Ein Mann mit Hut in schicker Kleidung, ein Junge, der sich leger an einen hölzernen Zaun lehnt: Es ist naheliegend, dass ein historisches Foto der Oberen Anlagen ein Buch über das Kitzinger Stadtgrün ziert. Jenen Park, in dem einst nicht nur die gut Betuchten flanierten, sondern den sie, was viele nicht wissen, auch finanzierten.
Etwa zwei Jahre ist es her, dass ein Investor auf dem Schützengelände hinter dem Bahnhof und der Tangente eine große Wohnanlage bauen wollte. 150 Appartements in vier- bis fünfgeschossigen Gebäuden. Die Proteste waren groß, das Projekt wurde nicht verwirklicht, stattdessen wird sich dort die Verwaltungsschule ansiedeln.
"Damals bin ich neugierig geworden auf die Geschichte der Oberen Anlagen", sagt Stadtheimatpfleger Harald Knobling. Er hat recherchiert, im Archiv geforscht, Informationen zusammengetragen und aus der Idee eines Aufsatzes zu dem einst so beliebten Park ist ein Buch in der Reihe der Schriften des Stadtarchivs Kitzingen geworden. Denn so wichtig die Oberen Anlagen in punkto Stadtgrün sind, nur sie zu betrachten genüge nicht. "Es geht um das ganze System."
Die grüne Lunge Kitzingens geht auf eine Initiative der Bürger zurück, die sich im Verschönerungsverein zusammentaten. Wohlsituierte Leute, die sich mit der Stadt identifizierten, die wollten, dass ihre Heimat gut dasteht – als Stadt, deren Wirtschaft floriert. Menschen in schicker Kleidung, mit Hut und Sonnenschirm, die durch einen Park flanieren, in Pavillons sitzen, sich an Brunnen erfreuen, waren für sie wichtiger Teil des Stadtbildes. So sollte das Bild Kitzingens nach außen strahlen. Dafür haben sie gezahlt, denn zwar habe es Schnittstellen mit der Stadt gegeben, weil einige jener bekannten Kitzinger auch Ämter erfüllten, sagt Knobling, aber die Finanzierung sei weitestgehend in privater Hand gewesen. Ein Mäzenat, das längst in Vergessenheit geraten ist.
Auch die Gestaltung des Königsplatzes geht auf Bürger zurück, die privat große Geldsummen investierten, allen voran die Gutsbesitzer Friedrich und Oskar von Deuster. Einst nämlich war der Königsplatz, damals das Gebiet "Sixtenberg", bebaut. "Da stand kein Baum, da standen Häuser", erklärt Harald Knobling. Genauso wie auf einem Teil des Landwehrplatzes, der ebenfalls später mit Bäumen gestaltet wurde.
Die grünen Inseln waren durch Alleen verbunden. Baum an Baum reihte sich einer Perlenkette gleich vom Königsplatz über die Kaiserstraße bis zur Alten Mainbrücke und von dort zum Landwehrplatz. Genauso wie Bäume schon früh die Straßen der "Neustadt" säumten, jenes Gebietes zwischen Bahnhof und Altstadt, in dem sich noch heute beeindruckende Villen befinden. Der "Geist des Verschönerungsvereins", wie Harald Knobling es beschreibt, wirkte an vielen Stellen der Stadt.
Wo man wohnt, sollte es schön aussehen
Der Rosengarten, der zum Park für die Kurstadt werden sollte. Die prächtigen Bäume vom Luitpoldbau hin zur Brücke.... Harald Knobling hat gemeinsam mit Stadtarchivarin Doris Badel viele Bilder aus alten Tagen zusammengetragen und lässt den Leser nachvollziehen, welcher Geist zur damaligen Zeit bei den besser gestellten Bürgern der Stadt herrschte. "Man wollte, dass es schön aussieht dort, wo man wohnt", so der Stadtheimatpfleger.
Zugleich blickt er ausführlich auf die Geschichte des 1878/79 gegründeten Vereins, der mit den Oberen Anlagen ein besonderes Erbe hinterlassen hat. Weinhändler und Fabrikanten, Bankiers und Ärzte, aber auch Handwerksmeister waren dort vertreten. Dass die Idee der Gründungsmitglieder, die Stadt zu verschönern, auf fruchtbaren Boden fiel, belegt die Entwicklung der Mitgliederzahl: Schon 1895 zählte der Verein 331 Mitglieder.
Wer das Buch liest, stellt sich fast zwangsläufig die Frage: Lässt sich der einst so bedeutenden Grünanlage wieder Leben einhauchen? Denn seit etwa 1970 werden die Oberen Anlagen kaum noch genutzt, viele Wege sind zugewachsen. Eine Wiederbelebung so, wie es einst war, kann sich der Stadtheimatpfleger nicht vorstellen. Rein ökologisch erfüllen sie ihre Funktion als grüne Lunge der Stadt, aber sie wieder als Park herzurichten, das wäre kaum zu stemmen. Zudem habe sich der Anspruch der Bürger ans Stadtgrün geändert, wie beispielsweise das Gartenschaugelände zeige. Da spielt auch das Freizeitverhalten eine Rolle, Spielplätze und Sportgeräte.
Der Obstbaumweg, die Schäferinsel, die Schlackenburg, das Nonnenbrünnlein – Harald Knobling ruft in Erinnerung, was viele längst vergessen haben. Und blickt zugleich unter anderem mit dem Gartenschaugelände in die Gegenwart und mit der Umgestaltung der Kaiserstraße und des Königsplatzes in die Zukunft.