Eines steht jetzt schon fest: Mit Wolfgang Bosbach als Schlappmaul 2017 hat die Kitzinger Karnevalsgesellschaft (KiKaG) ein feines Gespür bewiesen: Der CDU-Innenexperte ist Karnevalist durch und durch.
Und wie es der Zufall will, wird ausgerechnet die frühere Bundesjustizministerin von der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Laudatio auf ihren einstigen Widersacher halten.
„Persönlich hatten wir immer ein gutes Verhältnis. Politisch aber gibt es kein Thema, über das wir nicht intensiv gestritten haben, insbesondere im Bereich Innere Sicherheit“, erzählt der 64-Jährige beim Interview in seinem Berliner Büro neben dem Hotel Adlon – und klopft sich beim nächsten Satz lachend auf die Schenkel. „Als ich gelesen habe, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Laudatio auf mich halten muss, da habe ich mir gedacht: Das geschieht ihr recht.“
Die Liberale und der Wertkonservative: Da darf man sich bei Laudatio und Dankesrede auf fein gesetzte Nadelstiche freuen, auf geschliffen formulierte Bosheiten – mithin auf alles, was ein richtiges Schlappmaul ausmacht.
Prominente Vorgänger
Er sei etwas überrascht, ja geradezu gerührt gewesen, als ihn die Anfrage des Kitzinger Senatspräsidenten Volkhard Groß erreichte, ob er 33. Träger des Schlappmaulordens werden wolle. „Ich habe Kitzingen immer mit der Ordensverleihung in Verbindung gebracht, weil es ja eine Liste von prominenten Vorgängern gibt“, so Bosbach. Helmut Kohl, Hans-Dietrich Genscher, Regine Hildebrandt – wegen der Prominenz der Vorgänger habe er sich gefragt: „Passt du in diese Liste? Schließlich hatte ich ja kein herausgehobenes politisches Amt inne wie Minister oder Staatssekretär.“
Eine bestenfalls rhetorische Frage. Schließlich ist der Abgeordnete aus Bergisch Gladbach in allen Talkshows gern gesehener Gast, weil er eine „gar trefflich lockere Zunge“ hat und ein „schlagkräftiges Wort“ zu führen weiß – also genau das, was satzungsgemäß von einem Schlappmaul gefordert wird. Hinzu kommt: Bosbach war vor genau 40 Jahren Karnevalsprinz und später 22 Jahre Präsident der Karnevalsgesellschaft „Große Gladbacher von 1927“, ist seitdem dort Ehrenpräsident.
Tränen in den Bergen
Kitzingen statt Köln an Rosenmontag – das geht für den Mann eigentlich gar nicht. Das erste Mal war Bosbach Ende der 1970er Jahre just an diesem Tag zum Skilaufen in Sölden, weil er dem Karnevalstrubel entfliehen wollte. „Abends wurden dann die Rosenmontagszüge im Fernsehen übertragen, und da sind mir wirklich die Tränen gekommen“, erinnert er sich genau, und dachte: „Jetzt bist du hier und die feiern Karneval. Die zögern keinen Moment, obwohl ich nicht dabei bin. Was mache ich hier in den Bergen? Wie bin ich überhaupt hier hingekommen?“
Sein zweites Mal
Seitdem ist Bosbach nie mehr an Karneval verreist: Kitzingen wird jetzt sein zweites Mal. Gattin Sabine wird ihn nicht nach Franken begleiten. „Sie ist begeisterte Karnevalistin, ihr Vater war einst Bauer im Dreigestirn. Wir haben uns auf einer Karnevalsveranstaltung kennengelernt. Wir haben Tribünenkarten für den Umzug in Köln, da bekomme ich meine Frau nicht weg. Und selbstverständlich sind auch meine Kinder dort.“
So ganz verzichtet auch das neue Schlappmaul nicht, hat vielmehr einen cleveren Zeitplan ausgetüftelt: Einen Teil des Zuges verfolgt Jeck Bosbach auf einer Tribüne unweit des Kölner Hauptbahnhofs. „Ich habe meinen Koffer dabei und springe von dort direkt in den Zug.“ Ein Spiel, das sich an Rosenmontag 2018 wiederholen könnte, wenn er als Laudator gefragt sein wird. „Dann muss ich wohl erneut auf meine Frau verzichten. Aber für Kitzingen würde ich jedes Opfer bringen.“
Eine Karnevalsveranstaltung?
Bosbach ist sich nicht sicher, ob er schon einmal in der alten Weinhandelsstadt war, verweist auf Tausende von Veranstaltungen. „Aber wenn, war es sicher keine Karnevalsveranstaltung, sondern eine politische.“
Da hat der Mann absolut recht: Denn wenn, dann wäre es bei uns natürlich eine Faschingsveranstaltung gewesen! „Ha, das stimmt.“ Bosbach lacht herzlich über diesen Vorhalt, hat zum hochbrisanten „Glaubenskrieg“ Fasching oder Karneval sogleich eine nette Anekdote parat: Anna von Bayern, Publizistin aus München, hat eine Biografie über den CDU-Politiker geschrieben. „Ich habe vorher zu ihr gesagt: Sie bekommen alle Dokumente, Terminkalender, was Sie wollen. Auch alle Zeitungsausschnitte, die meine Eltern gesammelt haben. Schreiben Sie das, was Sie gerne schreiben möchten.“
Aber – und darauf legte Bosbach größten Wert, „der Inhalt muss richtig sein. Ich werde nicht Ihre Bewertungen im Manuskript korrigieren, aber die Tatsachen müssen stimmen.“ Als Monate später das Manuskript ankam, musste Bosbach umgehend zum Rotstift greifen. „Ich habe überall Fasching durch Karneval ersetzt“, hat er zu ihr gesagt. „Wenn bei mir zu Hause bekannt wird, dass ich Faschingsprinz war, ist meine karnevalistische Karriere sofort beendet. Und meine politische ebenfalls. Fasching geht bei uns gar nicht. Umgekehrt ist das wahrscheinlich ebenso.“
Das kölsche Unwort
Wieder einmal lachen wir beide beim Gespräch in Berlin: Denn kurioserweise steht auf meinem Fragenzettel just das kölsche Unwort Faschingsprinz. „Also, wir Rheinländer sind ja ein tolerantes Volk. Aber 'Helau' und 'Fasching' gehen gar nicht“, sagt Bosbach mit gespieltem Ernst. „Und machen Sie nie den Fehler, in einer Kölner Brauereigaststätte ein Altbier zu bestellen. Das ist dann dort ihr letztes Getränk“, erzählt er zur Rivalität zwischen Köln und der Altbier-Hochburg Düsseldorf.
Dass der umtriebige Ehrengast in Kitzingen nicht das Deutsche Fastnachtmuseum besucht, hat indes nichts mit dessen Namen zu tun, sondern mit Bosbachs nächstem Termin. Sein Zug fährt Dienstag um 8.55 Uhr in Würzburg ab – nach Bielefeld. „In die nächste Karnevalshochburg“, wie er ironisch nachschiebt.
Beckstein und Söder
Dass sich der Mann zumindest rudimentär im Fasching auskennt, zeigt sich beim Thema Fastnacht in Franken: „Da geht es um Veitshöchheim?“, fragt er und freut sich über den Volltreffer. „Ich weiß, dass dort vor Jahren Günther Beckstein und Markus Söder in grandiosen Kostümierungen aufgeschlagen sind.“
Wenn nicht alles täuscht, müsste Bosbach sich bei der Sitzung in Kitzingen ziemlich wohl fühlen: Dort gibt es noch die traditionelle Mischung aus Büttenreden, Garden und Musik, mit der Bosbach einst groß geworden ist. Im Rheinland ist Konzept längst anders: „Wir haben mittlerweile eine so große Zahl an herausragenden Bands, dass sich die Vereine bemühen, der Erwartungshaltung des Publikums gerecht zu werden. Bei uns feiert man eher eine große Party.“
Der Kitzinger Schlappmaul-Orden
2017 Wolfgang Bosbach 2016 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
2015 Waldemar Hartmann
2014 Claudia Roth
2013 Wolfgang Kubicki
2012 Alfons Schuhbeck
2011 Michl Müller
2010 Marcel Reif
2009 Chris Böttcher
2008 Gabriele Pauli
2007 Günther Beckstein
2006 Marcus Fahn
2005 Klaus-Karl Kraus
2004 Franz Maget
2003 Gregor Gysi
2002 Guido Westerwelle, Markus Walsch
2001 Erwin Huber
2000 Helmut Kohl
1999 Hans Spitzner
1998 Regine Hildebrandt
1997 Bodo Hauser und Ulrich Kienzle
1996 Lothar Späth
1995 Peter Gauweiler
1994 Renate Schmidt
1993 Hans-Dietrich Genscher
1992 Jürgen Möllemann
1991 Wolfgang Bötsch
1990 Bernd Heller
1989 Schorschla von der Fischergass
Restkarten für die 1. KiKaG-Sitzung am Sonntag (19. 2./ab 17.11 Uhr) gibt es an der Abendkasse. Vorher ist am Sonntag (10 Uhr) der Faschingsgottesdienst in der Kitzinger Stadtkirche.