Haben Sie schon einmal mit einer Königin Wein getrunken? lautet die Frage auf dem Titelblatt zum „Großen Weinfest“ am 30./31. Oktober und 6./7. November 1954 in Kitzingen. Eingeladen wird zum „Stelldichein mit einem gekrönten Haupt, Doris I.“ – wobei der trinkfreudige Gast keine Angst haben müsse vor allzu viel Hofklatsch. „Sie werden nicht der einzige Günstling Ihrer Majestät sein!“
Zum Programm wird angemerkt, „dass es nur bis zum zweiten Schoppen Federweißen verbindlich ist“. Angekündigt sind am Sonntag, 31. Oktober 1954, Sonderzüge aus Nürnberg, Bamberg und Schweinfurt. Eine Woche später ist Briefmarken-Tauschbörse, und passend dazu verkehrt eine historische Postkutsche zwischen Marktplatz und Festhalle.
Laut Statistik existierte das Weinfest nicht
Klingt spannend. Und doch: Laut offizieller Statistik der Stadt hat es dieses Weinfest nie gegeben. Die Zählung beginnt vier Jahre später, als der Kitzinger Gewerbeverein die Veranstaltung übernimmt, das Fest unter Leitung von Fritz („Papa“) Schröck organisiert. Zur Eröffnung am 2. Oktober 1958 kommen die Deutsche Weinkönigin Karolin Hartmann und die Fränkische Weinkönigin Rosemarie Schreck in die Florian-Geyer-Halle. Premiere hat auch das „Kitzinger Weinlied“, in dem es unter anderem heißt:
Lockt Frankenwein im Glase:
Mit Rebengold aus Sonnenschein
begießt man sich die Nase.
Da lacht der Falterturm für sich.
Wenn wir so fröhlich bechern.
Denn schief wie ihm sitzt sicherlich
Der Hut bald allen Zechern."
Am teuersten war der Silvaner
Oberbürgermeister Oskar Klemmert dankt im 1958er Programmheft dem Gewerbeverein dafür, „dass dieser es als seine erste Aufgabe ansieht, diese schöne Tradition wieder zu beleben“. Den Ausschank in den Nischen und Lauben übernehmen die Gastwirte Willi Müller (Alter Fritz), Andreas Link (Siedlerheim), Mathilde Huber (Zum Gambrinus) und Hans Schmiedhammer (Weißes Lamm). Angekündigt sind Weine aus den Lagen Kitzingen, Rödelsee, Iphofen und Sommerach.1967 wird – der kuriosen Zählung folgend – das zehnte Weinfest gefeiert. Vor 50 Jahren wird auf der Speisekarte das 1/2 Masthähnchen für 3,80 DM angeboten, die Fischbraterei hat Premiere. Schon für 1,50 DM gibt es einen Sulzfelder Silvaner („fruchtig elegant), am teuersten ist der Iphöfer Silvaner („frisch und körperreich“) für 2,20 DM.Der Drei-Liter-Bocksbeutel Rödelseer Küchenmeister vom Weingut Hans Röser kostet 25 DM. In der kommenden Woche, ab Freitag (23. Juni) wird nun also das 60. Weinfest in Kitzingen gefeiert: Vier Tage geht es rund am Main, wo seit 1993 geschöppelt und geschunkelt wird. „Das Ambiente ist wunderbar“ findet Hofrat Walter Vierrether, der sich schon als kleiner Bub mit seinen Kumpels vor der Florian-Geyer-Halle rumgetrieben hat. „Als Kinder war das Weinfest für uns wie das Paradies. Es gab viel zu schauen. Und es war was los.“1979 zog das Weinfest auf den Kitzinger Marktplatz um. Das Ambiente sei immer noch nicht mit dem Schlosspark in Castell oder dem Festplatz in Volkach zu vergleichen, aber für Kitzingen die beste Lösung, hieß es dazu in einem Zeitungsartikel. Inzwischen ist Walter Vierrether vom Weinfest-Zaungast zum Weinfest-Akteur geworden: Als Hofrat führt er ab 1987 Weinhoheiten und Symbolfiguren in Kitzingen an. Der 65-Jährige muss lachen, als er von den Amerikanern erzählt, die über Jahrzehnte zum Weinfest fest dazugehört hatten, bis zum Abzug 2006. „Die Kerle haben den Wein wie Bier runtergekippt“. Oft sei ein Maßkrug mit Wein gefüllt und ruckzuck geleert worden.
Oft gab es Ärger
„Es ist kein Wunder, dass es da ziemlich oft Ärger gegeben hat.“Georg („Schorsch“) Schwarz war seinerzeit Leiter des Kitzinger Rechts- und Ordnungsamtes. „Es gab immer Probleme. Um Straftaten und Schlägereien kümmerten sich Militärpolizei und unsere Polizei, während bei mir die Beschwerden der Anlieger landeten.“Er habe für jedes Weinfest einen eigenen Aktenordner angelegt, erinnert sich Schwarz am Telefon. „Es war richtig, 1993 vom Marktplatz an den Main zu wechseln. Das Gelände dort ist viel schöner.“ In der Altstadt sei es immer eng zugegangen, Auf- und Abbau eine Tortur gewesen, so der Rentner aus Castell.Die Außenstelle des Hofrats in Laos
„Und die Geschäfte ringsherum fühlten sich auch gestört vom Lärm und den Hinterlassenschaften der Weinfestbesucher.“ Seit das Kitzinger Weinfest am letzten Juni-Wochenende ist, stößt Walter Vierrether mit seiner Brigitte dort oft zum Hochzeitstag (24. Juni) an. Seine Lieblings-Anekdote dreht sich um einen Praktikanten der VR Bank aus Laos: „Der hatte meine Statur. Also habe ich ihm eine Hofrat-Montur geliehen, ihn den Kitzingern als 'Hofrat der Außenstelle Laos' präsentiert – eine Riesengaudi“.Am besten jedoch sei gewesen, dass der Mann sein Kostüm gar nicht mehr hergeben wollte. „Er hat sich sauwohl gefühlt zwischen all den Weinprinzessinen.“ Gerne erinnert sich „Rentner Walter“ auch daran, als eine Kapelle aus Kulmbach mit 40 Musikern auf einer Bühne im Main für die Weinfestbesucher gespielt hat. „Mein großer Traum ist und bleibt, dass wir einmal so etwas hinbekommen wie 'Der Mee brennt'.“ Schiffe auf dem Main, Illumination an beiden Ufern – Vierrether hat da klare Vorstellungen.
„Ich war irgendwann in Koblenz, bei 'Rhein in Flammen'. Das ist unvergessen.“
60. Kitzinger Weinfest
Das Programm beim diesjährigen Weinfest:Freitag, 23. Juni: 18 Uhr Einlass, 19 Uhr Eröffnung mit den Stammheimer Musikanten, ab Einbruch der Dunkelheit Musikwassershow auf dem Main. Samstag, 24. Juni: ab 14 Uhr Training zum 7. Kitzinger Drachenbootrennen, 18.30 Uhr Festumzug durch die Stadt, 19 Uhr musikalische Unterhaltung mit den Großlangheimer Musikanten. Sonntag, 25. Juni: ab 10.30 Uhr Weißwurst-Frühschoppen, anschl. Mittagstisch, 11 Uhr 7. Kitzinger Drachenbootrennen und großes Familienprogramm, Hits aus den letzten drei Jahrzehnten mit „Cloud 7“. Montag, 26. Juni: 17 Uhr Rock und Oldies mit „The Jets“, ab 18 Uhr Spanferkel vom Rost, bei Einbruch der Dunkelheit Musikwassershow auf dem Main.