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Kitzingen
Fachkräftemangel in Unterfranken: Warum junge Menschen aus Nepal in einem Mercedes-Autohaus in Marktbreit ihre Ausbildung beginnen
Unternehmen aus der Region suchen inzwischen weltweit nach jungen Leuten. Das Autohaus Iglhaut bringt Nepalesen nach Deutschland. Wie hat es das geschafft? Ein Werkstattbesuch.
Chetan Paudel (links) und Apar Shrestha in der Werkstatt der Iglhaut GmbH in Marktbreit. Die beiden sind Ende August nach Deutschland gekommen, um hier ihre Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker zu absolvieren.
Foto: Leila Röll | Chetan Paudel (links) und Apar Shrestha in der Werkstatt der Iglhaut GmbH in Marktbreit. Die beiden sind Ende August nach Deutschland gekommen, um hier ihre Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker zu absolvieren.
Leila Röll
 |  aktualisiert: 06.10.2024 02:33 Uhr

Seine Leidenschaft sind Autos. "Ich habe eine Faszination für sie", sagt Apar Shrestha. Er ist einer der neuen Azubis des Autohauses Iglhaut in Marktbreit. Wie Chetan Paudel stammt auch Apar Shrestha aus Nepal. Am 27. August sind die beiden nach Deutschland gekommen, um hier ihre Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker zu absolvieren. Die Iglhaut GmbH bildet seit 2022 nepalesische Jugendliche in der Werkstatt aus. Unter allen Auszubildenden sind aktuell vier Nepalesen. 

"Auf die Idee brachte uns Klaus Meyer", sagt Ramona Zierlein, Assistentin der Geschäftsleitung bei Iglhaut. Der Besitzer des Autohauses Meyer engagiert sich seit etwa 20 Jahren am Dach der Welt und hat dort unter anderem eine Schule mitgegründet. 2022 brachte Meyer den ersten Nepalesen für seine Ausbildung in sein Autohaus nach Deutschland. "Damit der junge Mann nicht allein nach Deutschland kommen muss, hat er uns gefragt, ob wir auch mitmachen", erzählt Zierlein, wenn man sie in dem Autohaus am Main besucht. So kam der erste nepalesische Azubi zu Iglhaut.

Bei Fragen setzen sich (von links) Apar Shrestha, Marco Reinstein, Ramona Zierlein und Chetan Paudel zusammen und suchen nach Lösungen.
Foto: Leila Röll | Bei Fragen setzen sich (von links) Apar Shrestha, Marco Reinstein, Ramona Zierlein und Chetan Paudel zusammen und suchen nach Lösungen.

"Dieses Jahr sind etwa 200 Nepalesen für die Ausbildung nach Deutschland gekommen", berichtet  Zierlein. Die Azubis seien in verschiedenen Sparten beschäftigt – von der Pflege über den Hotelbereich bis ins Kfz-Gewerbe. Vermittelt hat die jungen Menschen die Organisation "Nepal Secretariat of Skills and Training", kurz NSST. Das ist eine deutsch-nepalesische Bildungsinitiative, die junge Menschen nach Deutschland bringt, um ihnen eine Ausbildung zu ermöglichen.

Zur Starterleichterung in Deutschland unterstützt Iglhaut die Azubis beispielsweise bei Behördengängen und der Eröffnung eines Bankkontos. "Um die Unterkunft muss sich Iglhaut auch kümmern", sagt die Assistentin.

"Mit einer Annonce in der Zeitung kommt heutzutage keiner mehr."
Ramona Zierlein, Assistentin der Iglhaut-Geschäftsleitung

Doch warum junge Menschen aus Nepal für die Ausbildung rekrutieren? Warum keine deutschen Jugendlichen ausbilden? "Während der Corona-Zeit konnten wir weder an Berufsbörsen teilnehmen noch Schulen besuchen, um mit den Menschen vor Ort zu reden", sagt Zierlein. "Mit einer Annonce in der Zeitung kommt heutzutage keiner mehr." Sie betont, wie wichtig es sei, persönlich mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen. Nur so bekämen sie eine Vorstellung von einer Ausbildung.

Die Azubis müssen zuerst einen Deutschkurs belegen

Was sie in Deutschland erwartet, wussten Shrestha und Paudel. Denn: Die Vorauswahl der Auszubildenden erfolgt in Nepal durch NSST. "Nach meinem nepalesischen Abitur habe ich beschlossen, eine Ausbildung in Deutschland zu machen", erzählt Apar Shrestha.

Zunächst mussten er und seine Landsleute aber einen Deutschkurs belegen. "Man muss kontinuierlich lernen und prüfen, ob man Wissenslücken hat", erzählt der junge Mann über diese lernintensive Zeit. Chetan Paudel berichtet, dass er sich in Nepal bis zum Sprachniveau C1 hochgearbeitet habe. Das heißt, er kann sich ohne Probleme im Alltag verständigen.

Chetan Paudel, ein neuer Auszubildender aus Nepal, kann sich heute ohne Probleme im deutschen Alltag verständigen.
Foto: Leila Röll | Chetan Paudel, ein neuer Auszubildender aus Nepal, kann sich heute ohne Probleme im deutschen Alltag verständigen.

Neben Workshops rund ums Schweißen und zur richtigen Benutzung der Drehbank werden auch deutsche Werte und Normen vermittelt. "NSST hat uns auf das Leben in Deutschland vorbereitet. Wir haben vieles über Menschen und Regeln gelernt", erzählen die beiden Lehrlinge. Erst wenn man Deutsch recht gut versteht, sich verständigen kann und die Workshops erfolgreich durchlaufen hat, gibt es ein Bewerbungsgespräch per Videochat, erklärt Ramona Zierlein das Auswahlverfahren.

"Es hapert nicht an Motivation bei den jungen Männern, die zu uns kommen, ganz im Gegenteil", sagt Marco Reinstein, Leiter des Kundendiensts bei Iglhaut. Das Programm in Nepal bereitet die jungen Menschen auf die Ausbildung in Deutschland vor, ergänzt Zierlein. "Außerdem müssen sie Geld in die Hand nehmen, um nach Deutschland zu kommen, dementsprechend ist der Wille da."

Doch warum verlassen die jungen Menschen ihr Heimatland, um einen Neuanfang im 6500 Kilometer entfernten Deutschland zu beginnen? "Jeder weiß, dass Deutschland das Zentrum der Autoindustrie ist", sagt Apar Shrestha. Außerdem gebe es in Nepal kein duales Ausbildungssystem. "Man muss entweder studieren oder direkt arbeiten", sagt Chetan Paudel und fügt hinzu: "Ich mag, dass man hier Praktisches und Theoretisches gleichzeitig lernen kann."

Für Apar Shrestha waren Autos schon immer eine Leidenschaft.
Foto: Leila Röll | Für Apar Shrestha waren Autos schon immer eine Leidenschaft.

Was sie nach wenigen Wochen sagen können, ist, dass Deutschland ihnen gefällt. "Alle sind freundlich und hilfsbereit. Man kann Wasser direkt aus der Leitung trinken. Die Supermärkte bieten mehr, als man braucht", hebt Apar Shrestha hervor. Chetan Paudel schätzt besonders, dass es Regeln gibt, "die Straße zu überqueren. In Nepal läuft man direkt über die Straße, und oft passieren Unfälle."

Nepalesen gewöhnen sich an das Leben in Deutschland

Offen bleibt, ob die jungen Menschen nach ihrer Ausbildung nach Nepal zurückkehren oder ihren Weg in Deutschland weitergehen. Ziel des NSST ist, die jungen Menschen in ihren eigenen Arbeitsmarkt in Nepal zu integrieren. Mit ihren Kenntnissen sollen sie zum nepalesischen Arbeits- und Wirtschaftssystem beitragen. Ramona Zierlein hofft auf das Gegenteil: "Nur wenn wir selber ausbilden, haben wir wieder Fachkräfte. Das Beste wäre, wenn wir sie bei uns halten könnten."

Am Ende bleibt es eine individuelle Entscheidung. "Erst möchte ich die Ausbildung abschließen und danach vielleicht noch meinen Meister machen. Mal sehen, was kommt", antwortet Apar Shrestha auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen. Das Heimweh nach der Familie und den Freunden hält sich bislang in Grenzen. Dennoch telefonieren die vier nepalesischen Azubis von Iglhaut fast jeden Tag, wie Zierlein berichtet.

Sie hofft jedenfalls, dass eine gewisse Zahl an Azubis hier bleibe. "Wir sehen ja auch, dass sie sich an das Leben in Deutschland gewöhnen." Sie rechne damit, dass die ausgebildeten Menschen mindestens fünf Jahre hier verbringen. Kundendienstleiter Marco Reinstein sagt: "Wenn dann das ein oder andere fränkische Wort aus dem Mund der nepalesischen Azubis kommt, merken wir, dass sie hier angekommen sind."

 
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  • Erich Spiegel
    Nichts gegen die Azubis aus Nepal. Mich stört an der Migrationspolitik, dass sie nicht gesteuert wird von den Parteien der Mitte (CDU, SPD, FDP). Dann kommen Populisten an die Macht wie AFD und BSW. Ob Migration mehr nützt alls schadet ist noch offen. Wie es gehen kann zeigt das Bsp. aus Albanien. Dort möchte man auf dem Gebiet des Bektaschi Ordens eine islamische Republik errichten. Das islamistische Regime des türkischen Präsidenten Erdogan zieht im Hintergrund die Fäden und möchte gemässigte Mönche, die die Frauenrechte einhalten, verdrängen. Öffentlich sagt Erdogans Partei, dass man auch Deutschland unterwandern möchte. Nur es ineressiert die Medien nicht. Beste Vorraussetzungen sind da. Erdogan geniesst hohes Vertrauen bei den Deutschtürken. Ca. 65% der Deutschtürken hat Erdogan gewählt. Werden wir in einigen Jahren von einem neuen Kleinstaat in Berlin Neukölln lesen, wo bereits einige Hunderttausend Türken leben? Wird sich die AFD das gefallen lassen oder gibt es Bürgerkrieg?
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  • Dietmar Eberth
    "Werden wir in einigen Jahren von einem neuen Kleinstaat in Berlin Neukölln lesen, wo bereits einige Hunderttausend Türken leben?"

    In Berlin Neukölln leben bereits jetzt einige Hunderttausend Türken? Haben Sie eine Quelle/Beleg für diese Zahlen? Laut Statistikamt leben in Berlin Neukölln 327.073 Personen. Daher würde mich interessieren woher sie die "einige Hunderttausend Türken" haben.
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  • Stefan Krug
    vor 40 Jahren war man noch stolz
    beim Daimler ne Ausbildung machen zu dürfen!

    aber mittlerweile chillt man lieber
    und pocht auf sein worklife dingens...

    oder studiert sich zu Tode...
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  • Felix Habermann
    Tolle Leistung der zwei Nepalesen.
    Viel Glück und Erfolg bei der Ausbildung.
    Macht weiter so.
    Ein Lob an die Geschäftsleitung
    des Autohauses Iglhaut.
    Gruß Klaus Habermann, Estenfeld ! ! !
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  • Gerlinde Conrad
    "Passt scho" würde man in Franken dazu sagen und viel Erfolg wünschen! Wer lieber für "Remigration" ist, sollte selber "Emigrieren" und tschüss sagen! K.-H. Conrad
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