbelt den Staub auf und es brennt fürchterlich, wenn du ihn in die Augen bekommst. Darum tragen wir den ganzen Tag Schutzbrillen und Mundschutz. An manchen Tagen bekommst Du kaum Luft, weil der Staub so in diesem Tal hängt. Ständig fliegen zudem Hubschrauber darüber und wirbeln ihn auf.
Hornung: Das unterfränkische Kontingent war erst in Altenahr, dann in Altenburg eingeteilt. Der Zustand der Gebäude in Altenahr ist total unterschiedlich, manche sind völlig zerstört, im Ortskern oberhalb der Brücke hingegen sind immerhin die Grundmauern stehen geblieben. Da in der Region hauptsächlich mit Öl geheizt wird, befindet sich eigentlich in fast jedem Keller ein Öltank. Sie wurden durch die Flutwelle größtenteils aufgeschwemmt und sind in neuer Position gelandet. Diese Tanks öffnen die Ölwehrkräfte und saugen das Öl ab. Zudem pumpen wir Keller aus, die mit einem Gemisch aus Öl und Wasser vollstehen.
Hornung: Die Arbeit hier ist nicht nur psychisch, sondern auch physisch sehr belastend. Wir steigen den ganzen Tag durch Trümmer und Schlamm, und das mit Maske und Vollschutzanzug. Du musst da wirklich körperlich hart arbeiten. Wir waren in der Altstadt von Altenahr, da sind solch enge und verwinkelte Keller, solche sieht man selbst in der Volkacher Altstadt ganz selten.
Hornung: Grundsätzlich schon, aber es ist trotzdem ganz anders, als wir es von zuhause kennen. Die Lage hier ist so dynamisch, teilweise ändert sich die Situation minütlich. Bestes Beispiel dafür ist der Bombenfund am Samstag. Wir hatten die Info bekommen, uns in der Tunnelstraße um Öltanks zu kümmern. Wir sind gerade ausgestiegen und wollten erkunden gehen, da kam über Funk die Warnung, dass wir sofort flüchten sollen, weil eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde. Autos mussten stehen bleiben, wir einfach losrennen. Für Angst war da aber keine Zeit, da macht man einfach, das kommt erst im Nachhinein.
Hornung: Abends, bevor wir ins Bett gehen, setzen wir uns gemeinsam hin und reden darüber, wie der Tag war, und verfassen den Bericht. Am nächsten Tag nach dem Frühstück und in der Stunde der Fahrt vom Nürburgring zur Einsatzstelle wird der Text nochmal Korrektur gelesen, bevor wir ihn gegen 9 Uhr online stellen. Das ist eine Art der Aufarbeitung für uns, aber es geht vor allem darum, was hier alles geleistet wird. Die Menschen müssen mitbekommen, welches Engagement hier im Team geleistet wird. Ich bin nur derjenige, der es nach außen transportiert.
Vielen Dank, dass sie mit ihren Kollegen mit anpacken!