
Wenn ich in Zukunft auf meiner Gartenbank sitze oder am Schlafzimmerfenster stehe: Schaue ich dann auf Windräder? Wie weit sind die Generatoren dann von meiner Nasenspitze entfernt? Für verbindliche Antworten auf diese Fragen ist es im Landkreis Haßberge zu früh. Doch es gibt sehr wohl Flecken im Landkreis, die damit rechnen müssen, alsbald einen Windpark "in der Nachbarschaft" zu haben. Betroffen sind vor allem die Randbereiche des Landkreises. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Stand der Dinge.
Warum soll es überhaupt weitere Windräder geben?
Wenn es um Windräder und Windparks im Haßbergkreis geht, muss man drei Dinge wissen. Erstens: Der Landkreis will bis 2030 klimaneutral sein und hält für die Erreichung dieses Ziels mindestens 20 neue Windenergieanlagen für nötig. Zweitens: Die Hoheit über die Windenergieplanung hat die Planungsregion Main-Rhön. Und drittens: Der Freistaat gibt vor, dass seine Planungsregionen bis 2032 jeweils 1,8 Prozent ihrer Fläche für die Windkraftnutzung ausweisen, wovon Main-Rhön (zwar schon jetzt 1,8 Prozent, doch viele bestehende Gebiete werden herausfallen) und der Landkreis Haßberge (0,7 Prozent) bis dato weit entfernt waren.
Warum taucht das Thema gerade jetzt auf?
Weil die potenziellen Standorte neuer Windenergieanlagen viel konkreter geworden sind: Im Februar hat der Regionale Planungsverband Main-Rhön, zu dem Stadt und Landkreis Schweinfurt sowie die Kreise Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld und Haßberge gehören, sein aktualisiertes Konzept der Windenergie-Steuerung vorgelegt. Die Fortschreibung von 2014 sieht 17 neue Windenergiegebiete (Vorranggebiete) und 14 Erweiterungen bestehender Gebiete vor. Der Landkreis Haßberge ist von den Planungen massiv betroffen: Hier sollen es sieben neue Vorranggebiete und zwei Gebietserweiterungen sein.
Wo genau befinden sich die neuen, potenziellen Windparks?
Die sieben Vorranggebiete im Landkreis Haßberge sind: W112 "Nördlich Ermershausen" (141 Hektar), W113 "Nordöstlich Goßmannsdorf" (155 Hektar), W114 "Südlich Aidhausen" (162 Hektar, davon 15 im Landkreis Schweinfurt), W115 "Östlich Ebern" (161 Hektar), W116 "Nordöstlich Stettfeld" (126 Hektar), W117 "Südöstlich Dankenfeld" (130 Hektar) und W121 "Nördlich Obertheres" (83 Hektar). Hinzu kommen zwei bestehende Flächen, die vergrößert werden: Das Windkraftgebiet (WK) 19 "Westlich Dampfach" wird um die Vorranggebiete W19-A und W19-B erweitert (insgesamt 181 Hektar). Auch das WK 22 "Reut" in der Gemeinde Riedbach erfährt eine Ausdehnung (insgesamt 133 Hektar).
Was ist mit den früher ausgewiesenen Vorrang- und Vorbehaltgebieten?
Sie gelten vorerst weiter, was bedeutet, dass ihre Flächen auf das regionale Flächenziel von 1,8 Prozent angerechnet werden. Ab 2027 werden aber nur noch Vorranggebiete anerkannt. Vorbehaltsgebiete werden dann entweder hochgestuft oder fallen aus der Berechnung. In Vorranggebieten sind andere Nutzungen ausgeschlossen, sofern sie mit der Windenergienutzung nicht vereinbar sind. Bei Vorbehaltsgebieten wird der Windkraftnutzung hohe Bedeutung beigemessen, eine endgültige Abwägung ist aber noch nicht erfolgt.

Um welche "älteren" Vorrang- und Vorbehaltsgebiete handelt es sich?
Es geht um die erwähnten Vorranggebiete WK 19 "Westlich Dampfach" und WK 22 "Reut", zudem WK 23 "Bayerhof" (16 Hektar). Hinzu kommen die Vorbehaltsgebiete WK 62 "Südlich Stöckach" (32 Hektar), WK 63 "Westlich Kleinmünster" (384 Hektar) und WK 64 "Nördlich Holzhausen" (91 Hektar).

Moment mal, hier und dort stehen doch schon Windräder?
Ja, hier ist allen voran das WK 63 "Westlich Kleinmünster" zu nennen, der Windpark im Sailershäuser Wald mit seinen zehn Windrädern. An einen weiteren Ausbau der Windenergie ist hier nicht gedacht. Auf Laien mag es absurd wirken: Der größte Windpark weit und breit steht auf einer Fläche, die nur als "Vorbehaltsgebiet" eingestuft ist. Deshalb könnten die 384 Hektar ganz oder teilweise aus der Berechnung des Flächenziels herausfallen. Damit der Merkwürdigkeiten nicht genug: Die beiden in die Jahre gekommenen Windräder auf dem Bretzenstein, die aktuell durch ein modernes ersetzt werden, spielen beim 1,8-Prozent-Ziel keine Rolle: Für sie wurde im Regionalplan keine Fläche ausgewiesen.
Lässt sich ein Verbreitungsmuster erkennen?
Wenn das neue Bretzenstein-Windrad fertig ist, zählt der Landkreis Haßberge 16 Windräder. Schaut man sich an, wo Windräder bereits stehen und neue angedacht sind, fällt auf: Windenergienutzung soll vor allem an den Landkreisgrenzen genutzt werden, sprich in der Peripherie. Im äußersten Westen des Landkreises liegen die Windkraftgebiete auf einem Streifen von Aidhausen bis Dampfach. Und auf der anderen Seite des Landkreises finden sie sich auf einem großen Bogen entlang der Kreisgrenze von Ermershausen im Nordosten über Untermerzbach und Stettfeld bis Dankenfeld im Südosten. Unter den neugeplanten Vorranggebieten hat allein das W113 zwischen Goßmannsdorf und Burgpreppach eine zentralere Lage.
Wo genau sollen die mindestens 20 Windräder hin?
Dazu äußern sich gegenwärtig weder der Landkreis Haßberge noch der Planungsverband. Wie man hört, ist es höchst wahrscheinlich, dass sich alles in den neu ausgewiesenen Vorranggebieten abspielen wird. Gut möglich also, dass sich in einigen Jahren der Horizont für die Menschen in Stettfeld und Dankenfeld ebenso verändert wie für all jene, die in Dampfach oder Aidhausen wohnen. Übrigens: Eine Mindest- oder Maximalzahl an Windrädern innerhalb der jeweiligen Windenergiegebiete schreibt der Regionalplan nicht vor. Als Faustformel gelte 30 Hektar für jeden modernen 7-Megawatt-Generator. Bei Aidhausen und Goßmannsdorf könnte man also von bis zu fünf und bei Stettfeld und Dankenfeld von bis zu vier Windrädern ausgehen.
Wie geht es weiter?
Nachdem der Regionale Planungsverband im Februar sein neues Windenergiesteuerungskonzept vorgestellt hat, findet bis Ende April das Beteiligungsverfahren statt: Kommunen, Fachstellen, Verbände und die Öffentlichkeit haben die Möglichkeit, die Planunterlagen einzusehen und dazu Stellung zu nehmen. Es folgt die Auswertung der Stellungnahmen und die Überarbeitung der Planungen.
Bei Flächen zur Windkraftnutzung, gegen die es keine Einwände gibt, kann rasch die "isolierte positive Vorwirkung der Planung" greifen: Hier könnten also bereits im dritten oder vierten Quartal 2025 Windräder in das Genehmigungsverfahren gehen. Bei strittigen Flächen ist unter Umständen Anfang/Mitte nächsten Jahres ein zweites Beteiligungsverfahren nötig. Spätestens Ende 2026 will der Planungsverband das neue Windenergiekonzept für verbindlich erklären.
https://www.marktstammdatenregister.de/MaStR/Einheit/Einheiten/OeffentlicheEinheitenuebersicht?filter=Bruttoleistung%20der%20Einheit~gt~%275%27~and~Energietr%C3%A4ger~eq~%272497%27~and~Betriebs-Status~eq~%2735%27~and~Landkreis~ct~%27Ha%C3%9Fberg%27
Zum Vergleich Landkreis Würzburg (etwa gleiche Landkreisfläche und doppelt soviel Einwohner wie Landkreis Haßberge)
68 WKA mit 143 MW Gesamtleistung
https://www.marktstammdatenregister.de/MaStR/Einheit/Einheiten/OeffentlicheEinheitenuebersicht?filter=Landkreis~ct~%27W%C3%BCrzburg%27~and~Betriebs-Status~eq~%2735%27~and~Energietr%C3%A4ger~eq~%272497%27~and~Bruttoleistung%20der%20Einheit~gt~%275%27