Einen Namen hat er nicht. Aber er ist in aller Munde. Zumindest bei den Mitarbeitern der Gebietswinzergenossenschaft Franken (GWF) in Repperndorf. Dort ist bei Sondierungsarbeiten für den Bau einer neuen Kelterhalle das gut erhaltene Skelett eines jungen Mannes aus dem fünften Jahrtausend vor Christus gefunden worden.
Ungewöhnliche Funde
Die Stelle ist mit einem Zeltdach gesichert, eine wissenschaftliche Mitarbeiterin kniet in der rund 60 Zentimeter tiefen Grube und fertigt eine Zeichnung an. Fast schon unspektakulär wirkt die Szene. Dabei sind hier, in unmittelbarer Nähe der Gebietswinzergenossenschaft, einige ungewöhnliche archäologische Funde ausgegraben worden. „Das ist schon sehr, sehr spannend“, sagt Dieter Heyse von der zuständigen Ausgrabungsfirma aus Schwarzach am Main. Funde aus drei verschiedenen Epochen auf so engem Raum seien sehr selten, so genannte Schlitzgruben mit einer Tiefe von 1,80 Meter und Breite von drei Metern habe er in 25 Jahren Arbeit noch nie gefunden. Und ein Skelett aus dem Mittelneolithikum (4900 bis 4300 vor Christus) finde man auch nicht alle Tage.
Andreas Oehm steht neben der Grube und hört dem Ausgrabungsleiter erstaunlich entspannt zu. Im November 2018 hatte die GWF den Start für den Neubau einer 4600 Quadratmeter großen, zentralen Kelterhalle bekannt gegeben. Zwischen zwölf und 14 Millionen Euro investiert die größte fränkische Winzergenossenschaft in den Bau, der wegen seiner Kreuzform an ein Kirchenschiff mit zwei Seitenflügeln erinnern wird. Die Kelter reicht bis 7,7 Meter unter und maximal acht Meter über die Erde. Der Zeitplan für die Arbeiten ist eng getaktet. Archäologische Funde sind für Bauherren in der Regel so willkommen wie Spätfröste im Mai für Winzer. „Für 80 Prozent der Auftraggeber sind solche Untersuchungen eine Last“, sagt Dieter Heyse. „Hier sind wir durchweg positiv begleitet worden.“
Keramik, Muscheln und Beile
Für Andreas Oehm und die GWF waren die Sondierungsarbeiten absolutes Neuland. Zwei Bodendenkmäler in der Nähe des Bauprojektes waren schon vorab bekannt gewesen. „Wir dachten, dass wir in der Mitte dieser Flächen liegen und nichts finden würden“, erinnert sich Oehm und lacht. „Das war wohl ein wenig naiv gedacht.“
Mitte November starteten die ersten Sondierungen. Und schon wurden rund 30 Funde aus dem Erdreich geholt. Zwei Bestattungen, Werkgruben, Steinbeile. Die Entscheidung war klar: Das komplette, rund 1,3 Hektar große Areal musste untersucht werden.
Anfang Januar wurde die Humusschicht abgetragen und es kamen Vorratsgruben, Keramikscherben und vieles mehr zum Vorschein. „Befunde, die eine wiederholte Besiedlung und Nutzung des Areals über einen langen Zeitraum belegen“, wie Projektleiter und Archäologe Dr. Scott Tucker erklärt. Aus der Zeitspanne zwischen 4900 und 800 vor Christus stammen die Funde. Oehm scheinen sie durchaus mit Stolz zu erfüllen. „Wir haben jetzt nicht nur den Bullenheimer Berg als besondere archäologische Stätte in der Region Unterfranken, sondern auch den Buchbrunner Berg.“
Mit der Verzögerung kann er gut umgehen. „Wir liegen auch jetzt noch im Zeitrahmen“, versichert der GWF-Vorstandsvorsitzende. In vier Wochen sollen die eigentlichen Bauarbeiten beginnen. Die Funde werden dann längst bei der Anthropologischen Staatssammlung in München liegen. Auch das Skelett aus dem Mittelneolithikum. Das soll in Kürze in einem Block aus dem Boden gehoben und zunächst an einen sicheren Ort gebracht werden, wo die Entscheidung mit dem Landesamt für Denkmalpflege getroffen wird, ob es quasi im Block restauriert oder in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst wird. Interessant für weitere Forschungszwecke ist es allemal.
Todesursache wird untersucht
„Wissenschaftliche Mitarbeiter und Studenten werden den Fund untersuchen, Facharbeiten und Studienarbeiten anfertigen“, erklärt Dr. Ivonne Weiler-Rahnfeld vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Dank moderner Technologien ließe sich beispielsweise das genau Alter, die Todesursache und vieles mehr herausfinden, letztlich die gesamte DNA bestimmen.
Schon jetzt lässt sich sagen, dass zwei von insgesamt vier Bestattungen auf dem Buchbrunner Berg aus der „Schnurkeramischen Kultur“ (2800 bis 2350 vor Christus) stammen. Darunter befand sich ein Skelett, dem man zwei Keramikgefäße mit ins Grab gelegt hatte. Keramikscherben, Tierknochen oder Flussmuscheln stammen aus der späten Bronzezeit, der so genannten Urnenfelder Kultur (1300 bis 800 vor Christus). Auch wenn sich die Wissenschaftler jetzt näher mit den Fundstücken befassen werden: „Besitzer ist und bleibt der Grundstücksbesitzer“, erklärt Heyse.
Oehm hört das gerne – auch wenn er sich zurzeit noch nicht ganz im Klaren ist, was eine Winzergenossenschaft beispielsweise mit einem Skelett anfangen könnte. In einer Vitrine ausstellen? Dem Verein „Geschichte in Buchbrunn“ übergeben – oder dem Staat Bayern? Alles ist zurzeit denkbar. Nur eines sollte Andreas Oehm bedenken. Das Skelett muss auf jeden Fall gut gelagert werden. Aber das dürfte dem Weinfachmann nicht gänzlich unbekannt sein.
Funde in Buchbrunn
In den Jahren 2001/2002 wurde am Rande des Dorfes die größte linearbandkeramische Siedlung Nordbayerns ausgegraben. Ein Teil der Funde aus dieser Grabung, die eine Besiedlung zwischen 5200 und 4900 v. Chr. beweist, wird im Rathaus in einer Dauerausstellung gezeigt. Am Platz der Grabung erinnert eine Tafel an die Siedlung. Auf dem Gelände der Verbandsschule steht der Nachbau eines bandkeramischen Langhauses.
Die neuesten Funde auf dem Gelände der GWF liegen ebenfalls auf Buchbrunner Gemarkung. Die Gemarkungsgrenze zwischen Buchbrunn und Repperndorf verläuft genau zwischen dem bestehenden Gebäude und dem geplanten Neubau.