Die jüdischen Einwohner Burgpreppachs litten, wie andernorts auch, schon vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Jahr 1933 unter antisemitischer Hetze und Schikanen. Jüdische Kinder wurden beispielsweise mit Steinen beworfen. Daran erinnern sich, wie berichtet, der in Burgpreppach geborene Leo Berney.
Hanna Bari aus Petach Tikwa (Israel) bestätigte dies im März 2007 ebenfalls:
„Wenn Burgpreppacher Einwohner aus dem Wirtshaus kamen, war ein Spaß, Juden Steine ins Fenster zu werfen. Ich erinnere mich nicht mehr, ob es schon vor der Nazizeit war. Wir Kinder waren es schon gewöhnt und fanden es ganz selbstverständlich, dass Steine hinter uns hergeworfen wurden und schauten uns immer um.“.
Die jüdische Familie Berney lebte nach ihrem unfreiwilligen Wegzug aus Burgpreppach in Karlsruhe, obwohl sich Elias und Meta Berney am 15. Mai 1940 in ihrer Heimatgemeinde Burgpreppach nach New York abgemeldet hatten. Leo Berney erinnert sich:
„Im Dezember 1938 gingen mein Bruder Nathan und ich nach Antwerpen zu unserer Tante Meta Glückstadt. Dort besuchte ich eine Schule, um Schreiner zu lernen. Da es in Flandern einen starken Antisemitismus gab, ging ich bald darauf auf eine Jeschiwa (eine jüdisch orthodoxe Lehranstalt) in Heide bei Antwerpen. Im Februar 1940 wanderte ich nach Palästina aus, als Schüler der landwirtschaftlichen Schule Mikwe Jisrael. Ich nahm auf der Seite Großbritanniens am Zweiten Weltkrieg teil und kämpfte in Ägypten gegen die deutsche Armee unter Rommel.
Als 1944 die Jüdische Brigade gegründet wurde, schloss ich mich ihr an. Das Kriegsende erlebte ich in Italien. Dort, in dem kleinen italienischen Ort Modugo, südlich von Bari, sammelten wir 30 elternlose jüdische Kinder ein und versorgten sie bis zu ihrer Abreise nach Palästina. Ab 1946 bis 1950 war ich Mitglied eines Moshaws (eine landwirtschaftliche Siedlung auf Basis einer Genossenschaft). Dann trat ich in den israelischen Polizeidienst ein, aus dem ich aus leitender Position altersgemäß in Pension ging.“
Elias, Meta und Nathan Berney wurden am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs in den französischen Pyrenäen deportiert. Elias Berney starb am 26. Februar 1941 bei einem Eisenbahnunfall in Pau bei Gurs. Er wurde auf dem Friedhof in Pau begraben, nach 1945 exhumiert und auf dem jüdischen Friedhof in Bayonne beigesetzt. Meta Berney gelang ein Überleben im Lager Gurs.
Nathan Berney traf in Paris, wohin er auf unbekannten Wegen gelangt war, auf Rabbi Schneerson, der in Paris elternlose jüdische Kinder aufsammelte, deren Eltern deportiert worden waren. Er brachte diese im Château de Manoir bei St.-Etienne-de-Crossey in Südfrankreich unter, wo sie noch einmal eine unbeschwerte Zeit erleben konnten. Meta Berney konnte im Haushalt des Schlosses arbeiten und in der Nähe ihres Sohnes Nathan sein. Südfrankreich war zu dieser Zeit eine von Italien kontrollierte Zone. Die dorthin verbrachten Juden waren dort vorläufig sicher.
Als die Deutschen diese bisher von Italien kontrollierte Zone besetzten und die Lage für die Juden dort gefährlich wurde, brachte Rabbi Schneerson die Kinder und Jugendlichen in fünf Gruppen in private Quartiere in La Martelliere. Dort überlebte Nathan Berney die Jahre bis zum Ende des Krieges. Niemand hatte diese Gruppe verraten!
Nach der Befreiung gingen Meta und Nathan Berney im Jahr 1946 in die Vereinigten Staaten von Amerika. Nathan Berney ist verheiratet und lebt in New York, streng nach den Regeln des Judentums.
Im Château de Manoir bei St. Etienne war Nathan zufällig Gerhard Eckmann begegnet, einem elfjährigen Jungen aus Burgpreppach. Die Wege der Jungen trennten sich bald darauf wieder, weil die Gruppe im Perrin, in der Gerhard sich befand, von Nachbarn verraten wurde. Rachel Kouska, die in Israel verheiratet ist, erinnert sich:
„Ich gehörte mit meinem Bruder Maurice zu den Jugendlichen, die im Haus in La Martelliere versteckt waren. Es war verboten, dass mehr als zwei das Haus zugleich verließen, um nicht die Aufmerksamkeit von Nachbarn zu erregen. Zu unserem Unglück hat man uns bei den Deutschen denunziert. Rabbi Schneerson, der, ich weiß nicht wie, davon erfahren hatte, ließ zunächst in aller Eile die Mädchen retten und schickte sie ins ,Versteck der Kleinen‘, wo ich meinen fünfjährigen Bruder Daniel wieder getroffen habe.
Aber er hatte keine Zeit, ein anderes Versteck für die Jungen zu finden, die von der Gestapo festgenommen und deportiert wurden, zuerst nach Drancy, dann nach Auschwitz, von wo sie nie mehr zurückgekommen sind.“
In einem Brief vom September 2000 schreibt sie:
„Ich bedaure, dass ich mich an Gerhard nicht besonders erinnern kann. Ich war damals zu jung und mein Gedächtnis ist zu betrübt, insbesondere da ich die Gedanken an das Geschehene von vor 50 Jahren verdrängt habe. Das letzte Mal, dass ich mit Gerhard zusammen war, war im März 1944, als man die Mädel von den Jungen trennte. Uns (die Mädchen) schickte man an einen anderen Ort . . .“
Die Kindergruppe wurde verhaftet und über Grenoble in das Sammellager Drancy bei Paris gebracht, wo die elternlosen und hilflosen Kinder vom SS-Mann Ernst Heinrichsohn besonders drangsaliert wurden. Er war nach 1945 ein ,guter‘ Bürgermeister in Bürgstadt (Lkr. Miltenberg), bis er 1980 vor Gericht gestellt wurde. Aus Drancy fuhr am 13. April 1944 ein Zug in das Vernichtungslager Auschwitz, in dem sich die Kindergruppe aus dem Haus Perrin in La Martelliere befand.
Gerhard Eckmann war bis zum Vorrücken der Roten Armee in der „Maurerschule“ der SS, was ihm das Leben rettete. Am 27. November 1944 wurden die Jugendlichen mit dem Zug in das Konzentrationslager Sachsenhausen evakuiert. Von dort kam Gerhard in das Lager Lieberose bei Cottbus, wo sich die Spur des Jungen verliert.
Beate Klarsfeld, eine 1939 in Berlin geborene deutsch-französische Journalistin, die durch ihr Engagement in der Aufklärung von NS-Verbrechen bekannt wurde, nahm ihn in den 90er Jahren in ihre in Freiburg im Breisgau gezeigte Ausstellung auf. Auf einem Denkmal in Paris steht der Name Gerhard Eckmann. Die Schule in Burgpreppach nach dem ermordeten jüdischen Jungen zu benennen, scheiterte bisher am Widerstand des Elternbeirates.
Leo Berney, dessen Ehefrau aus Stuttgart stammte, besuchte im Oktober 2015 mit seinen Söhnen Omre, Ohad und Eitan Burgpreppach und die Gräber seiner Großeltern Leopold und Dorchen Traub sowie seiner Urgroßeltern auf dem jüdischen Friedhof des Ortes. Aus der in Franken ansässigen Familie Berney wurden 39 Mitglieder im Holocaust ermordet.
Die Autorin forscht seit vielen Jahren zur Geschichte und zum Schicksal der ehemaligen jüdischen Bürger des Landkreises Haßberge. Hierzu konzipierte sie rund 40 Ausstellungen.
Gerhard Eckmann wurde am 7. Aug. 1929 in Burgpreppach geboren.
Ich würde mich freuen, wenn es doch noch gelingen könnte.