
Der Westheimer Künstler Hannes Betz ist ein leidenschaftlicher Sammler. Doch statt Geldmünzen oder Briefmarken hat er über mehrere Jahre eine ganz andere Kollektion zusammengetragen – und zwar eine geschichtsträchtige.
Genau diese veröffentlicht der Westheimer nun in einem Buch mit dem Titel "Made in Westheim - Dokumente des Lebens" und bietet Einblicke in ein bäuerliches Dorf vom 16. Jahrhundert bis hin zur Jahrtausendwende. Die Buchvorstellung ist verbunden mit einer gleichnamigen Ausstellung, die am Montag, 15. August, ab 13 Uhr im Künstler-Hof Hannes Betz in Westheim stattfindet.
Betz pflegt laut eigener Aussage seit seiner Kindheit eine große Sammelleidenschaft. Bei einem Besuch in den Atelierräumen des Künstler-Hofes fallen beim Betrachten Dokumente und Zeitungsausschnitte sowie Ausstellungsstücke ins Auge.

Historische Fahnen, Briefe aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, Karten und vieles mehr sind anschaulich aufbereitet – teils unter Glas, wie eine historische Verkaufsurkunde aus dem Jahre 1578. So gewährt die Ausstellung interessante Einblicke in das Leben in einem bäuerlichen Dorf. Im Buchtitel wird die Gemeinde im übrigen "Westheimb" geschrieben, was auf die alte Schreibweise des Ortes zurückgeht. Wie aber kommt Betz auf die Idee, ein Buch zu schreiben?
"Eine Ausstellung ist einmalig", äußerte sich der Initiator des Westheimer Künstlertreffs. Deshalb entschloss er sich, die Zeitdokumente in einem Buch festzuhalten, um sie so für die Nachwelt zu bewahren. Das Buch gewährt anhand von Texten und Bildmaterialien, Zeitungsausschnitten, Briefen, Zeugnissen und Postkarten eine spannende Zeitreise in Westheims Historie zurück bis ins 16. Jahrhundert. Wobei die jüdische Geschichte, von der Westheim geprägt ist, einen besonderen Raum einnimmt.
Sohn Marcel half bei der Aufarbeitung der Geschichte
Schon vor Jahren reifte in Hannes Betz der Gedanke, eine Ausstellung über seinen Heimatort zu veranstalten. Im Laufe der Zeit wuchs das Sammelsurium mit Gegenständen, auf denen der Name Westheims verinnerlicht ist, immer mehr an. Deshalb kam dem Sammler die Idee, die Ausstellung "Made in Westheim – Dokumente des Lebens" zu nennen, ebenso wie das gleichnamige Buch.

Ein großer Teil der Exemplare wurden dem 62-Jährigen zugetragen, für die eine oder andere Rarität griff er aber auch in den eigenen Geldbeutel. Um die Geschichte aufzuarbeiten, fotografierte Betz alte Bilder ab, scannte Zeitungsnotizen und Schriftstücke ein. Dabei half ihm sein Sohn Marcel. Daten über das Westheimer Dorfleben, angefangen vom Alltag, über Feierlichkeiten im Privaten, bei Vereinen und in der Kirche bis hin zum politischen Leben hinterlegte Betz zunächst am Computer, um diese "Schätze" nun geordnet im Buch zu präsentieren.
Der Autor hat sich mit der Historie Westheims stundenlang intensiv auseinandergesetzt, recherchiert, hinterfragt und historische Dokumente gesammelt. Im Zeitraum von vier Jahren wurde nun der Traum vom eigenen Buch über die Geschichte Westheims Wirklichkeit. Das Buch umfasst über 460 Seiten, darunter sind 90 Prozent mit originalen Dokumenten und zehn Prozent mit Abbildungen von Kopien hinterlegt.
Altdeutsche Handschrift war eine Herausforderung
Stolz zeigt sich Betz über handschriftliche Aufzeichnungen von Westheimer Bürgerinnen und Bürgern. Da heutzutage nur noch wenige Menschen mit alten deutschen Handschriften vertraut sind, machte es die Suche nach der Vergangenheit laut Autor nicht leichter. Für die Übersetzung von altdeutschen Schriften nahm Betz deshalb die Hilfe eines Studenten aus Würzburg in Anspruch.

Zum besseren Verständnis sind einige der Transkriptionen grammatikalisch leicht an die heutige Sprache angepasst, die meisten Texte sind jedoch im originalen Wortlaut belassen. In den erfassten Dokumenten geht es in den meisten Fällen um sehr profane Dinge, wie etwa eine Verkaufsurkunde, aber auch Meisterbriefe, Schulzeugnisse, Quittungen, Briefe, Heiratsurkunden und Postkarten zählen zu den Schriftstücken des täglichen Lebens, die der Autor als "Dokumente des Lebens" bezeichnet.
Einblicke in das Leben der Westheimer Juden
Über Westheim ist unter anderem ein Ausschnitt über den Frei-Hof veröffentlicht. Dieser befand sich an dem Platz, wo heute die evangelische Jakobikirche steht. So gab es im Mittelalter sonderliche Rechte und Gerechtigkeit, die oft dem Verbrecher drei Tage lang eine Sicherheitsstätte im sogenannten Frei-Hof gewährte. Aber auch über die Geschichte der Westheimer Juden ist in dem Buch zu lesen.
Nahezu ein halbes Jahrhundert lebten Christen und Juden in Westheim friedlich nebeneinander. Mit der Machtübernahme der NSDAP wurde es für die Westheimer Juden immer hoffnungsloser. Viele Familien wanderten nach Amerika aus. Am Ende waren es noch sechs Familien, die 1942 die Deportation ins Konzentrationslager Theresienstadt antraten und nicht überlebten.