Es gibt sie in Kitzingen und Marktbreit, Wiesenbronn und Mainbernheim, und bald soll es sie auch in Nenzenheim und Dornheim geben – vermeintlich herrenlose Gepäckstücke, die an öffentlichen Straßen und Plätzen stehen. So verloren sie wirken, so sehr sollen sie die Erinnerung wachhalten an die beispiellosen Verbrechen der NS-Zeit, hier an die Verschleppung und Ermordung von Millionen von Juden. Das Projekt "DenkOrt Deportationen 1941 - 1944" hat im vergangenen Sommer vom Würzburger Hauptbahnhof aus seine Reise angetreten. Jede unterfränkische Kommune, die bis 1933 noch eine aktive jüdische Gemeinde hatte, ist dazu aufgerufen, sich zu beteiligen. Bisher haben das 47 Gemeinden getan.
Lebendige jüdische Gemeinden in den Dörfern
In Dornheim gab es bis 1939/40 eine kleine jüdische Kultusgemeinde, der in den 1860er Jahren bis zu 60 Einwohner angehörten, damals ein Siebtel der Dorfbevölkerung. Ende des 19. Jahrhunderts wanderten viele Familien ab, und so lebten um 1920/1930 nur noch wenige jüdische Familien im Dorf. Die letzten drei jüdischen Dorfbewohnerinnen wurden Ende November 1941 ins Ghetto Riga deportiert. Die Dornheimer Synagoge war noch vor der Pogromnacht 1938 verkauft worden. So liest man es auf der Internetseite des "Lexikons der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum". In Nenzenheim waren demnach bis 1938 noch 14 jüdische Personen im Dorf verblieben: Acht emigrierten in die USA, fünf nach Palästina. Von den letzten vier jüdischen Einwohnern wurden zwei im April 1942 von Nenzenheim aus via Würzburg nach Izbica (Polen) deportiert, die anderen zwei im Juni 1942 über Fürth ins Ghetto Theresienstadt.
Auf historischen Aufnahmen sieht man neben langen Schlangen von Menschen, die zu den Zügen geführt wurden, unzählige Gepäckstücke liegen. Darauf stützt sich das Projekt "DenkOrt Deportationen", getragen vom gleichnamigen Verein und einem breiten gesellschaftlichen Bündnis, das im vergangenen Sommer die zentrale Gedenkstätte am Würzburger Hauptbahnhof einweihte. Erinnert wird an das grausame Schicksal jüdischer Mitbürger in der Region, die vom Nazi-Regime verschleppt und ermordet wurden. Das Projekt verfolgt einen interessanten Ansatz: Nicht ausschließlich professionelle Künstler gestalten die Taschen und Koffer. In Iphofen sind 21 Jugendliche der Mittelschule in die Aktion eingebunden.
Die Acht- und Neuntklässler entwerfen zunächst dreidimensionale Zeichnungen und bearbeiten dann auf dieser Grundlage – gemeinsam mit einem Steinmetz und ihren Fachlehrern – die Objekte aus Muschelkalk und Sandstein. Diese werden später – zusammen mit einer Gedenktafel – an markanten Stellen in den Dörfern aufgestellt: in Dornheim etwa neben der evangelischen Kirche, in Nenzenheim an der Bushaltestelle in der Hauptstraße. Die Stadt Iphofen trägt die Kosten, die sich laut Bürgermeister Dieter Lenzer auf gut 2500 Euro je Stadtteil belaufen. Auch Hüttenheim und Rödelsee haben bereits entschieden, bei der Aktion mitzumachen.
Wichtiger Beitrag zur historischen Bildungsarbeit
In Dornheim war vor einiger Zeit der Vorschlag, sogenannte Stolpersteine zu verlegen und auf diese Weise an die verschleppten jüdischen Mitbürger im Dorf zu erinnern, nicht weiter verfolgt worden. Inzwischen liegen nach Worten von Iphofens Stadtarchivarin Susanne Kornacker wissenschaftliche Ergebnisse vor, die es ermöglichen, die Namen der Opfer sicherer zu benennen. Für die Schüler würden Teile der NS-Geschichte – Themen wie Holocaust und Antisemitismus – mit der Beteiligung an dem Projekt greifbarer, sagte Kornacker am Montagabend im Iphöfer Stadtrat. "Durch die Zusammenarbeit mit der Schule wird ein wichtiger Beitrag zur historischen Bildungsarbeit geleistet." Weil die Schulen wegen des Shutdowns derzeit nur Distanzunterricht haben, muss der praktische Teil des Projekts warten.
Auch Stadträtin Peggy Knauer, die als Lehrerin an der Grund- und Mittelschule arbeitet, sprach von einer "Bereicherung für unsere Mittelschüler". Diese lernten die NS-Zeit dadurch aus anderer Perspektive kennen, nicht nur mittels Theorie aus Büchern. Jürgen Kößler betonte, es gebe in der Gesellschaft immer mehr Tendenzen, den Holocaust zu leugnen. Umso wichtiger sei es für die Demokratie, sich zu erinnern, dass es "direkt vor unserer Haustür" Unrecht gab.