Diese Stube ist eine Zweizimmerwohnung: Im Wohnzimmer stehen ein winzig kleiner Nierentisch und zwei hellgrüne Cocktailsessel. Im Schlafzimmer liegen selbstgenähte Kissen auf dem schmalen Bett. Und oben auf der Dachterrasse können es sich die Figuren auf der Hollywood-Schaukel und auf Spaghettistühlen bequem machen. Manuela Kube hat diese Puppenstube in den 1950er Jahren zu Weihnachten geschenkt bekommen. Heute steht sie in ihrem privaten Spielzeugmuseum im Alten Schloss Sugenheim (Lkr. Neustadt an der Aisch) am Rande des Steigerwalds.
Ein altes Schloss wird zum Museum
Seit 1988 stellt das Ehepaar Kube im ersten Obergeschoss ihres Schlosses Spielzeug aus. Puppen, Puppenstuben, Puppenküchen, Schaukelpferde, Blechspielzeug, Spiele, Kindernähmaschinen, Eisenbahnen, Ritterburgen, Kinderbücher und Zinnfiguren – über 10 000 Exponate füllen die Vitrinen. Im zweiten Obergeschoss des trutzigen Schlosses mit den vier Ecktürmen wohnen die Kubes selbst – in vielen kleinen Zimmern samt Mini-Balkon.
Zweimal im Jahr veranstalten die Kubes Auktionen, bei denen militärhistorische Antiquitäten unter den Hammer kommen. Jan Kube ist seit fast 30 Jahren Experte für Militaria bei der Sendung "Kunst und Krempel" des Bayerischen Rundfunks. Immer an seiner Seite, ob vor oder hinter der Kamera: seine Frau Manuela. Bei ihrer Arbeit als Auktionatoren seien sie immer wieder auf Spielzeug gestoßen, sagt die 75-Jährige. So ist in über 30 Jahren eine stattliche Sammlung entstanden.
Puppenhäuser sind schon immer die Leidenschaft von Manuela Kube. Früher, erzählt sie, "hat man Puppenhäuser zu Weihnachten aufgestellt, und erst an Maria Lichtmess am 2. Februar verschwanden sie wieder auf dem Dachboden". Die älteste Puppenstube aus ihrer Sammlung stammt aus dem Jahr 1795: eine Rauchküche, liebevoll eingerichtet mit Zinnkrügen und Zinntellern, ja sogar Kerzenständern im Miniaturformat.
Kindheit früher: Spielen, aber nur unter Aufsicht
Die Geschichte der Puppenstube gehe bis ins 16. Jahrhundert zurück, sagt die Sammlerin. Damals waren Puppenhäuser dem Adel vorbehalten. Im 17. und 18. Jahrhundert griffen reiche Patrizierfamilien in Nürnberg und Augsburg die Idee auf und ließen sich ihre Häuser im Kleinformat nachbauen, vor allem um ihren Reichtum zu zeigen. "Spielen durfte man in diesen Puppenhäusern – wenn überhaupt, nur unter Aufsicht."
Die prachtvollen Puppenhäuser dienten auch dazu, Mädchen spielerisch auf ihre spätere Aufgabe als Hausfrau vorzubereiten, sagt Kube. Es gab sogar spezielle Kochbücher für Puppenküchen. "Die kleinen Küchen waren funktionsfähig und konnten befeuert werden, so dass die Kinder kochen und backen konnten." Etwas gefährlich sei das sicher schon gewesen, sagt die Sammlerin: "Kochen durften die Kinder wohl auch nur unter Aufsicht."
Kochbücher für Puppenmuttis
Auch Henriette Löfflers "Praktisches Kochbüchlein für die Puppenküche" von 1890 ist in ihrer Sammlung zu sehen. In diesem Büchlein konnten die Mädchen die einfache Zubereitung von Suppen, Salaten, Pasteten, Pudding, Kuchen und Getränken erlernen. Im Buch "Haustöchterchens Kochschule" heißt es sogar explizit: "Was dir jetzt ein heiteres Spiel ist, wird dir auch später eine liebe Tätigkeit sein."
Manuela Kube kann zu jedem Stück ihrer Sammlung eine Geschichte erzählen. "Die kleinen winzigen Möbel wurden oft in eigenen Manufakturen gefertigt", sagt sie. "Oder man hatte geschickte Leute in der Verwandtschaft, die nicht nur Teppiche weben und Vorhänge selbst nähen, sondern auch Möbel schreinern konnten." So entstand vermutlich auch der kleine Biedermeier-Hutsalon, in dem kunstvoll geflochtene Puppenstrohhüte verkauft wurden.
Dass Mädchen auch heute noch gerne mit Puppenhäusern spielen, zeigt die große Auswahl im Handel. Es gibt sie von Playmobil, Lego oder Barbie, wahlweise als Wohnhaus oder Villa mit eigenem Pool. Und zum Disney-Film "Die Eiskönigin – völlig unverfroren" ist ein Puppenpalast erhältlich, mit detailgenauen Möbeln samt fantastischem Eisthron.
Spielzeug erzählt Geschichten von früher
Für einen Blick in die liebevolle Sammlung der Kubes kommen 5000 bis 10.000 Besucher pro Jahr in den kleinen Ort Sugenheim am Rande des Steigerwalds. Natürlich hat die Pandemie auch dem privaten Museum zu schaffen gemacht. "Seit zwei Jahren haben wir deutlich weniger Besucher", sagt die 75-jährige Museumschefin. Eine dreimonatige Winterpause haben die Kubes jetzt genutzt, ihre Vitrinen zu entstauben und wieder neu einzurichten. Pünktlich vor Ostern hat das Museum jetzt wieder seine Türen geöffnet.
Egal ob Ritterburg, Schiffe, Eisenbahn, Autos oder technische Baukästen: "Gutes Spielzeug war auch früher schon teuer", sagt die Sammlerin. Wo die Kubes all die schönen Ausstellungsstücke finden? "Wir besuchen Messen und Märkte. Und ziemlich viel bekommen wir auch geschenkt." So besitzen die Sammler längst mehr Ausstellungsstücke als sie im Schloss zeigen können - und die Puppen sitzen dicht gedrängt in den Regalen.
Ein Teil der Ausstellung lässt vor allem die Herzen der Jungen und junggebliebenen Männer höher schlagen: Schiffe, Modelleisenbahnen, technische Baukästen, Autos und jede Menge Werkzeuge. "Auch die Jungen sollten so spielerisch auf ihren späteren Beruf vorbereitet werden", sagt die Schlossherrin. So war auch das Spiel mit Zinnsoldaten bis in das 19. Jahrhundert ein Privileg adeliger Burschen.
Viele der aufwändig bemalten und kunstvoll hergestellten Figuren sind im Museum zu sehen. Mit mehr als 60 Herstellern waren Nürnberg und Fürth Zentren der Zinnfigurenherstellung. Die Figuren wurden nicht nur in viele andere deutsche Regionen und Städte verkauft, sondern auch ins Ausland.
"Wir sind das einzige Spielzeugmuseum, das in seiner Sammlung auch Kriegsspielzeug zeigt", sagt Manuela Kube. "Für mich gehört es zur Geschichte des Spielzeugs dazu." Schließlich würden bei den Figuren auf 100.000 Soldaten nur ganz wenige zivile Figuren wie Ärzte, Krankenschwestern oder Musiker kommen. Auch davon sind einige Exemplare in den Vitrinen zu sehen. Zinnfiguren hatten auch eine wirtschaftliche Bedeutung, sagt Kube: "Die Hersteller haben viel Geld damit verdient."
Ihre Hochphase erlebten die Miniatursoldaten aus Zinn bis zum Ersten Weltkrieg. "Während der Kriegseuphorie der ersten Monate verkauften sich Zinnsoldaten noch sehr gut", sagt Kube. Doch sobald sich die Schreckensmeldungen von der Front häuften, sei das Interesse gesunken.
Was für Mädchen das Puppenhaus, war für die Jungen früher die Dampfmaschine im Kleinformat. "1895 brachte die damals noch junge Firma Märklin erste schienengebundene und dampfbetriebene Spielzeugeisenbahnen auf den Markt", sagt die Spielzeug-Expertin. Einige Jahre später entwickelte man daraus die elektrische Modelleisenbahn, wie sie noch heute zu kaufen ist. Einige dieser Eisenbahnen sind auch im Museum zu besichtigen.
Zeitlos gut: Bälle, Jojos, Bauklötze
Manche Spielzeuge sind in der Tat fast zeitlos, wie zum Beispiel Jojos, Bälle oder Bauklötze. Insgesamt habe sich beim Spielen also doch relativ wenig verändert, meint die Sammlerin: Jungs lieben nach wie vor Konstruktionsspiele, Eisenbahnen und Autos. Bei den Mädchen liegen mit Abstand die Puppen auf Platz eins. "Die sind zeitlos und werden immer gekauft und verschenkt."
"Kinder haben bei uns im Museum oder in der Ausstellung besonders viel davon, wenn sie mit ihren Großeltern kommen und die ihnen Geschichten von früher erzählen", sagt die Sammlerin, die selbst Großmutter ist. "Bei unserem ersten Enkel haben wir öfters die Vitrinen geöffnet und zwei Tage durchgespielt", sagt Manuela Kube und lacht: "Wir sind eben eine sehr verspielte Familie."