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Geiselwind
Droht Kahlschlag im Steigerwald? Warum der Kampf gegen den Borkenkäfer nur gemeinsam zu bestehen ist
Viele Fichten bei Geiselwind haben ein Problem: den Borkenkäfer. Warum Waldbesitzer bei Befall schnell sein müssen und er eine Gefahr für den Steigerwald ist.
Damit sich der Borkenkäfer nicht weiter ausbreitet, hat Johann Haubenreich in seinem Wald bei Geiselwind schon fast 100 Fichten schlagen lassen. 
Foto:  Daniela Röllinger | Damit sich der Borkenkäfer nicht weiter ausbreitet, hat Johann Haubenreich in seinem Wald bei Geiselwind schon fast 100 Fichten schlagen lassen. 
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:18 Uhr

Der Käfer ist winzig. Doch hat er die Macht, den ganzen Steigerwald zu gefährden. Wer glaubt, dieser Satz über den Borkenkäfer sei übertrieben, der muss nur mit Johann Haubenreich in den Wald gehen. Auf die ungewollte Lichtung, auf der sich noch vor kurzem Fichte an Fichte reihte. Der Borkenkäfer hat den Bestand an dieser Stelle zerstört, fast 100 Bäume mussten gefällt werden. Schon jetzt steht fest, dass allein im Raum Geiselwind, am Rande des Steigerwalds, viele weitere Bäume folgen werden. An das gesamte Waldgebiet mag man gar nicht denken. 

Unter der Rinde sind die Schäden gut zu sehen, die der Borkenkäfer an den Fichten anrichtet. Lorenz Belz von der Forstbetriebsgemeinschaft zeigt, wie der Schädling stark vergrößert aussieht.
Foto: Daniela Röllinger | Unter der Rinde sind die Schäden gut zu sehen, die der Borkenkäfer an den Fichten anrichtet. Lorenz Belz von der Forstbetriebsgemeinschaft zeigt, wie der Schädling stark vergrößert aussieht.

Bleibt der Forst in diesem Jahr von Schädlingen verschont? Die Hoffnung der Waldbesitzer im kühlen und feuchten Frühjahr hat sich nicht erfüllt. Es ist wieder heiß und trocken – ideale Bedingungen für den Borkenkäfer. Die winzigen Insekten zählen zu den gefährlichsten Waldschädlingen in Bayern, insbesondere der etwa vier bis 5,5 Millimeter große Buchdrucker und der 1,6 bis drei Millimeter große Kupferstecher. Sie bohren sich durch die Rinde und legen darunter ihre Eier ab. Die Larven ernähren sich von den saftführenden Schichten des Baumes, die Fichte stirbt ab. Der Blick in die Statistik ist ernüchternd: 26,6 Millionen Kubikmeter Schadholz wurden 2022 in Deutschland aufgrund von Schäden durch Insekten eingeschlagen.

Für den Laien sieht der Baum gesund aus – "aber er ist schon klinisch tot"

Johannes von Rotenhan und Lorenz Belz von der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Kitzingen entfernen im Gemeindewald bei Gräfenneuses ein Stück Rinde von einer Fichte. Für den Laien sieht der Baum von außen gesund aus. Doch innen in der Rinde und auch im Stamm sind tiefe Rillen zu sehen. "Der Baum ist schon klinisch tot", sagt Förster Michael Grimm vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg. Belz zeigt auf ein kleines Loch: Hier hat sich das Insekt durch die Rinde in den Baum gebohrt, die Eier abgelegt und seitdem fressen sich Larven und Käfer durch in schier unendlichen Gängen. "Wir werden hier etwa zwei Hektar Fläche Fichten-frei machen müssen", kündigt von Rotenhan an. 

Von außen kaum sichtbar, werden die Schäden deutlich, wenn die Rinde entfernt wird.
Foto: Daniela Röllinger | Von außen kaum sichtbar, werden die Schäden deutlich, wenn die Rinde entfernt wird.

Explosionsartige Vermehrung bringt den ganzen Wald in Gefahr

Borkenkäfer vermehren sich rasant. 80 bis 150 Eier legt ein Buchdrucker-Weibchen im Verlauf einer Vegetationsperiode, bis zu drei Generationen gibt es in einem trockenen und heißen Jahr. Ein einziges Weibchen hat damit zehntausende von Nachkommen innerhalb kürzester Zeit. Auch das Borkenkäfer-Monitoring der Bayerischen Forstverwaltung liefert alarmierende Zahlen: In Oberhaid bei Bamberg gingen in der ersten Mai-Woche 2015 Borkenkäfer in eine Kontrollfalle - in der zweiten Juniwoche waren es knapp 16500. Die Käfer verbreiten sich rasant– im Steigerwald, in Bayern, in Deutschland, in Mitteleuropa. 

"Einer alleine schafft es nicht, das zu stoppen", betont Grimm. Dazu müssen alle zusammenhelfen, denn der Borkenkäfer hält sich nicht an Grenzen. Er fliegt schnell auf den Grund des nächsten und übernächsten Nachbarn weiter. Bis zu 500 Meter weit, mindestens. "Wo jetzt eine Fichte befallen ist, sind es schon bald 20. Wenn wir nichts tun, gibt es hier bald keine Fichten mehr." 

Nur gemeinsam ist der Wald zu retten, da sind sich Waldbesitzer Johann Haubenreich, Johannes von Rotenhan und Lorenz Belz von der Forstbetriebgemeinschaft Kitzingen und Förster Michael Grimm vom AELF einig. Ansonsten wird der Kahlschlag noch viel größer als hier bei Geiselwind.
Foto: Daniela Röllinger | Nur gemeinsam ist der Wald zu retten, da sind sich Waldbesitzer Johann Haubenreich, Johannes von Rotenhan und Lorenz Belz von der Forstbetriebgemeinschaft Kitzingen und Förster Michael Grimm vom AELF einig.

Auch von Rotenhan appelliert an die Waldbesitzer, ihre Augen offen zu halten, was Insektenschäden angeht. Weder die FBGs noch die Behörden hätten die Kapazität, alle Wälder zu kontrollieren.

Johann Haubenreich ist einer von tausenden Privatwaldbesitzern in der Region. Er steht in seinem Wald bei Geiselwind, in einem Bereich, der ihm besonders am Herzen liegt. "Wir haben seit sechs Generationen Grund in Geiselwind – und mit diesem Stück hier hat alles angefangen." Jetzt umgeben ihn statt Bäumen nur abgesägte Stümpfe. Innerhalb weniger Tage musste weg, was über Jahrzehnte gewachsen war. Ob weitere Bäume gefällt werden müssen? "Ich hoffe nicht", sagt Haubenreich. "Aber man weiß es nicht."

Ganz genau hinschauen: Woran ein Befall mit dem Borkenkäfer zu erkennen ist

Die Familie ist sich der Borkenkäfergefahr aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre bewusst. Jeden Sonntag kontrolliert Haubenreichs Schwiegersohn seit dem Frühjahr die Bäume im Wald. Schaut genau hin: Sind winzige Löcher in der Rinde? Hat sich irgendwo braunes Bohrmehl festgesetzt? Liegen grüne Nadeln am Boden? Läuft weißes Harz den Stamm hinunter? Ist die Krone rot?

Die weißen Larven sind gut erkennbar.
Foto: Daniela Röllinger | Die weißen Larven sind gut erkennbar.

Wer Anzeichen für einen Befall erkenne, solle unbedingt zügig das Amt oder die Forstbetriebsgemeinschaft informieren. "Dann können wir das anschauen und handeln." Die FBG habe das nötige Wissen, die Fachleute, die Verbindungen, könne bei der Vermarktung bessere Preise erzielen, so Grimm. "Und sie kann zügig den Harvester organisieren." Das ist schneller als Handarbeit – und vor allem weit weniger gefährlich. "Waldarbeit ist eine der gefährlichsten Arbeiten", erklärt der Förster. Man dürfe nie alleine arbeiten, nie ohne Schutzausrüstung – und man dürfe sich auf keinen Fall überschätzen. Doch gerade, wenn mehrere Bäume zu fällen seien, passiere das schnell.

Weißes Harz läuft die Rinde hinunter – ein Zeichen für Borkenkäferbefall. Die rote Kennzeichnung verdeutlicht: Dieser Baum muss gefällt werden.
Foto: Daniela Röllinger | Weißes Harz läuft die Rinde hinunter – ein Zeichen für Borkenkäferbefall. Die rote Kennzeichnung verdeutlicht: Dieser Baum muss gefällt werden.

Haubenreich hat erst mit der Familie gefällt, etwa 50 Kubikmeter, nach und nach. "Dann haben wir gedacht, es ist vorbei. Drei Tage später haben wir die nächsten befallenen Bäume entdeckt und dann die FBG informiert." Die Selbsthilfeorganisation der Waldbesitzer und Gemeinden und die Behörden hätten schnell reagiert, innerhalb einer Woche waren die Bäume gefällt und aus dem Wald gebracht. "Das hat sehr gut funktioniert." Und es zeige ganz deutlich: Einer alleine hat im Kampf gegen den Borkenkäfer keine Chance. "Wir schaffen das nur gemeinsam."

 
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