zurück
Wiesentheid
Erfindung aus Wiesentheid: Wie der Maschinenbauer Möhringer Ölpalmen-Stämme zu Möbel- und Bau-Material macht
Millionenfach werden Ölpalmen verhäckselt oder verbrannt. Ein unterfränkischer Unternehmer entwickelte ein Verfahren, wie sich die Stämme jetzt sinnvoll verwenden lassen.
Unternehmer Stefan Möhringer aus Wiesentheid (Lkr. Kitzingen).  Seine Firma macht mit ihren Maschinen erstmals die Verarbeitung von Millionen von Ölpalmen-Stämmen möglich.
Foto: Thomas Obermeier | Unternehmer Stefan Möhringer aus Wiesentheid (Lkr. Kitzingen).  Seine Firma macht mit ihren Maschinen erstmals die Verarbeitung von Millionen von Ölpalmen-Stämmen möglich.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 09.02.2024 14:39 Uhr

Weltweit einmaliges Know-how kommt von einem unterfränkischen Mittelständler: Der Maschinen- und Anlagenbauer Möhringer aus Wiesentheid (Lkr. Kitzingen) hat ein Verfahren entwickelt, mit dem bislang nutzlose Ölpalmen-Stämme zu wertvollen Produkten verarbeitet werden können. Die Stämme, die jährlich millionenfach als Abfall der Palmöl-Industrie verbrannt, mit Pestiziden besprüht oder gehäckselt werden, lassen sich damit künftig für Möbel oder Bauelemente verwenden.   

Abgesehen vom wirtschaftlichen Nutzen verbessert die Weiterverarbeitung die Öko-Bilanz der umstrittenen Ölpalmen-Plantagen und senkt die CO2-Konzentration. Die Simon Möhringer Anlagenbau GmbH ist nach eigenen Angaben derzeit weltweit der einzige Maschinenbauer, der die Verarbeitung der botanisch als Gras geltenden Stämme bewerkstelligen kann.

Ölpalmenplantage: Millionen von Stämmen wachsen weltweit rund um den Äquator. Aus den Früchten der Palmen entsteht billiges Pflanzenöl. Die Stämme gelten bisher als wertlos.
Foto: Stefan Möhringer | Ölpalmenplantage: Millionen von Stämmen wachsen weltweit rund um den Äquator. Aus den Früchten der Palmen entsteht billiges Pflanzenöl. Die Stämme gelten bisher als wertlos.

Der geschäftsführende Gesellschafter, Stefan Möhringer, hat das Verfahren sowie die Werkzeuge und Anlagen mit Kooperationspartnern in acht Jahren Forschung entwickelt und zum Patent angemeldet. Die erste Anlage ist gerade an einen Plantagenbetreiber in Malaysia ausgeliefert worden. Die Serienproduktion von Produkten aus Ölpalmen-Stämmen soll im März 2023 starten. Für seine Erfindung wurdet Möhringer vom Wirtschaftsministerium beim Bayerischen Innovationspreis mit dem zweiten Hauptpreis ausgzeichnet.

Die Idee für das bislang weltweit einmalige Projekt kam Möhringer im Austausch mit einer Forschungsgruppe aus Hamburg. Die Studierenden hatten das Wiesentheider Werk besucht und dabei die Materialeigenschaften verschiedener Stämme untersucht. Dabei war auch von Ölpalmen die Rede, die nach 30 Jahren Fruchtertrag für ihre Besitzer wertlos werden.

Das Wiesentheider Unternehmen Möhringer macht mit seinen Maschinen erstmals die Verarbeitung von Millionen von Ölpalmen-Stämmen möglich. 
Foto: Thomas Obermeier | Das Wiesentheider Unternehmen Möhringer macht mit seinen Maschinen erstmals die Verarbeitung von Millionen von Ölpalmen-Stämmen möglich. 

Möhringer hatte gehört, dass es in Südostasien – wie andere Regionen des Äquatorgürtels ein großes Anbaugebiet für Ölpalmen – schon Versuche gegeben hatte, die Stämme zu verarbeiten. Aber alle seien an dem schwierigen Material gescheitert. Ölpalmen stellen andere Anforderungen ans Sägen, Hobeln, Verleimen als Holz: "Die Stämme sind wegen des Klimas feucht, neigen zu Schimmelbildung und lassen sich schwer sägen", sagt Möhringer über die Herausforderung. "Mich hat gereizt, aus einem Abfallprodukt etwas Nachhaltiges zu machen. Das hat viel Potenzial."

"Mich hat gereizt, aus einem Abfallprodukt etwas Nachhaltiges zu machen."
Stefan Möhringer, Unternehmer aus Wiesentheid

Als sich der Unternehmer erste Stämme nach Deutschland liefern ließ, folgte auch bei ihm die Enttäuschung: Schon nach dem Sägen eines Stammes war das verwendete Sägeblatt abgenutzt. So tüftelte Möhringer lange mit Kooperationspartnern an den passenden Legierungen und Geometrien der Säge-Werkzeuge sowie an der Trocknung der Stämme. Nach acht Jahren und wiederholten Versuchen sei der Knoten geplatzt, sagt der Firmenchef. Seine Anlage präsentierte Möhringer fortan auf internationale Messen und stieß auf interessierte Zuhörer.

Herausforderung für die Sägewerke: das Schneiden von Palmenbrettern.
Foto: Stefan Möhringer | Herausforderung für die Sägewerke: das Schneiden von Palmenbrettern.

Ein malaysischer Palmöl-Produzent schlug als Erster zu und bestellte die Anlage aus Unterfranken. Inklusive Gebäude blätterte der Investor rund 25 Millionen Euro dafür auf den Tisch. Weitere Interessenten stehen in der Warteschlange, sagt Möhringer. Sie wollen die Ergebnisse der ab März 2023 anlaufenden Serienproduktion abwarten. 

Stämme werden zu Möbelplatten und Bauelementen

Im Wiesentheider Möhringer-Werk sind Produktbeispiele aus gesägten Ölpalmen-Stämmen bereits zu sehen: von kleineren Mehrschichtplatten für den Möbelbau bis zu großen Musterwänden, die später als Baustoffe für Häuser dienen könnten. Um dafür die Zulassung zu bekommen, sei es allerdings noch ein weiter Weg, sagt Möhringer. Baumaterialien würden wegen der Statik ganz anderen Prüfverfahren als Möbelstücke unterliegen. Aber diesen Weg will der findige Unternehmer als nächstes beschreiten.

Eines der Endprodukte aus den Stämmen der Ölpalmen: eine Mehrschichtplatte.
Foto: Leitz | Eines der Endprodukte aus den Stämmen der Ölpalmen: eine Mehrschichtplatte.

Simon Möhringer Anlagenbau GmbH

Seit 1885 beliefert das Unternehmen aus dem Landkreis Kitzingen vor allem Sägewerke mit seinen Maschinen und Anlagen. Als kleine Schmiede im Wiesentheider Ortsteil Feuerbach gegründet, hat sich der Betrieb über vier Generationen zum weltweiten Lieferanten für die Primärverarbeitung von Holz hochgearbeitet. Möhringer-Produkte helfen, Baumstämme zu transportieren, zu sägen, zu stapeln und zu lagern.
Dem Trend zu Automatisierung und größeren Anlagen folgend, hat sich Möhringer längst zum Systemanbieter entwickelt. "Lösungen aus einer Hand", wie Chef Stefan Möhringer sagt. Daher produziert Möhringer den Großteil seiner Maschinenteile selbst - auch um Know-how im eigenen Hause zu behalten und Kunden auch nach Jahrzehnten noch Ersatzteile liefern zu können. Für eine Maschine kann Möhringer nach eigenen Angaben auch nach 30 Jahren noch Austauschelemente selbst herstellen.
Die Firma Möhringer beschäftigt rund 130 Mitarbeiter in Wiesentheid, dem Ortsteil Feuerbach und im serbischen Nis. Der Umsatz liegt 2022 bei rund 23 Millionen Euro, die Exportquote bei 80 Prozent. Stefan Möhringer (56) leitet das Unternehmen seit 2002 als geschäftsführender Gesellschafter in vierter Generation, seine drei Kinder wollen in absehbarer Zeit in den Betrieb einsteigen.
Ölpalmen gelten rund 30 Jahre lang als ertragreich. Dann gelten die Stämme als Abfall. Ihr Material ist nach Angaben Möhringers leicht und stabil, hat gute Brandhemmungs- und Dämmeigenschaften und ist nicht teurer als Holz. Im Gegenteil: Das Rohmaterial steht in großer Menge kostenlos zur Verfügung. Große Plantagen existieren in Malaysia, Indonesien und Thailand.
Quelle: Möhringer/abra
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Wiesentheid
Andreas Brachs
Kunden
Simon Möhringer Anlagenbau
Tische
Unterfranken
Unternehmer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • M. S.
    Danke für die ausführliche Antwort.
    Selbstverständlich habe ich den Artikel gelesen und Innovationen heimischer Firmen sind selbstverständlich begrüßenswert und eine tolle Sache!

    Trotzdem darf man sich Gedanken machen - und die Palmölindustrie ist nun einmal umstritten; allerdings ist es immer leicht aus der "ersten Welt" mit dem Finger auf den "globalen Süden" zu zeigen.

    Herr Möhringer ist sich sicherlich bewusst, dass er mit dem Verkauf der Maschinen ein Stück weit Verantwortung übernimmt. Für mich würde dazugehören zu schauen wie die jeweiligen Palmölplantagen entstanden sind bzw. welche Stämme mit den Maschinen verarbeitet werden. Vermutlich wird das kaum durchführbar sein.

    Klar ist aber, dass die Maschinen auch gekauft werden und damit zusätzlichen Profit zu generieren. Und dieser spätere Gewinn wird irgendwann auch bei der Planung neuer Planagen mit eingerechnet. Da halte ich es schon für wichtig zu schauen wer meine Kunden sind und was damit verarbeitet wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. S.
    Wie im Artikel beschrieben sind diese Ölpalmen-Plantagen sowieso teils extrem umstritten. Wenn sich jetzt auch noch die Stämme zu Geld machen lassen wird das sicherlich nicht besser. Andererseits spart man sich anderes, möglicherweise illegal geschlagenes Holz (wobei die Palmöl-Plantagen auch oftmals illegal oder zumindest fragwürdig entstehen und dafür wertvolle Flora und Fauna zerstört wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. M.
    Das ist der Punkt: es geht um Stämme, die schon vorhanden und bisher Abfall sind. Die Plantagen, um die es geht, wurden bereits vor 30 Jahren für die Ölerzeugung angepflanzt. Ist es nicht sinnvoll, diese als wertvollen Rohstoff statt als Abfall zu verwerten? Die Nutzung nimmt in der Tat ganz viel Druck, Naturwälder zu roden, weil es nun in Asien eine verfügbare Alternative gibt.
    Bezüglich der Ölpalmen muss man im übrigen sehr differenziert hinsehen: viele große Ölpalmplantagen sind RSPO-zertifiziert und garantieren nachhaltige Plantagenwirtschaft, ohne das Flora und Fauna zerstört wird. Im übrigen sagt selbst der WWF, dass Ölpalmplantagen eine sehr effiziente Form der Ölerzeugung darstellen, weil sie die geringste Fläche bezogen auf den Ölertrag gegenüber allen anderen Ölalternativen (Soja, Kokos etc.) benötigen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. F.
    Haben Sie nicht gelesen, dass diese Stämme eigentlich Abfall und keine Neuanpflanzungen sind und nun sehr sinnvoll durch die Innovation der Firma Möhringer verwertet werden. Auch das ist ein Beitrag zum Klimaschutz. Wir sollten doch froh sein, dass es solche Betriebe in unserem Landkreis gibt. Sie sind Garanten dafür, dass wir in unserem Landkreis auch positiv in die Zukunft blicken können. Muss denn alles negativ bejammert werden?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten