
Der Begriff "Smart City" steht für die Entwicklung und Nutzung digitaler Technologien in fast allen Bereichen auf kommunaler Ebene, so erklärt das Bundesinnenministerium (BMI) auf seiner Website. Diese Technologien entwickeln sich rasant weiter, Unternehmen und Menschen setzen sie weltweit immer häufiger und vielfältiger ein, und die Menschen erwarten auch, so das BMI, dass Städte und Gemeinden sich diese neuen Möglichkeiten zunutze machen. Das Ministerium hat die Stadt Haßfurt ausgewählt, als eine von zehn Smart Cities in Deutschland als eine Art Modellprojekt zu fungieren. Die in Haßfurt gewonnenen Erkenntnisse sollen dann auch anderen, größeren Kommunen zugänglich gemacht werden.
Mit über 11 Millionen Euro gefördert
Im Rahmen des bundesweiten Wettbewerbs Smart City des BMI hatte sich die Kreisstadt gegen mehr als 100 Bewerber aus ganz Deutschland durchgesetzt, erklärt Bürgermeister Günther Werner im Gespräch mit dieser Redaktion. Haßfurt sei die einzige Stadt im Freistaat Bayern neben dem Landkreis Wunsiedel, die im Wettbewerb erfolgreich war und eine Förderung von insgesamt über 11 Millionen Euro erhält; 1,612 Millionen für die erste Phase (Entwicklung), 9,75 Millionen für Phase zwei (Umsetzung).

Zur Umsetzung dieser Digitalstrategie hat die Stadt Haßfurt Dr. Madlen Müller-Wuttke als Chief Digital Officer eingestellt. Sie begleitet seit 1. Februar die Stadt Haßfurt und ihre Bürger beim digitalen Wandel. Madlen Müller-Wuttke wurde in Spremberg in der Lausitz geboren, studierte Medienkommunikation und promovierte in Chemnitz. Zusammen mit dem Bürgermeister erklärt sie dieser Redaktion ihre Tätigkeit. Zunächst lobt sie das Team, auf das sie im Haßfurter Rathaus traf. "Ich bin supergut aufgenommen worden. Es ist ein offenes Team, gut vernetzt. Mit wird überall geholfen. Wenn jemand von außen kommt, muss er sich oft lange einarbeiten. Das wurde mir hier in Haßfurt wirklich leicht gemacht."
Den Bürger ins Boot holen
Das Modellprojekt Smart City läuft in zwei Phasen ab. Die erste dauert zwei Jahre und sieht die Planung der Strategie vor. Dabei werden auch die Bürger schon ins Boot geholt. "Die Wünsche und Vorstellungen der Bürger müssen unbedingt mit einbezogen werden", sagt Madlen Müller-Wuttke. "Ohne funktioniert der Smart-City-Prozess nicht." Die zweite Phase schließt sich nahtlos an die erste an und wird fünf Jahre dauern. Bürgermeister Günther Werner ist auf dieses Projekt mächtig stolz: "Das ist auch ein Wahnsinnserfolg für die Mitarbeiter in der Verwaltung, die sich bei der Bewerbung eingebracht haben." Die besondere Rolle, die Haßfurt als Modellstadt bei der Digitalisierung spielt, habe sich herumgesprochen, denn "ich werde bei Treffen der Metropolregion Nürnberg immer wieder darauf angesprochen", so Werner.
Eine App gibt Auskunft
Immer wieder fragten sich Bürger, was denn eine Smart-City überhaupt sei. Dies lasse sich zusammenfassen als die völlige Digitalisierung der Stadt. Das bedeutet zum Beispiel die Erledigung der Hundesteuer online, die Einführung einer zentralen Informationsstelle, eventuell per App, an der man über das Smartphone zum nächsten freien Parkplatz geleitet wird, wenn man sein Ziel eingibt, oder von der man die Auskunft bekommt, in welchem Lokal es gerade einen Schweinebraten mit Klößen zu welchem Preis gibt, wann wo welches Konzert stattfindet – einschließlich Kartenvorbestellung – und vieles andere mehr. In Kombination mit den Errungenschaften des Stadtwerks Haßfurt werde die Stadt zur Green Smart City. Die Smartmeter des Stadtwerks, die bereits installiert sind, könnten etwa viele Belange im Haushalt "smart" steuern. Wer einen entsprechenden Stromtarif beim Stadtwerk gebucht hat, könnte zum Beispiel dann, wenn der Strompreis an der Strombörse am niedrigsten ist, die Verbraucher wie Spülmaschine oder Trockner darüber anschalten lassen.
Aber das, so Bürgermeister Werner, sei nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten, die eine Smart City bietet. Madlen Müller-Wuttke sieht sich dabei als "Motivator und Mittler dieser Digitalisierungsstrategie". Diese gliedert sich in acht Kernbereiche: E-Government; Mobilität und Logistik; Energie, Wasser, Telekommunikation, Entsorgung; Bildung; Kultur und Tourismus; Gesundheit und Pflege; Wirtschaft und Einzelhandel; Klima, Umwelt und SDG (Sustainable Development Goals). Für jeden dieser Kernbereiche wird eine Arbeitsgruppe gegründet. "Mit den Arbeitsgruppen setzen wir uns zusammen", so Madlen Müller-Wuttke. "Wir wollen wissen, was ist für die Bürger wichtig. Wie können wir alle daran teilhaben lassen, wie können wir alle Bürger abholen?" Die CDO regt weiter an, in der Innenstadt einen Ort zu schaffen, "wo Bürger vorbeikommen, an Workshops teilnehmen, zum Beispiel verschiedene Projekte anschauen, interagieren können". Oder kurz: "Einen Erlebnisraum schaffen, wo Digitalisierung erlebbar wird."
Von E-Bike bis Wanderweg
Eine weitere Möglichkeit, die eine Smart City eröffnet, ist die Ausstattung des geplanten Zentralen Busbahnhofs mit digitalen Tafeln. Sowohl Einheimische als auch Touristen könnten so minutengenau informiert werden, wann welcher Bus kommt und wohin er fährt. E-Bikes-Verleih, Digitalisierung von Wanderwegen, es gibt zahllose Möglichkeiten, viele Lebensbereiche zu digitalisieren und so das Leben für die Menschen zu vereinfachen und bequemer zu machen. Dennoch soll es auch weiterhin möglich sein, Buchungen wie bisher persönlich vorzunehmen. "Kein Ersetzen, sondern ein Miteinander", sagt Madlen Müller-Wuttke. "Wir wollen neue Möglichkeiten nutzbar machen."
Chance für den Einzelhandel
Auch für den örtlichen Einzelhandel eröffnen sich neue Möglichkeiten. Vom stadtweiten freien WLAN bis zur App, über die sich potenzielle Kunden über das Warenangebot vor Ort informieren können. Das Erkennen, welche Waren auch lokal erworben werden können, weckt vielleicht die Kauflaune und reduziert Bestellungen im Internet. Dies alles in die Mitte der Bevölkerung zu bringen und dafür zu sorgen, dass die Menschen an diesem Prozess partizipieren, wird die Aufgabe vor allem auch des Chief Digital Officers sein. Eine weitere Möglichkeit, wie man in diesem Prozess einen Schritt vorankommen könnte, sieht der Bürgermeister in einem etwaigen Schülerwettbewerb unter dem Motto "Wie sehen wir Haßfurt im Jahre 2030?".
Auftakt mit Arbeitsgruppen
Bürgermeister Günther Werner und Madlen Müller-Wuttke sind sich einig, dass die Entwicklung erst in einem kleinen Kreis erörtert werden soll, der schnell immer größer wird. Die Arbeitsgruppen machen den Auftakt. Die erzielten Ergebnisse werden schon im ersten Bürgerbeteiligungs-Workshop im Mai vorgestellt. "Durch die Diskussionen entwickeln sich neue Ideen", so Bürgermeister Werner, und Madlen Müller-Wuttke ergänzt: "Am Ende haben wir dann das perfekte Projekt. Und das kann keiner alleine entwickeln."