Ganz klar: Hygiene ist alles. Handschuhe, Mundschutz und sich nach Möglichkeit aus dem Weg gehen. So läuft das beim morgendlichen Sortieren an den Ausgabe-Tagen bei der Kitzinger Tafel in Corona-Zeiten. Barbara Becker hört sich den einen oder anderen geflissentlichen Hinweis dazu freundlich an, nickt und verweist lachend darauf, dass sie in diesem Bereich durchaus vom Fach ist: Die Landtagsabgeordnete gehört im Münchner Maximilianeum dem Arbeitskreis Gesundheit an. Wenn jemand die Corona-Regeln verinnerlicht hat, dann die Wiesenbronnerin. Ein sichtbares Zeichen dafür ist nicht zuletzt auch der mitgebrachte und ganz in blau gehaltene Mundschutz. Darauf der sinnige Spruch: "Demokratie – mit Abstand das Beste!"
Dass man auch mit Abstand nah dran sein kann, zeigt dieser Mittwoch Anfang September: Einmal bei der Tafel mithelfen, die ehrenamtlichen Helfer sowie die Abläufe und letztlich auch mögliche Probleme kennen lernen – das hatte sich Barbara Becker schon länger vorgenommen. Jetzt, zum Ende der Sommerferien, klappt es endlich: Die Berufspolitikerin lässt sich am Vormittag zeigen, was alles an Lebensmitteln angeliefert wurde. Dabei ist ihr wichtig zu betonen, dass sie "nicht einfach zur Besichtigung" gekommen ist – anpacken ist angesagt.
Die Geheimnisse des Sortierens
Die Tafel-Mitarbeiter freuen sich über das Interesse und geben nur zu gerne Einblicke in die Geheimnisse des Sortierens. Becker trifft auf ein eingespieltes Team, bei dem jeder Handgriff sitzt. Alles muss seine Ordnung und seinen Platz haben. "Hoch professionell" gehe es da zu, wird die seit Oktober 2018 im Landtag sitzende CSU-Abgeordnete später ihre Eindrücke zusammenfassen. Das perfekte Vorbereiten zahlt sich am Nachmittag bei der Lebensmittel-Ausgabe aus: Es geht flott voran und die wartende Schlange kann ab 14 Uhr zügig bedient werden.
Seit Mitte 2009 befindet sich die Tafel im Bauhof in der Äußeren Sulzfelder Straße. Ein schlichter Keller nur – aber besser als nichts. Noch während fleißig sortiert wird, stehen draußen schon Stunden vor der eigentlichen Ausgabe die ersten Kunden an. Dass das so ist, wird an diesem Tag nicht die einzige Überraschung für die prominente Besucherin bleiben.
Bedürfnisse sehr unterschiedlich
Tafel-Chef Manfred Seigner nutzt die Chance, um über das eine oder andere Problem zu reden: Etwa, wie Corona auch hier alles durcheinandergewirbelt hat. Oder dass man inzwischen von der Ausgabe von vorher gepackten Tüten wieder weggekommen sei – zu unterschiedlich sind die Bedürfnisse der Kunden, die laut Seigner aus über 30 Nationen stammen.
Zuletzt habe es zudem "mehrfach Stress“ mit einer kleinen Gruppe afrikanischer Asylbewerber aus der nahe gelegenen Gemeinschaftsunterkunft gegeben. Diese würden sich nicht immer an Regeln halten und gerade ältere Kunden nachhaltig verschrecken. In solchen Fällen, so hat Seigner inzwischen festgelegt, würden künftig die von der Tafel ausgestellten Berechtigungskarten wieder entzogen. Zudem hat die Polizei angekündigt, verstärkt ein Auge auf mögliche Unruhestifter zu werfen und die Tafel-Mitarbeiter ermuntert, lieber einmal mehr nach Hilfe zu rufen als einmal zu wenig.
Drohung unter dem Scheibenwischer
Gegen einen Mitarbeiter der Tafel hatte es sogar eine Drohung gegeben: Wie berichtet, klemmte unter dem Auto-Scheibenwischer eine Beerdigungsankündigung mit dem Namen des Mannes. Aktueller Stand: Der Fall liegt bei der Staatsanwaltschaft Würzburg zur Prüfung; der Täter konnte bislang nicht ermittelt werden.
Ein Unding, wie Barbara Becker kopfschüttelnd betont. Es könne nicht angehen, dass "sich Ehrenamtliche beschimpfen und bedrohen lassen müssen". Vor diesem Hintergrund kam das generelle Lob aus berufenem Munde gerade recht: Die Tafel sei gleich doppelt gut. Zum einen biete sie Bedürftigen eine zusätzliche Hilfe. Zum anderen wirke man einer Verschwendung von Lebensmitteln entgegen.
Auch wenn Barbara Becker dem 45-köpfigen Helfer-Team attestiert, dass ihr "Ehrenamt unbezahlbar" sei, kann ein wenig finanzieller Spielraum nicht schaden. Deshalb dürfen sich die Tafeln in Kitzingen und Gerolzhofen – beide in ihrem Wahlkreis – jeweils über 1300 Euro von ihr freuen. Das Geld stammt von der jüngsten Diäten-Erhöhung, die Barbara Becker in schwierigen Corona-Zeiten nicht einfach einstreichen wollte. Vielmehr war es für sie ein Anliegen, das innerhalb eines Jahres zusammenkommende Geld zu spenden.
Dass sie sich richtig entschieden hat, ist der Politikerin nicht erst nach ihrem Tafel-Tag klar. Weshalb den nächsten Mundschutz vielleicht ein leicht abgewandelter Spruch zieren könnte: "Die Tafeln – mit Abstand das Beste!"