Morgens um 9 in Deutschland. Bei der Firma Beutler & Lang (SBB) in Marktbreit kommt die Belegschaft im Aufenthaltsraum zusammen. Gemeinsames Frühstück. Eine liebgewonnene Tradition. Die Arbeit darf auch mal ruhen. Man tauscht sich im Zweifel über die Fußballergebnisse vom Vorabend aus. Noch einmal durchschnaufen, bevor es gleich richtig rundgeht. Rund ist Geschäftsprinzip. Um die Ecke gibt's nicht, gedacht wird rundum. Auf der Firmen-Homepage heißt es: "360 Grad – oder es ist nicht rund."
Man könnte auch sagen, dass die Firma kreist: Gebaut werden runde Regenbecken, runde Löschwasserbehälter, runde Kläranlagen, runde Sprinklerbehälter. Eine runde Sache, die vor nunmehr genau 50 Jahren ihren Anfang genommen hat.
Wer heute die Firmenzentrale im Marktbreiter Gewerbegebiet besucht, kommt kaum an einer Fotografie vorbei. So groß, dass sie gerade eben ins Treppenhaus des gläsernen Bürotrakts passt. Zu sehen ist ein Flieger, der elegant vom Düsseldorfer Airport abhebt. Davor eine Baustelle, in die das Flugzeug locker passen könnte. Das Bauwerk: rund. Am Start: SBB. Ein Regenrückhaltebecken, 51 Meter im Durchmesser, dazu zwei weitere Becken mit 31 Metern. Hier landet das Regenwasser der Start- und Landebahnen.
Die Corona-Pandemie wurde für die Firma zu einer Art Glücksfall
Gebaut wurden die Becken im Jahr 2020, zu Beginn der Corona-Zeit. Lockdown, Ausgangssperren, deutlich reduzierter Flugbetrieb – "ein Glücksfall", wie Michael Beutler sagt. Ein Glücksfall? Na ja, ergänzt der Chef: für Ingenieure und Arbeiter, die es so deutlich leichter hatten, in direkter Nachbarschaft der großen Vögel zu bauen.
Beutler senior und Sohn Markus, der 2009 in das Unternehmen eintrat, müssen nicht lange überlegen, um festzustellen: "Das war unser größtes Projekt." Aber auch das prestigeträchtigste in 50 Jahren?
Als Siegfried Beutler im Frühjahr 1974 in der Gartenstraße in Obernbreit seine Betonbau KG gründete, war von solchen Ausmaßen noch nichts zu ahnen. Die Anfangsbuchstaben ergaben, gelb auf blau, die Abkürzung SBB. Mit im Boot als Komplementär war damals Emil Lang, womit der endgültige Firmenname geboren war: SBB – Beutler & Lang.
Die Idee, dass alle Stahlbetonbehälter eine runde Sache sein sollen, hatte der Firmengründer von seinem früheren Arbeitgeber mitgebracht – von nun an ging er seinen eigenen Weg. Der Markt war, trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten in den 1970er-Jahren, von Anfang an da. Nicht zuletzt, weil beispielsweise Güllegruben immer gebraucht werden. Einer der ersten Aufträge damals: eine neue Kläranlage für Obernbreit.
Als erste in Deutschland entdeckte SBB damals Betonkuppeln
Rasch stieß das Unternehmen an Grenzen, verlegte schon 1977 seinen Sitz nach Marktbreit. Auf 3000 Quadratmetern im Gewerbegebiet Mainleite (heute sind es 8000 Quadratmeter) schufen Beutler & Lang betonharte Fakten. Man wuchs mit den Jahren, könnte aber auch sagen: Man wuchs an seinen Aufgaben. Immer wieder gab es neue Ideen, neue Patente. In den 1980er-Jahren entwickelte die Firma sogar aufblasbare Schalungskonstruktionen.
Die sogenannten Binishells, die an Blasen oder an die Wohnhäuser der Hobbits aus "Herr der Ringe" erinnern, kannte man damals zwar schon länger. Aber glaubt man Michael Beutler, war SBB das erste Unternehmen, das sich hierzulande die aufblasbaren Betonkuppeln zu eigen machte. Per Luftpumpe wird dabei eine Blase gefüllt und geformt, der Beton erhebt sich in die Kuppelform. Im Grunde ein großes Dach, eine über einen hausgroßen Gummiballon gegossene Betonschale – so visionär wie ressourcenschonend.
SBB machte daraus ein Geschäftsmodell. Das Versprechen: binnen zehn Tagen eine Betonhalle mit bis zu 1000 Quadratmeter Grundfläche hinzustellen, nutzbar etwa als Werkstatt, Diskothek oder landwirtschaftliches Lager.
Anfang der 1990er-Jahre wuchs mit Michael Beutler die zweite Generation heran. 1992 trat er in die Geschäftsführung ein. Und weil die Sache gar so rund lief, wurde in der Nachwendezeit sogar in den Osten, nach Brandenburg an der Havel, expandiert. Heute wird das Unternehmen von Michael Beutler und seinem Sohn Markus sowie von Frank Lang geleitet, der 2007 für Vater Emil in die Geschäftsführung eintrat.
Die Kundenliste umfasst Namen wie BMW, Airbus oder BASF
Mehr als 10.000 Stahlbeton-Rundbehälter zum Speichern von Wasser, Biogas, Chemikalien, Lebensmitteln oder Energie sind in 50 Jahren entstanden, alle maßgefertigt und errichtet aus einer Hand. In Marktbreit ersonnen, von eigenen Teams vor Ort umgesetzt. Und obwohl es immer rund ist, ist es selten gleich. "Irgendwas ist immer anders, wir stehen oft vor Herausforderungen", sagt Firmenchef Michael Beutler. Um die 80 Menschen sind dazu in den verschiedenen Abteilungen und auf den Baustellen beschäftigt.
Die Adressen wurden im Laufe der Jahre größer und exklusiver. Sie lagen nicht mehr nur in Wabern, Bingen oder Buxheim, sondern nun auch in Düsseldorf, Stuttgart und Leipzig. Für Stuttgart 21, das nicht enden wollende Bahnhofsprojekt unter der Erde, bauten die Marktbreiter im Eiltempo einen Löschwasserbehälter.
Beim Autobauer Porsche projektierten und errichteten sie eine Sprinklerzentrale inklusive zweier Wasservorratsbehälter. Auf dem Gelände von Engelbert Strauss, dem Hersteller für Arbeitsbekleidung, verbuddelte SBB ein großes Sprinklerbecken. Die Liste ließe sich weiter fortführen und liest sich wie ein Who's who der deutschen Industrie: Südzucker, BMW, Airbus, BASF oder auch Coca-Cola.
Und dann muss die Rede noch von Tesla sein. Die Frage, wie man bei Elon Musk und seiner Giga Factory in Grünheide landet, hat Michael Beutler vor drei Jahren eher unspektakulär beantwortet: "Wir wurden angefragt, ob wir das machen können." Natürlich konnten sie. Binnen sechs Monaten setzte SBB ein Abwasserpumpwerk mit einem Volumen von 392.500 Litern in die brandenburgische Landschaft.
Eine kleine Nummer im Vergleich zur Größe der Baustelle, auf der alles giga ist – aber eben nicht ganz unwichtig: Ohne Ableitung des Abwassers würde die Produktion in wenigen Tagen zum Erliegen kommen.
Mit diesem Projekt war SBB endgültig in der Champions League angelangt: Größer als giga geht es nun mal nicht. Und so groß wie die meisten der Behälter ist auch der Stolz von Michael Beutler auf all das Erreichte. Damit das so bleibt, wird in Marktbreit weiter getüftelt. Statt mit Stahl wird künftig wohl mit dem leichteren Carbon gebaut, Versuche dazu laufen längst. Irgendwie ein gutes Gefühl – nicht nur morgens um 9.