zurück
Kitzingen
Ausverkauf: In Kitzinger Innenstadt schließen drei Geschäfte
Das Ausbluten des Einzelhandels geht weiter: Innerhalb weniger Wochen machen drei Mode- und Accessoires-Läden dicht. Darunter ein Geschäft mit fast 100-jähriger Geschichte.
Gleich drei Geschäfte in der Kitzinger Innenstadt, die Mode und Accessoires verkaufen, werden bis Jahresende schließen, wie hier das Kinder- und Jugendmode-Geschäft 'Polis' in der Kaiserstraße.
Foto: Michael Mößlein | Gleich drei Geschäfte in der Kitzinger Innenstadt, die Mode und Accessoires verkaufen, werden bis Jahresende schließen, wie hier das Kinder- und Jugendmode-Geschäft "Polis" in der Kaiserstraße.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:38 Uhr

Gleich drei Geschäfte in der Kitzinger Innenstadt werden in den kommenden Wochen schließen: das Kinder- und Jugendmode-Geschäft "Polis", "Bags for Birds", das Taschen und Koffer verkauft, und das Damenmode-Geschäft "Theresa Store". Die Gründe für die Geschäftsaufgaben sind unterschiedlich, ebenso, wie es mit den Ladenflächen weitergeht.

Beste Qualität und Markenmode für fünf Euro pro Teil: Dass die Ansprüche mancher Kunden mit der Realität nicht viel gemein haben, hat Gabriela Hautsch in den gut zweieinhalb Jahren, in denen sie ihr Geschäft "Polis" in der Kaiserstraße 20 geöffnet hat, oft erfahren müssen. Am Ende zu oft. "Es war ein schleichender Prozess", sagt die 53-Jährige mit Blick auf ihren Entschluss, ihr Geschäft für qualitativ hochwerte Kinder- und Jugendmode Ende September zu schließen. Ihr hat einfach die nötige Kundschaft gefehlt.

Im Laden beraten – im Internet gekauft

Die Corona-Pandemie und die damit im Frühjahr verbundene Zwangsschließung der Geschäfte war für sie nur das "i-Tüpfelchen" in der ganzen Misere. Viel grundlegender habe ihr als kleiner Einzelhändlerin die große Konkurrenz des Internethandels das Wasser abgegraben. Das ging soweit, dass Kunden sich bei ihr im Laden haben beraten lassen, um dann die Ware bei irgendeinem Händler im weltweiten Netz zu einem billigeren Preis zu kaufen. Billigkollektionen in ihr Sortiment aufzunehmen, das kam für Hautsch nicht infrage. "Qualität hat ihren Preis" – dazu steht sie auch jetzt noch, mitten im Ausverkauf.

Gabriela Hautsch öffnet ihr Geschäft 'Polis' in der Kaiserstraße in Kitzingen Ende September zum letzten Mal.
Foto: Michael Mößlein | Gabriela Hautsch öffnet ihr Geschäft "Polis" in der Kaiserstraße in Kitzingen Ende September zum letzten Mal.

Hautsch hat, bevor sie "Polis" aufgemacht hat, ihren Spielzeugladen "Wichtelreich" verkauft. Sie wird künftig wieder in ihrem alten Büroberuf arbeiten. Für "Polis" gibt es keinen Nachfolger.

Geschichte des Geschäfts reicht bis 1924 zurück

Eine viel weiter zurückreichende Unternehmensgeschichte wird am 2. Oktober enden, wenn "Bags for Birds" seinen letzten Verkaufstag hat. Christiane Schwenzer hatte das Taschen- und Koffergeschäft im Herzen Kitzingens, Leidenhof 1, vor 20 Jahren von ihren Eltern übernommen. Diese hatten das am 24. Juni 1924 gegründete Geschäft Leder Frisch seit April 1981 geführt. Im Jahr 2015 hatte Schwenzer den Laden in "Bag for Birds" umbenannt.

Bei 'Bags for Birds', Leidenhof 1 in Kitzingen, läuft der Räumungsverkauf auf Hochtouren. Der Laden schließt nach dem 2. Oktober.
Foto: Michael Mößlein | Bei "Bags for Birds", Leidenhof 1 in Kitzingen, läuft der Räumungsverkauf auf Hochtouren. Der Laden schließt nach dem 2. Oktober.

Zu den Hintergründen der Geschäftsaufgabe möchte die Inhaberin sich gegenüber dieser Redaktion nicht äußern. In dem Laden arbeitete neben der Chefin selbst eine Mitarbeiterin, die sich laut Schwenzer jetzt um eine neue Stelle bewirbt.

Noch mehr im Dunkeln bleiben die Gründe, weshalb, nicht weit von "Bags for Birds" entfernt "Theresa Store" in der Ritterstraße 11 Ende des Jahres schließen wird. Der Versuch dieser Redaktion, mit der Geschäftsführung ins Gespräch zu kommen, scheiterte. Zu hören ist, dass das Geschäft für Damenmode im 18. Jahr seines Bestehens nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus persönlichen Gründen zumacht. In den Räumen im Kitzinger Schwalbenhof soll dem Vernehmen nach ein neues Modegeschäft weiterbetrieben werden.

Das Damenmoden-Geschäft 'Theresa Store' in der Ritterstraße 11 in Kitzingen wird Ende des Jahres 2020 schließen.
Foto: Michael Mößlein | Das Damenmoden-Geschäft "Theresa Store" in der Ritterstraße 11 in Kitzingen wird Ende des Jahres 2020 schließen.

Dies deckt sich mit unbestätigten Infos, die Frank Gimperlein als Vorsitzender des Kitzinger Stadtmarketingvereins gehört hat. Ihn beunruhigen die anstehenden Geschäftsaufgaben in der Kitzinger Innenstadt nicht sonderlich. Es sei in den zurückliegenden vier, fünf Jahren immer so gewesen, dass zum Jahresende hin zwei, drei Geschäfte schließen. Doch bislang sei es "zu 80 bis 90 Prozent gelungen", in den Folgemonaten die Leerstände wieder zu füllen. Darauf vertraut er auch dieses Mal. Allerdings, meint er, habe die Corona-Pandemie und deren noch immer nicht zu überblickenden wirtschaftlichen Auswirkungen das Geschäfte-Sterben in diesem Jahr beschleunigt.

Mieten zu hoch, Leerstände in schlechtem Zustand

"Das Leerstandsmanagement muss höchste Priorität haben", gibt Gimperlein das Motto für Kitzingen aus. Er verknüpft damit zwei Forderungen: Manche Vermieter müssten ihre Mieterwartungen senken. Und gewerbliche Leerstände müssten zunächst saniert werden, bevor sie auf dem Mietmarkt angeboten werden. Schwierig sei der Umgang mit Dauerleerständen, vor allem, wenn deren Besitzer außerhalb Kitzingens lebten. Da sieht er wenig Handhabe, diese zu mehr Engagement zu bewegen.

Schlechte Erfahrungen mit zu hohen Mieten hat auch Raumausstatter Gerhard Heim gemacht. Pachtpreise von zehn Euro pro Quadratmeter in Kitzingen sind in seinen Augen heutzutage "nicht mehr tragbar". Auch wünscht er sich von der Stadt mehr Unterstützung der Einzelhändler, etwa durch eine Senkung der Gewerbesteuer.

Raumausstatter hat Konsequenz gezogen und ist zufrieden

Obwohl er selbst deutlich weniger als zehn Euro Miete pro Quadratmeter gezahlt hat, hat Heim sein Ladengeschäft in der Kaiserstraße 24 Ende Juni gekündigt – noch ein Leerstand. "Das war meine beste Entscheidung", sagt der 64-jährige Selbstständige. "Ohne das Ladengeschäft habe ich mehr Arbeit als zuvor." Er hat so viel mehr Zeit, zu seinen Kunden ins Haus zu gehen und dort zu beraten. Einen Showroom in Fröhstockheim hat er noch nach Terminvereinbarung geöffnet.

Noch ein Leerstand: Raumausstatter Gerhard Heim hat sein Ladengeschäft in der Kaiserstraße 24 in Kitzingen Ende Juni geschlossen. Sein Unternehmen besteht jedoch fort. Er berät seine Kunden seitdem ausschließlich zuhause.
Foto: Michael Mößlein | Noch ein Leerstand: Raumausstatter Gerhard Heim hat sein Ladengeschäft in der Kaiserstraße 24 in Kitzingen Ende Juni geschlossen. Sein Unternehmen besteht jedoch fort.

Der Raumausstatter sieht in seinem Schritt, sich von seinem Laden zu trennen, einen zukunftsweisenden Schritt, dem andere Dienstleister folgen dürften. "Anders denken als die anderen" sei sein Motto. Dass er jetzt den ganzen Tag bei seinen Kunden sein kann, das freue ihn so sehr, dass er sich vorstellen kann, "bis 85 zu arbeiten", sagt Heim halb im Spaß – und doch zufrieden.

Hinweis: Für alle drei genannten Geschäfte in Kitzingen, die in Kürze schließen werden, gilt, dass ausgegebene Gutscheine mit Geschäftsschließung ihren Wert verlieren.

Anmerkung: Zur Klarstellung einer Textpassage mit Aussagen von Raumausstatter Gerard Heim , wurde der Text an einer Stelle um die Information ergänzt, dass Heim persönlich nicht von in seinen Augen zu hohen Mietforderungen betroffen war.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Michael Mößlein
Dienstleister
Einzelhandel
Einzelhändler
Händler
Internethandel und E-commerce
Kunden
Mieten
Modegeschäfte
Modemarken
Unternehmensgeschichte
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • juergenmagic@t-online.de
    Problem ist natürlich das Internet, das die größte Konkurrenz zu den stationären Läden ist. Aber eine gute Beratung kann dies nicht ersetzen. Es ist halt einfach dreist, wenn man sich vor Ort beraten lässt und dann im Internet kauft, weil es ein paar Euro billiger ist. Man muss auch dem Handel vor Ort verdienen lassen. Hinzu kommt auch noch, dass die Leute am liebsten mit dem Auto ins Geschäft fahren möchten, weil sie nicht ein paar Meter laufen möchten. Wenn allerdings Städte die Autos aus ihren Innenstädten haben möchten, dann treibt man die Kunden erst Recht ins Internet.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • nkestler@aol.com
    nicht wieder zurückschicken (hatte ich natürlich gemeint)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Die Gescäfte wären auch ohne Corona gestorben wer kauft den Heute noch Koffer oder Taschen im Geschäft ? ist mir viel zu umständlich , erstens bekommst du keinen Parkplatz in der Nähe um den Koffer abzuholen und zweitens ist es doch viel einfacher das Ding kostenlos Liefern zu lassen und wenn es nicht passt oder gefällt ist er wieder kostenls weg.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • nkestler@aol.com
    Wenn Sie den Koffer im GEschäft kaufen würden, könnte Sie gleich ausprobieren, ob die Größe passt und müssten diesen dann - mit neuer Umweltbelastung - wieder zurückschicken.
    Bitte auch ein bisschen nachhaltig denken.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • roxy@
    Mit diesem kostenlosen Liefern bzw. kostenlos zurückschicken wird es so gehen, wie es mit den kostenlosen Girokonten begonnen hat.
    Irgendwann wird die Rechnung präsentiert, wenn es keine stationären Geschäfte mehr gibt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten