Dr. Elmar Schwinger ist tot. Der promovierte Historiker, der in Wiesenbronn lebte, starb am 27. März im Alter von 92 Jahren. Er war unverheiratet und hat keine Nachkommen. Schwinger galt als einer der profundesten Kenner der mainfränkischen Juden-Geschichte in der NS-Zeit. Viele Jahre hat er die Schicksale jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger recherchiert und dazu Reisen auf drei Kontinente unternommen.
Schwinger ist am 8. Dezember 1929 in Schönebeck an der Elbe bei Magdeburg geboren. Wie er selbst bei verschiedenen Gelegenheiten erzählte, wuchs er in einem unpolitischen Elternhaus auf und hat in der NS-Zeit nichts über die Judenverfolgung erfahren. Als Kind sei er unwissend gewesen; als Jugendlicher habe er Angst gehabt nachzufragen.
Zuhörer bei Auschwitz-Prozessen
Erst nach dem Krieg, als Erwachsener, drangen die Gräueltaten zu ihm vor. In der 1960er-Jahren saß er als Zuhörer in den Auschwitz-Prozessen. Schwinger entschied sich, Lehrer zu werden, studierte in Würzburg und übte diesen Beruf 37 Jahre lang aus, die meiste Zeit am Armin-Knab-Gymnasium in Kitzingen. Schon dabei mit einem humanistischen Ansatz: Er habe seine Schülerinnen und Schüler immer als "jüngere Partner" und "Wegbegleiter" gesehen, sie ernst genommen und respektiert, sagte er. Er sah sich als Lehrer in der Verantwortung "für ihr schulisches Fortkommen und ihr Wohlbefinden". Schule sollte in seinen Augen ein angstfreier und entspannter Lernraum sein.
Nach seinem Umzug von Kitzingen nach Wiesenbronn und mit Beginn seines Ruhestands 1993 widmete sich der Historiker intensiv der Holocaust-Forschung. Wie er selbst sagte, nicht etwa, um aufzudecken oder anzuklagen. Vielmehr wollte Schwinger "verstehen, wozu der Mensch fähig ist, wenn er in Versuchung geführt wird". Und er selbst wollte "verstehen, was ich als Kind nicht verstanden habe".
Forschungsreisen auf drei Kontinenten
So zeichnete er auf vielen Auslandsreisen, in Gesprächen mit Zeitzeugen und Überlebenden sowie in zahlreichen Archivbesuchen den Weg der Juden aus der Region nach. Seine Recherchen mündeten in dem erschütternden Buch "Von Kitzingen nach Izbica". Izbica in Polen war während der NS-Zeit Konzentrations- und Durchgangslager für Juden auf dem Weg zu ihrer Vernichtung. Darauf aufbauend beschäftigte sich Schwinger intensiv mit dem Schwerpunktthema der Deportation der mainfränkischen Juden und veröffentlichte auch dazu seine Forschungsergebnisse, hielt Vorträge in Schulen und in verschiedenen Gemeinden, war Mitglied des Kitzinger Synagogen-Vereins.
Für seine "Arbeit eines gründlichen Herzens", wie es in der Würdigung hieß, erhielt Schwinger für seine Forschung über die Stadtgeschichte die Bürgermedaille der Stadt Kitzingen.
Zum 80. Jahrestag der Deportation der Kitzinger Juden, am 24. März dieses Jahres, wollte Schwinger für unsere Leserinnen und Leser nochmals die wichtigsten Ereignisse aus Sicht des Landkreises Kitzingen zusammenfassen und in dieser Zeitung sowie auf ihren Internet-Seiten veröffentlichen. Leider war er bereits gesundheitlich so angeschlagen, dass er diese Arbeit nicht mehr vollenden konnte. Die Wahrheit und die Aufklärung über die geschichtlichen Ereignisse der Bevölkerung nahe zu bringen, hatte ihn bis zuletzt motiviert.