
Mehr als fünf Tische hat es im Innenbereich nicht, das kleine Café Voilà am Marktturm in Kitzingen. Dieser ist vielen vermutlich besser bekannt als "größte Adventskerze Bayerns", die in der Vorweihnachtszeit über Kitzingen leuchtet. Und an den Fuß dieser Kerze, also des Turms, schmiegt sich also das winzige Café. Im Sommer kommen noch vier Außentischchen dazu.
Zentral gelegen direkt im Durchgang zum Marktplatz lockt es nicht nur Touristen an, nein, viele Einheimische haben hier so etwas wie ihre zweite Heimat gefunden. Nur rund 16 Quadratmeter nennt der französische Besitzer Abdel Zellat sein Eigen, durch einen geschickt angebrachten Spiegel gegenüber dem Eingang wirkt aber alles etwas größer.
Die genaue Kaffeemischung ist ein Geheimnis
Man kommt zunächst wegen des Kaffees hierher, bei dem Zellat selbst die Mischung herstellt. Monatelang hat er mit einem kaffeebegeisterten Mitarbeiter des Landratsamtes gegenüber immer in der Mittagspause an der richtigen Mischung herumgetüftelt. Ein bisschen mehr Robusta-Bohnen in die Moulinex hineingegeben, dann wieder etwas mehr Arabica.
Grundlage ist der Romcaffè aus Italien. Das genaue Mischungsverhältnis, auf das sich damals die beiden Entwickler geeinigt haben, bleibt bis heute ein Geheimnis, sonst könnte es ja auch jeder nachmachen.

Eine Mischung aus Italien und Frankreich will Zellat in seinem Café anbieten: Italienische Cornettos liegen in der Auslage neben französischen Macarons, die seine Frau immer bäckt. Diese Doppelkekse aus feinem Mandelmehl, Eiweiß und Puderzucker, mit Lebensmittelextrakten gefärbt, stammen eigentlich aus Tunesien. Es ist ein arabisches Gebäck, das schon im 9. Jahrhundert erwähnt wird und später den Weg nach Frankreich gefunden hat.
Das Rezept für die Macarons stammt vom Cousin aus Paris
Auch am Hofe Ludwigs des XIV. buk man es, bald auch schon gefüllt mit Crèmes. Zellats Frau bäckt sie nach einem Rezept von ihrem Cousin, der bei Paris als Patissier/Konditor arbeitet. Die typischen französischen Millefeuilles (aus Blätterteig), Eclairs (zu deutsch Liebesknochen) und einen schokoladigen Kuchen hat sie auch im Programm.
Die Getränkekarte kann den Franzosen in Zellat nicht leugnen: der Kaffee heißt hier Café, Café au lait, Café décaféiné, und: Café allemand, der deutsche Kaffee. Aber auch Cappuccino, Espresso für den italienischen Anteil. Der Chocolat au lait ist so dick, dass schon fast der Löffel drin stehen bleibt, als Chocolat Royal mit einem Espresso verlängert. Wie in kleinen französischen Cafés kann man auch einen Toast oder ein Sandwich bestellen.

Abdel Zellat selbst kommt aus Algerien, hat dort noch bis zum 6. Lebensjahr Arabisch gelernt und ist dann mit seinen Eltern nach Marseille ausgewandert. Später kam er nach Köln, begann ein Philosophiestudium und lernte bald seine jetzige Frau auf der Domplatte kennen. Sie war mit der Schule auf einem Ausflug von Kitzingen aus in der Stadt am Rhein. 1991 haben sie geheiratet. Er folgte ihr nach Kitzingen und übernahm 2012 von einem Italiener das Café am Kitzinger Marktturm, das ganz früher mal ein Gemüseladen gewesen war.
Und wie in Frankreich ist auch Zellats Kitzinger Café ein Ort der Begegnung, in dem sich Menschen aus allen Schichten und aus aller Herren Länder treffen. Abdel Zellat ist selbst Algerier und meint: "Zu mir als Zugewandertem finden auch Menschen herein, die sonst den Kontakt scheuen: Flüchtlinge aus aller Welt, kopftuchtragende Frauen, Menschen mit nur sehr kleiner Rente."

Am Vormittag treffen sich viele Ruheständler, die hier ihr zweites Wohnzimmer haben und eifrig die Neuigkeiten vom Tage austauschen. Und die, die nicht so kontaktfreudig sind, taut Zellat mit seinem Humor auf, bedient alle selbst und setzt sich zu einem einzigen Gast an den Tisch zu einem Plausch. "Die Stimmung im Café ist französisch", sagt er, "daran habe ich gearbeitet!" Damit meint er, dass die Deutschen generell etwas vorsichtiger seien als die Franzosen, zurückhaltender. Aber das habe er schon im Laufe der Jahre hinbekommen.
Auf kleinen Kärtchen führen Stammkunden Strichlisten
Seine Kundinnen und Kunden kennt er fast alle mit Vornamen, und viele haben auch ein kleines Kärtchen bei ihm, wo sie einen Betrag für den Monat einzahlen und so nicht immer das Portemonnaie zücken müssen. Außerdem machen sie untereinander kleine Wetten, und wenn sie gewinnen, bekommt das ein Bedürftiger.
Seine Kunden haben ihn in der Coronazeit, als er mehrere Monate schließen musste, spüren lassen, dass er für sie wichtig ist: Mehrmals seien Menschen zu ihm nach Hause gekommen, mit einem Umschlag mit Geld in der Hand zur Unterstützung. Zellat wirkt selbst sehr sozial, "leben und leben lassen" ist seine Devise. Was ihm seine Kunden danken, in dem kleinen Stückchen Frankreich mitten in Kitzingen.