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Mainfrankenpark
Ausgewandert mit der Familie und zehn Monate in Indien gefangen: "Man könnte es mit Folter vergleichen"
Der etwas andere Reisefilm: Warum Umwege oft die besseren Wege sind und wie die Geburt eines Kindes eine reiselustige Familie vor unvorhersehbare Probleme stellte.
Der Wiesbadener Timo Götz war mit seiner Familie drei Jahre in der Weltgeschichte unterwegs – und hat darüber einen Film gemacht.
Foto: Salima Oudefel | Der Wiesbadener Timo Götz war mit seiner Familie drei Jahre in der Weltgeschichte unterwegs – und hat darüber einen Film gemacht.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 11.02.2025 02:37 Uhr

Immer unterwegs – so könnte man das Leben der Wiesbadener Familie Götz seit gut fünf Jahren beschreiben. 2019 ging es für drei Jahre in die Welt hinaus, anschließend entstand ein Film darüber. 2022 startete man erneut. Zunächst noch mit zwei Kindern, unterwegs kam dann in Indien das dritte Kind zur Welt. Was folgte, war eine unglaubliche Geschichte. Auch darüber gibt es wieder einen Film: Am Sonntag, 9. Februar, kommen Timo Götz und seine Frau Salima Oudefel ins Cineworld in den Mainfrankenpark, um ab 11 Uhr ihre Reisedokumentation "Auf Umwegen" zu zeigen und Fragen aus dem Publikum zu beantworten.

Frage: Nach Ihrer Reise 2019, die sich wegen Corona ungeplant auf drei Jahre ausdehnte, brachen Sie 2022 erneut zu einer langen Reise auf: Was machte Sie zum Wiederholungstäter?

Timo Götz: Während der ersten Reise haben wir so freundliche Menschen in den Ländern kennengelernt und die Kulturen der unterschiedlichen Länder zu schätzen gelernt. Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, die Kulturen zu verstehen, aber auch seine eigene Kultur zu bewahren.

Wohin führte die Reise diesmal?

Götz: Über den Landweg von Deutschland bis zur Mongolei — das war zumindest der Plan. Es kam anders. 

Heißt der Film deshalb "Auf Umwegen"?

Götz: Den Namen haben wir gewählt, weil wir auf Umwegen schließlich aus Indien fliehen konnten.
Auf Umwegen muss zudem nicht der weniger interessante Weg sein – im Gegenteil. Wir denken oft nur an den einen Weg, den optimalen, kürzesten. Auf einem Umweg kann man genauso etwas lernen und etwas Besonderes finden. Vor allem, wenn es um Begegnungen mit Menschen geht.

Wie ist das, ohne festen Plan so lange loszuziehen?

Götz: Ein seltsames Gefühl, das aber schnell verschwindet und durch Vertrauen, Mut und positives Denken ersetzt wird. Das Schwierige ist, alles loszuwerden, was man sich ein Leben lang angehäuft hat. Bei uns hat es vier Monate gedauert, bis die ganze Wohnung leer war.

Durch Länder wie Iran oder Aserbaidschan zu reisen, muss man sich erst einmal trauen…

Götz: Da waren meine Frau Salima und ich anfangs nicht gleicher Meinung. Ich wollte in den Iran, sie war skeptisch – was verständlich ist, vor allem wenn man mit kleinen Kindern reist. Das Verrückte war, dass es am Ende einer der leichtesten Grenzübergänge überhaupt war. Die Beamten waren freundlich und respektvoll. Und so ging es quer durch das Land – mit derselben Freundlichkeit und Offenheit. Das Land und seine Menschen sind oft anders als die Regierung. Das vergessen wir zu oft. 

Auf der Reise kam das dritte Kind zur Welt – mit Folgen…

Götz: Wir sind hochschwanger am 1. Oktober 2022 in Indien eingereist. Die Geburt fand in einer gemieteten Unterkunft statt, was uns schließlich in Probleme brachte. Es dauerte zwei Monate, bis wir die Geburtsurkunde erhielten. Dann kam es noch schlimmer: Jedes Kind, das in Indien geboren wird, benötigt eine Ausreisegenehmigung. Die haben wir beantragt, doch es vergingen Monate. Schließlich waren wir zehn Monate in Indien gefangen.

"Ein Kontakt hatte uns angeboten, gegen Schmiergeld die Ausreisepapiere zu erledigen."
Timo Götz, Weltenbummler aus Wiesbaden
Wie haben sich diese zehn Monate angefühlt?

Götz: Wir wurden immer wieder vertröstet. Man könnte es ein bisschen mit Folter im Gefängnis vergleichen: Man kommt hinein, aber niemand sagt einem, wann man wieder raus darf. Da verlässt einen schon ab und zu der Mut und die Hoffnung, erst recht, wenn man sieht, dass die deutsche Botschaft absolut hilflos ist. Am Ende sind wir durch einen Kontakt rausgekommen, der uns angeboten hatte, gegen Schmiergeld die Ausreisepapiere zu erledigen. Hätten wir dieses Angebot nicht angenommen, wüsste ich nicht, wo wir heute stehen würden.

Wie kehrt man nach einer solchen Reise ins normale Leben zurück?

Götz: Weil wir geschmierte Papiere erhalten hatten, entschieden wir uns, über die indisch-nepalesische Grenze auszureisen. Wir hatten Angst, dass wir am Flughafen auffallen würden. Also fuhren wir über die Landesgrenze nach Nepal. Wir brauchten die Zeit zurück nach Hause. Für ein gutes Ende für uns als Familie. Es ging durch Kasachstan über Georgien und mit der Fähre nach Bulgarien. 

Nie wieder Indien?

Götz: Wir haben klar differenziert zwischen behördlichem Wahnsinn und den Menschen, die das Land ausmachen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

Eine Doku über sich zu machen – wie genau muss man sich das vorstellen?

Götz: Uns geht es um das Erlebnis als Familie, so eine lange Reise schweißt zusammen. Deshalb haben wir diese Reisen gemacht. Als Erinnerung haben wir diese Momente mit der Kamera aufgenommen.

Wie kommt man mit einer solchen Doku ins Kino?

Götz: Wir haben zwei Monate über 300 Stunden Material gesichtet. Geschnitten haben wir selbst. Was früher die Diashows beim Familienabend waren, sind heute bewegte Bilder. Die Menschen um uns herum fanden die Geschichte mit Indien so spannend, dass wir entschieden haben, es bei den Kinos zu probieren.

Ist die Reiselust jetzt gestillt?

Götz: Wir planen bereits wieder – die nächste Reise kommt schon sehr bald. Diesmal geht es um die ganze Welt.

 
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Kommentare
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  • Richard Baumann
    Wäre doch auch interessant zu erfahren, wie man so sein Leben und diese Reisen finanziert?
    Nur von den Filmeinnahmen? Wenn es offenbar schon für die nächste Reise reicht, dann wäre das doch auch eine Art von Arbeit? Reicht das dann auch noch für die Rente? Wer schult die Kinder?
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  • Werner Valtin
    Unverantwortlich!
    Mehr gibt es da nicht zu sagen.
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