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Sand am Main
Pfauensessel für die Wiener Staatsoper: Der besondere Auftrag für den Sander Korbmacher Stefan Rippstein
Dabei ging es um Möbelstücke für das Ballett "Die Kameliendame". Und es musste "weiße Weide" sein. Und so lebte alte Handwerkskunst wieder auf.
Geschafft: Stefan Rippstein zeigt einen der besonderen Pfauensessel, die er für die Aufführung in Wien geflochten hat.
Foto: Günther Geiling | Geschafft: Stefan Rippstein zeigt einen der besonderen Pfauensessel, die er für die Aufführung in Wien geflochten hat.
Günther Geiling
 |  aktualisiert: 02.03.2024 02:49 Uhr

Wer derzeit in die Werkstatt von Korbmachermeister Stefan Rippstein kommt, mag sich fragen: "Was hat Sand mit der Wiener Staatsoper zu tun?" Denn der Sander ist gerade bei der Arbeit, um für die Premiere des Balletts "Die Kameliendame" von John Neumeier zwei prägnante Pfauensessel und einen Tisch aus weißer Weide zu flechten. Diese sind seit Jahrzehnten untrennbar mit dem Bühnenbild dieses Stückes verbunden. Ab 24. März wird die Handwerkskunst aus Sand die Bühne der Staatsoper in Wien schmücken.

Korbmacher Stefan Rippstein wusste zuerst gar nicht richtig, wie ihm geschah, als die Verantwortlichen aus Wien mit ihm Kontakt aufnahmen. Sie hatten sich zuvor schon bei anderen Korbmachern in Österreich und Deutschland umgehört, von denen viele abgewunken hatten. Nur alte Fotografien gaben einen Eindruck davon, was man sich vorstellte und wie knifflig und ausladend die Sessel sein sollten, noch dazu aus "weißer Weide".

Diese zwei Pfauensessel mit Tisch oder Bank aus Sand werden demnächst die Bühne der Wiener Staatsoper zieren, wenn 'die Kameliendame' auf die Bühne kommt.
Foto: Günther Geiling | Diese zwei Pfauensessel mit Tisch oder Bank aus Sand werden demnächst die Bühne der Wiener Staatsoper zieren, wenn "die Kameliendame" auf die Bühne kommt.

Sand ist als Korbmachergemeinde noch in aller Munde

Stefan Rippstein erinnerte sich dabei an seinen alten Chef Witzgall, aber auch an seinen Vater Rudi, die ihn immer wieder in alte Werkstätten mitnahmen, wo auch außergewöhnliche Möbelstücke geflochten wurden. Auch er nutzte immer wieder solche besonderen Angebote. Die Anfrage aus Wien sieht er dabei auch als eine Reminiszenz an die alten Korbflechter von Sand. "Dabei denkt man gerne an die Generation zurück, die so viele Sachen im Haushalt aus Flechtwerk hergestellt hat. Der Neebs Schorsch, der Russ'n Herbert und die Alberts Rita waren Koryphäen in diesem Handwerk."

Auf der anderen Seite werde damit deutlich, "dass Sand als Korbmachergemeinde immer noch in aller Munde ist und durch seine Korbflechterei bekannt bleibt." Korbmacher Stefan Rippstein nutzt dazu jede Gelegenheit, um auf besonderen Märkten seine Flechtarbeiten anzubieten.

Kontrast im Bühnenbild: Weiße Sessel und schwarzes Piano

Zwar wurden damals in den Familien vor allem Körbe geflochten, aber auch die Sessel aus Sand waren bekannt. "Auch ich musste noch so einen Sessel nach altem Muster flechten. Ebenso erinnere ich mich noch an die alten Sander Korbmacher, die früher jahraus, jahrein solche in ganz Europa und sogar nach Amerika verkauften. Und nun diese Anfrage von der Wiener Staatsoper an mich." Seine Faust schießt nach oben: "Ein dreifach hoch auf die Flechtkunst!" Man sieht ihm an, mit welchem Stolz er bei seinem Auftrag für die Wiener Staatsoper seine Weiden biegt und flicht.

Auch wenn Stefan Rippstein vor allem Körbe flicht, wie dieses Bild zeigt: Er nimmt auch gerne Spezialaufträge an.
Foto: Günther Geiling | Auch wenn Stefan Rippstein vor allem Körbe flicht, wie dieses Bild zeigt: Er nimmt auch gerne Spezialaufträge an.

Das Ballett, für die Neumeier ausschließlich Musik von Frédéric Chopin verwendete, basiert auf dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas und wurde 1978 in Stuttgart uraufgeführt. Dabei geht es um eine der schillerndsten Frauen des 19. Jahrhunderts, Kurtisane Marguerite Gautier, die man nur mit einer einzigen Blume, nämlich der Kamelie, beschenken darf.

Die Szenen auf dem Lande sind ganz in Weiß gehalten. In ihrem weißen Korbgestühl mit Gartenflair empfängt sie Besuch. Die fächerförmigen Lehnen werden mit einem prächtigen Pfau assoziiert, wirken majestätisch und die starke Frau wird dabei höchst sinnlich mit Thronanmutung inszeniert. Als Kontrast steht auf der Bühne nur das schwarze Piano, auf dem die sanfte Melodie von Chopin gespielt wird. Der Musiker sitzt dazu auf einer Bank aus weißer Weide.

Vom Gebrauchsgegenstand zur Sonderanfertigung

Doch nicht nur der Pianist braucht Fingerfertigkeit. Auch die Technik des Flechtens erfordert von Korbmacher Stefan Rippstein Kraft und Fingerspitzengefühl. "Dabei wird aus etwas Unsichtbarem etwas sichtbar Schönes erstellt. Solche Spezialsachen sind auch unsere Chance und deswegen gehe ich gerne auf Sonderwünsche ein", betont Stefan Rippstein.

Früher sei es mehr der Holzkorb, der Futterkorb für Tiere oder der Wäschekorb gewesen, "heute wünscht man sich schon mehr Sonderanfertigungen für den Garten und die Wohnung oder ein Nischenkörbchen für die Küche". Ein weiteres Beispiel dafür steht in der Ecke seiner Werkstatt: ein farblich gestalteter Weidenkorb. "Das wurde von einem Hundebesitzer als Haustiersarg für seinen langjährigen, 14-jährigen Begleiter bestellt."

Die Sessel für die Wiener Staatsoper sind aus weißer Weide geflochten.
Foto: Günther Geiling | Die Sessel für die Wiener Staatsoper sind aus weißer Weide geflochten.

Stefan Rippstein bereitet daneben auch seine Fahrt zum traditionellen "Kalten Markt" in Römhild in Südthüringen vor, der tausende von Gästen anlockt und bei dem auch der Sander Korbmacher alljährlich vertreten ist. Ein weiteres großes Highlight ist für ihn bald der Mitfastenmarkt in Bamberg, der genau zur Hälfte der Fastenzeit von Mittwoch, 4., bis Samstag, 6. März, rund um den Grünen Markt und Maxplatz in Bamberg stattfindet. "Viele Bamberger und Gäste freuen sich schon, dass die Sander Korbmacher mit ihrer Handwerkskunst da sind in der Nähe der schönen Atmosphäre der Martinskirche."

Lernen in Irland und England

Die Rippsteins aus Sand waren von jeher Korbmacher, die man heute offiziell "Flechtwerkgestalter" nennt. Heute gibt es nur noch wenige davon, doch Stefan Rippstein hat die Hoffnung, dass sein Sohn Valentin den Familienbetrieb weiterführt. Nach seiner Berufsausbildung sammelt dieser zurzeit weitere berufliche Erfahrung bei Korbmachern in Irland und England, von denen er vielleicht neue Perspektiven für die eigene Korbmacher-Werkstatt in Sand mitbringen kann.

Hier wächst das Material, mit dem Stefan Rippstein arbeitet. Weiden zieren den Weg zur Werkstatt.
Foto: Günther Geiling | Hier wächst das Material, mit dem Stefan Rippstein arbeitet. Weiden zieren den Weg zur Werkstatt.

Jetzt seien erst einmal die Sessel für die "Wiener Staatsoper" ein außergewöhnliches Highlight gewesen. "Ich freue mich, wenn unsere Flechtkunst so wahrgenommen wird und die Leute sensibel dafür werden, dass unser Handwerk etwas Schönes ist und auch die Zeit überdauert."

Seine zwei Sessel und das Tischchen seien inzwischen wohlbehalten in Wien angekommen. "Ich bin auch stolz auf das gute Feedback. Die Bühnenbildnerin war ganz angetan und glücklich und auch die Handwerker rund um die Bühne haben von wunderschönen Arbeiten gesprochen, die es nun in Szene zu setzen gelte." Außerdem habe er auch Karten für die Generalprobe bekommen, um seine Handwerkskunst in einem besonderen Rahmen und in einem ganz anderen Licht außerhalb der Werkstatt erleben zu können.

 
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